I vespri siciliani
Dramma in fünf Akten von Giuseppe Verdi (1813-1901)
Libretto von Eugène Scribe und Charles Duveyrier,
italienische Übersetzung von Arnaldo Fusinato
In italienischer Sprache mit deutscher und englischer Übertitelung. Dauer ca. 3 Std. 05 Min. inkl. Pause nach ca. 1 Std. 40 Min. Werkeinführung jeweils 45 Min. vor Vorstellungsbeginn.
Einführungsmatinee am 26 Mai 2024.
Partnerin Opernhaus Zürich
Gut zu wissen
In dieser Inszenierung kommt es zu Darstellungen sexualisierter Gewalt gegen Frauen.
Interview
Calixto, du hast dich im Laufe deiner Karriere immer wieder mit den Opern von Giuseppe Verdi auseinandergesetzt. Deine erste Verdi-Inszenierung, Un ballo in maschera 2000 im Teatro Liceu in Barcelona, hat dich über Nacht bekannt gemacht, und deine Inszenierungen von Il trovatore und La traviata an der Staatsoper Hannover haben dort 2004 für Skandal und Abonnements-Kündigungen in grosser Zahl gesorgt. In den letzten Jahren hast du unter anderem Don Carlos in Basel, Macbeth in Frankfurt, Simon Boccanegra in Paris, Aida in Berlin, das Requiem und Falstaff in Hamburg inszeniert. Nun widmest du dich hier in Zürich den Vespri siciliani. Inwiefern hat sich die Art und Weise, wie du dich Verdis Opern näherst, verändert?
In meiner Inszenierung des Trovatore damals in Hannover haben die Figuren ihre Wut auf der Bühne sehr stark ausagiert. Es war sehr realistisch dargestellte Gewalt zu sehen, die damals das Publikum schockiert haben mag, was aber gar nicht meine Intention war. Jedenfalls kann und möchte ich das heute nicht mehr so einfach wiederholen. Kunst ist natürlich keine Entsprechung der Wirklichkeit, sollte aber in meinen Augen dennoch etwas erschaffen, das wir als authentisch empfinden. Schon mit Simon Boccanegra in Paris habe ich versucht, einen anderen Weg zu gehen auf meiner Suche nach Authentizität. Diesen Weg möchte ich nun mit den Vespri siciliani hier in Zürich fortsetzen.
Was heisst das für deine Theatersprache?
Das heisst, dass ich eher Bildern folge, die ich im Kopf habe, und den Erinnerungen aus meiner Kindheit. Im Zusammenhang mit dem Beginn von I vespri siciliani denke ich zum Beispiel an den Tod eines Nachbarn, der an Krebs gestorben ist, als ich noch sehr jung war. Bis heute sind mir die Geräusche präsent, die der Sarg gemacht hat, als er durch das enge Treppenhaus transportiert wurde. Meine Mutter hielt mir die Augen zu, als der Sarg an unserer Wohnung vorbeigetragen wurde, aber natürlich habe ich ihn trotzdem gesehen. Und auch an die trauernde Witwe erinnere ich mich gut, obwohl ich wirklich noch sehr klein war. Eine andere bleibende Erinnerung ist die an eine Frau, die mir immer auf eine sehr besondere Art und Weise über das Gesicht streichelte, wenn wir uns begegneten. Ich fühlte mich sehr unwohl dabei. Erst später erfuhr ich, dass sie ihr Kind bei einem Unfall verloren hatte. Und natürlich hat auch die Kirche einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen, nicht nur im positiven Sinn. Vieles in der Kirche machte mir Angst. Zugleich übten kirchliche Rituale und das Singen im Kirchenchor eine grosse Faszination auf mich aus; diese Rituale haben etwas sehr Theatralisches, und die Erinnerung daran hat mich für diese Inszenierung sehr inspiriert.
Du denkst, so jedenfalls empfinde ich es auf den Proben, beim Entwickeln der Inszenierung mehr in Bildern als in Narrativen…
…ja, ich versuche zuerst, Bilder zu finden und aus diesen Bildern dann die Erzählung zu entwickeln. Eines dieser Bilder ist die Darstellung des Raubs der Sabinerinnen von Rubens, es zeigt einen Gründungsmythos der Stadt Rom. Die französischen Besatzer in der Opernhandlung – es sind im Stück tatsächlich nur Männer – sprechen im Libretto diesen Mythos direkt an, um zu rechtfertigen, dass sie die sizilianischen Frauen vergewaltigen; als Besatzer glauben sie, sie hätten das Recht dazu, und die Frauen seien ihr Eigentum. In allen Kriegen wird sexuelle Gewalt als Waffe eingesetzt. Aber auch in sogenannten Friedenszeiten gibt es sie, ich lese in letzter Zeit oft von Gruppenvergewaltigungen in verschiedenen Ländern, in Indien zum Beispiel, aber auch in Spanien. Ich finde das unfassbar brutal und primitiv.
Herz der Oper I vespri siciliani ist die Beziehung zwischen Monforte und seinem Sohn Arrigo – sehr charakteristisch für Verdi, der sich Zeit seines Lebens als Komponist an den Beziehungen von Vätern und ihren Kindern abgearbeitet hat.
Diese Beziehung spielt in vielen Opern von Giuseppe Verdi eine Rolle, in Simon Boccanegra ebenso wie in Don Carlos, La traviata oder Rigoletto. In Vespri siciliani kommt hinzu, dass Arrigo zunächst nicht weiss, dass Monforte sein Vater ist – er hasst ihn, weil er Franzose und der Anführer seiner Feinde ist. Die Geschichte spielt laut Libretto im von den Franzosen besetzten Sizilien im 13. Jahrhundert, und Arrigo ist das Kind einer von Monforte vergewaltigten Sizilianerin. Als er erfährt, dass Monforte nicht nur sein grösster Feind, sondern auch sein Vater ist, ist Arrigo emotional vollkommen überfordert. Zudem ist er einer extremen emotionalen Manipulation ausgesetzt; Monforte ist zwar mächtig, aber zugleich auch sehr einsam, und Arrigo soll nun diese Einsamkeit lindern und für das Glück und das seelische Wohlbefinden seines Vaters verantwortlich sein. Das würde jeden Sohn überfordern! Monforte versucht auf geradezu sadistische Art und Weise, Arrigo emotional zu erpressen: Er droht damit, Arrigos Geliebte Elena hinrichten zu lassen, um Arrigo dazu zu bringen, ihn als seinen Vater anzuerkennen. Daran würden auch seelisch gesündere und emotional stabilere Charaktere als Arrigo früher oder später zerbrechen.
Du hast es gerade angesprochen – Hintergrund für die Konflikte zwischen Arrigo, Elena und Monforte ist die Besatzung Siziliens durch die Franzosen. Verdi schrieb das Stück für die Pariser Oper, später arbeitete er es für Aufführungen in Italien um; wegen der Zensur musste er allerdings den Schauplatz von Sizilien nach Portugal verlegen und den Titel in Giovanna da Guzman ändern.
Zu Verdis Zeit waren die italienische Risorgimento-Bewegung und die nationale Einigung Italiens sehr präsent, Nationalismus war vorwiegend positiv besetzt. Nach allem, was das 20. Jahrhundert an Katastrophen hervorgebracht hat, wissen wir, dass übersteigerter Nationalismus in Verbindung mit wirtschaftlichen Krisen, Orientierungslosigkeit, Arbeitslosigkeit etc. zu Extremismus und Diktatur führen kann; in Bezug auf Italien denke ich da natürlich vor allem an die faschistische Diktatur Mussolinis. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war Nationalismus daher lange Zeit ausschliesslich negativ besetzt. Heute würde ich sagen, es gibt verschiedene Arten von Nationalismus, in manchen Ländern mag er für den Zusammenhalt, den Schutz der Identität notwendig sein. Ein schwieriges Thema, bei dem es keine einfachen Antworten, kein eindeutiges Schwarz oder Weiss gibt. Und ich werde auch nicht versuchen, mit meiner Inszenierung irgendwelche Statements dazu abzugeben. Ich selbst fühle eigentlich keine nationale Identität, ich bin nirgends wirklich zuhause, ausser vielleicht im Humanismus.
Deine Inszenierung von I vespri siciliani ist nirgends konkret verortet; das Bühnenbild zeigt eine abstrakte, halb zerstörte Containerlandschaft, die auch als Silhouette einer durch einen Krieg versehrten Stadt gelesen werden kann…
Nein, das Bühnenbild zeigt auch keinen konkreten Ort. Aber natürlich gibt es Dinge, die meine Bühnenbildnerin und mich inspiriert haben. Vor ein paar Monaten zum Beispiel war ich für ein paar Wochen in Neapel und habe dort Gioachino Rossinis Maometto II. inszeniert. Die Atmosphäre dieser labyrinthischen Stadt mit ihren engen, dunklen Strassen und Gassen, der von spanischen Einflüssen geprägten barocken Architektur und dem grossen Hafen hat mich sehr fasziniert. Andere Inspirationen bekomme ich aus dem Kino. Als ich jung war, habe ich sehr viele italienische Filme gesehen, das italienische Kino war zu jener Zeit mit Pasolini, Fellini und Bertolucci das wichtigste Europas, und nach dem Ende der spanischen Diktatur wurden all diese Filme im Fernsehen gezeigt. Ich erinnere mich besonders an Roma, città aperta von Roberto Rossellini; darin geht es um Italien zur Zeit der deutschen Besatzung. Die Bilder, die mir von diesem und anderen Filmen geblieben sind, mögen sich über die Jahre in meiner Erinnerung verändert haben, aber ich möchte das gar nicht überprüfen, indem ich die Filme jetzt noch einmal schaue, sondern ich greife lieber auf meine Erinnerungen, auf meine subjektive Wahrheit zurück.
Du hast den italienischen Neorealismus von Roberto Rossellini erwähnt; in deiner Inszenierung suchst du aber oft auch nach eher surrealen Bildern.
Ja, das ist vermutlich die spanische und katalanische Kultur, die mich natürlich auch geprägt hat; ich denke da zum Beispiel an Salvador Dalí, aber auch an den hierzulande wenig bekannten und kaum übersetzten Schriftsteller Ramòn del Valle-Inclán, für mich einer der besten spanischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, und natürlich den fantastischen Filmregisseur Luis Buñuel, mit dem mich sehr viel verbindet. Das Wort «vespri» hat ja verschiedene Bedeutungen. Es meint natürlich zunächst den abendlichen Gottesdienst; darauf bezieht sich auch der Titel des Stückes: Die Glocken läuten zur Abendvesper und geben zugleich das vereinbarte Zeichen für den Aufstand gegen die Besatzer, der in einem furchtbaren Massaker endet. «Vesper» bedeutet aber auch Sonnenuntergang, Dämmerung, einen Zustand zwischen Tag und Nacht, zwischen Wachen und Träumen, in dem in unseren Köpfen sehr surreale Bilder entstehen können.
I vespri siciliani stand ja schon einmal auf unserem Spielplan – 2020, doch dann kam die Corona-Pandemie, und wir mussten die Inszenierung verschieben. Vorübergehend dachten wir darüber nach, das Stück in einer reduzierten, eher experimentellen Corona-Fassung auf die Bühne zu bringen, haben die Idee dann aber wieder verworfen. Hat die Arbeit an einer solchen Fassung deine Sicht auf das Stück verändert?
Das Wort experimentell mag ich nicht. Ich würde eher sagen, dass das Nachdenken über das Stück während der Corona-Pandemie eine sehr gute Übung für mich war, mir zu überlegen, was für mich wirklich die Essenz dieses Stückes ist. Diese gedankliche Arbeit hat zu der sehr reduzierten, konzentrierten Konzeption geführt, die wir jetzt versuchen umzusetzen. Ich habe dabei eine katholische Totenmesse im Hinterkopf, ein liturgisches Ritual. Es geht mir nicht darum, den Kampf der Sizilianer gegen die Franzosen pseudorealistisch darzustellen, sondern eher um innere Auseinandersetzungen, um die Emotionen und Ängste jedes Einzelnen, ausgedrückt durch die Musik.
Das Gespräch führte Beate Breidenbach.
Dieser Artikel ist erschienen im MAG 113, Juni 2024.
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Nachgefragt – Beate Breidenbach über «I vespri siciliani»
Worum geht es eigentlich in «I vespri siciliani», liebe Beate Breidenbach, was kann man über die Frauenfiguren in der Oper sagen und was macht das Werk so aktuell? Die Stückdramaturgin unserer neusten Verdi-Oper gibt Auskunft.
Drei Fragen an Andreas Homoki
Herr Homoki, die Oper I vespri siciliani, die am 9. Juni Premiere hat, gehört zu den weniger bekannten Werken von Giuseppe Verdi. Worum geht es?
Es geht um die Themen, um die es ganz oft bei Verdi geht – das Aufbegehren eines unterdrückten Volkes, Freiheits-Sehnsucht, Vater-Sohn-Konflikte und eine Liebe, der die gesellschaftlichen Verhältnisse entgegen stehen. In I vespri siciliani ist das Politische eine starke Kraft. Die Oper wurde 1855 in Paris uraufgeführt, also sechs Jahre bevor die Risorgimento-Bewegung, der sich Verdi stark verbunden fühlte, gesiegt und Italien seine Unabhängigkeit erlangt hat. Der Grundkonflikt besteht zwischen der französischen Besatzungsmacht und dem sizilianischen Volk, das gegen seine Unterdrücker aufsteht. Ein klassisches Verdi-Thema also. Die Oper endet mit einem blutigen Massaker. Es ist trotz der eingewobenen Liebesgeschichte ein eher düsteres, ungemütliches Stück.
Sie haben Calixto Bieito die Regie anvertraut. Warum ist er der richtige für diese Oper?
Er hat Verdi schon an vielen Häusern inszeniert, aber noch nicht am Opernhaus Zürich. Bei uns hat er mit Monteverdis L’incoronazione di Poppea und Eliogabalo von Cavalli zwei Barockopern auf die Bühne gebracht, ausserdem Prokofjews Der feurige Engel und – unvergessen – Bernd Alois Zimmermanns Die Soldaten. Aber auch für Verdis Opern besitzt er genau den richtigen Theaterinstinkt. Verdi hatte kein Interesse am folgerichtigen Erzählen von Geschichten, sondern stürzte sich immer direkt in die dramatischen Konflikte, ohne sich um Plausibilität zu scheren. Diese Direktheit zeichnet auch Calixto aus. Auch er steuert in seinen Inszenierungen unmittelbar die theatralen Situationen an und zeigt in starken Bildern die Figuren in den Extremzuständen, in die sie durch die Stoffe geführt werden. Die Themen Machtausübung und Gewalt können bei Calixto dementsprechend explizit und sehr körperlich ausfallen. Obwohl ich selbst als Regisseur etwas anders arbeite, finde ich diese Herangehensweise sehr legitim und spannend. Die Regie muss eine Übersetzung für die Schärfe finden, mit denen Verdi seine politischen Opern angelegt hat. Nicht umsonst hat er sich immer wieder Probleme mit der Zensur eingehandelt, auch in I vespri siciliani. Gegenüber Calixto wird bis heute manchmal der Vorwurf erhoben, er spekuliere auf den Skandal, wenn er zu drastischen Theatermitteln greift, aber das tut er nicht. Er arbeitet sich immer am Operninhalt ab und versucht den Themen, die verhandelt werden, bis an die Schmerzgrenze nahe zu kommen.
I vespri siciliani ist die letzte Produktion dieser Spielzeit. Können Sie schon ein kleines Saisonfazit wagen?
Ich finde, wir haben eine künstlerisch sehr profilierte Spielzeit präsentiert, von der erfolgreichen Puccini-Rarität La rondine zu Beginn der Saison über die beiden Barockproduktion Platée und L’Orfeo bis zu der faszinierend verrückten Kafka-Oper Amerika von Haubenstock-Ramati war da schon viel Aussergewöhnliches dabei, neben Carmen, einer Lustigen Witwe und der Fertigstellung unseres Rings. Wir haben gerade eine repräsentative Publikumsumfrage ausgewertet, in der unter anderem nach der Zufriedenheit gefragt wurde. Sie hat im Vergleich zur letzten Umfrage von 2018 eine Steigerung von 20 Prozent im höchsten Zufriedenheitswert ergeben, das heisst 61,8 Prozent unserer Zuschauerinnen und Zuschauer sind mit dem Opernhaus «voll» zufrieden. Ich bin voller Dank, dass so viele bei dieser Befragung mitgemacht haben und freue mich über das Ergebnis. Wenn das Publikum zufrieden ist, bin ich es auch.
Dieser Artikel ist erschienen im MAG 113, Juni 2024.
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Hintergrund
Was Männer Frauen antun
Giuseppe Verdis Oper «I vespri siciliani» ist ein blutiges Drama. Sie handelt vom Aufstand der Sizilianer gegen ihre französischen Besatzer und thematisiert auch ein beklemmend aktuelles Thema: die sexuelle Gewalt gegen unterdrückte Frauen. In der Oper stellt der Widerstandskämpfer Arrigo fest, dass er das Kind einer Vergewaltigung ist, die der Anführer der verhassten Franzosen begangen hat. Ein Gespräch mit der Frauenrechtlerin und Ärztin Monika Hauser über sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe und ihre zerstörerischen Folgen.
Monika Hauser, Sie setzen sich seit über 30 Jahren gegen sexualisierte Gewalt ein. Wie kam es dazu?
Ich bin in St. Gallen aufgewachsen, und wir sind in den Ferien immer nach Südtirol in die Heimat meiner Eltern gefahren. Dort hat mir meine Grossmutter schon sehr früh auf langen Spaziergängen von ihren eigenen Gewalterfahrungen erzählt. Mit den Jahren habe ich Sensoren dafür entwickelt. Viele Frauen haben mir ihre Geschichten erzählt. Zunächst meine Tanten, die in diesem auch sehr patriarchal geprägten Südtiroler Kontext aufgewachsen sind. Und später, als junge Gynäkologin, ist mir immer wieder sexualisierte Gewalt begegnet, unabhängig davon, welchen Hintergrund eine Frau hatte, welcher Herkunft, welchen Alters oder Berufs sie war, viele waren von sexualisierter Gewalt betroffen. Gewaltgeschichten zogen sich durch meine ersten Berufsjahre, und mir wurde klar, dass die gesundheitliche Situation von Frauen sehr eng mit ihren Gewalterfahrungen verbunden ist. Da lag es für mich nahe, dass ich die Probleme frauenpolitisch angehen, also nicht nur die medizinische Seite betrachten möchte, sondern nachhaltig an den gesellschaftlichen Strukturen etwas verändern will.
Zurzeit hört und liest man praktisch täglich von sexualisierter Gewalt gegen Frauen, sei es im Zusammenhang mit dem Terrorangriff der Hamas in Israel, dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine oder anderen Regionen in der Welt, in denen kriegerische Auseinandersetzungen stattfinden. Wie kommt es, dass sexualisierte Gewalt so häufig im Krieg eingesetzt wird?
Dies ist nicht neu, aber wir haben heute mehr Bewusstsein für die Problematik. Sexualisierte Gewalt im Krieg kann angeordnet werden. In diesem Kontext wird häufig von sexualisierter Kriegsgewalt als «Waffe» gesprochen. Wir sagen dann, sexualisierte Gewalt wird funktionalisiert zur Erreichung bestimmter politischer oder militärischer Ziele, zum Beispiel zur Terrorisierung oder Vertreibung einer Bevölkerung bis hin zur Auslöschung, wie wir das beispielsweise in Bosnien-Herzegowina, in Ruanda oder auch im Nordirak gesehen haben. Wenn bekannt wird, dass gegnerische Soldaten Frauen vergewaltigen, kann dies ganze Dorfgemeinschaften zur Flucht bewegen. Sexualisierte Gewalt aber ausschliesslich als Kriegstaktik und strategisch angeordnet zu sehen, greift zu kurz. Sexualisierte Gewalt existiert im Kontinuum, das heisst, es gibt sie vor, während und nach dem Krieg. Ihre Ursachen sind die patriarchalen Strukturen unserer Gesellschaften, die Frauen diskriminieren, abwerten und verletzen. Sexualisierte Gewalt ist daher nicht nur im Krieg, sondern auch in sogenannten Friedenszeiten allgegenwärtig. Das heisst, es gibt diese Funktionalisierung im Krieg zur Erreichung bestimmter Ziele, da sexualisierte Gewalt tief in patriarchalen Strukturen verankert ist. Oft wird durch die militärische Führung zusätzlich eine Atmosphäre erzeugt, die zu dieser Gewalt ermutigt. Hinzu kommt, dass im Krieg staatliche Strukturen und Kontrollmechanismen ausser Kraft gesetzt sind und die Täter:innen keine Bestrafung fürchten müssen.
Welche Auswirkungen hat sexualisierte Gewalt auf Gesellschaften?
Sexualisierte Gewalt ist auf grausame Weise effizient, weil sie eine so zerstörerische Wirkung hat auf die einzelne Frau, aber auch auf ihr ganzes soziales Umfeld. Denn der patriarchalen Logik folgend richtet sich sexualisierte Gewalt nicht nur gegen die Frau selbst, sondern auch gegen ihre Familie, ihren Mann und die ganze Gemeinschaft. Wenn die Ehre der Frau entlang dieser Logik an ihre körperliche Unversehrtheit geknüpft ist, «entehrt» sie das, was sie erlebt hat, auch ihre Familie, den Ehemann oder den Vater. Das ist die Botschaft des Täters, und aufgrund dieser patriarchalen Logik ist sie so erfolgreich. Würden die Menschen aus dieser falschen Logik aussteigen, würden sie sich vielmehr darum kümmern, wie es der Überlebenden geht, wie man sie unterstützen und wieder in die Mitte der Gesellschaft aufnehmen kann, wie sie psychisch und körperlich gesunden kann, wie man durch gesellschaftliche Akzeptanz dafür sorgen kann, dass sie sich wieder im Leben zurechtfindet – und dann wäre sexualisierte Gewalt auch nicht in dieser Weise effizient. Wenn aber Frauen nach ihrer Gewalterfahrung noch zusätzlich von ihren eigenen Gesellschaften stigmatisiert und ausgegrenzt werden und ihnen häufig sogar noch eine Mitschuld an der Vergewaltigung zugesprochen wird, ist sexualisierte Gewalt so unglaublich wirksam und zerstörerisch.
Häufig gehen aus Vergewaltigungen ungewollte Kinder hervor. Wie leben solche Kinder Ihrer Erfahrung nach? Wie traumatisiert sind sie – und damit die Zukunft einer Gesellschaft?
Ich erzähle Ihnen eine Geschichte aus Bosnien. Eine unserer ersten Klientinnen 1993 hiess Sabina, sie war damals sehr jung, wurde von mehreren Soldaten vergewaltigt und wurde schwanger. Sie kam dann in unser Zentrum, Medica Zenica, weil sie nicht wusste, wie sie weiterleben sollte. Sie hatte grosse Angst, dass ihre Familie sie ausgrenzen würde. Nach umfassender Beratung hat sie sich schliesslich für dieses Kind entschieden; sie bekam eine Tochter. Sabina hatte das Glück, fachliche Unterstützung zu bekommen, die sie sehr gestärkt hat. Vor ein paar Jahren fand in Sarajevo zu genau diesem Thema eine Konferenz statt – Vergewaltigungen im Krieg und die daraus hervorgegangenen Kinder. Sabinas Tochter ist inzwischen Psychologin und hat zusammen mit anderen Kindern, die aus Vergewaltigungen entstanden sind, einen Verein gegründet, der «Forgotten Children of the War» heisst. Dieser Verein setzt sich gegen die Stigmatisierung von vergewaltigten Müttern und ihren Kindern ein. Dass Sabinas Tochter eine so kraftvolle junge Frau geworden ist, ist auch darauf zurückzuführen, dass ihre Mutter kontinuierliche psychologische Unterstützung bekommen hat. Diese Unterstützung sollte selbstverständlich sein, ist es aber in der Realität noch immer viel zu selten.
In welchen anderen Ländern haben Sie Erfahrungen gemacht mit Kindern, die aus Vergewaltigungen hervorgingen?
Sexualisierte Gewalt ist ein weltweites Problem. So wie in allen patriarchalen Gesellschaften Frauen aufgrund patriarchaler Logiken diskriminiert und abgewertet werden, werden Kinder aus Vergewaltigungen stigmatisiert und ausgegrenzt. In Ruanda beispielsweise drückt sich diese Stigmatisierung etwa dadurch aus, dass manche Kinder die Mahlzeiten nicht mit der Familie am Tisch einnehmen dürfen. Hier setzen unsere Kolleg:innen vor Ort durch Unterstützung der Mütter, psychologische Unterstützung der Kinder und Sensibilisierung der Familien an. Traumatisierung und Stigmatisierung sehen wir auch bei den Jesidinnen im Nordirak, wenn Kinder überlebender Frauen aus IS-Gefangenschaft nach ihrer Flucht in der jesidischen Gesellschaft nicht akzeptiert werden. Um die Überlebenden zu unterstützen und neue Gewalt wirksam zu verhindern, müssen wir an die Ursachen, die tief verankerten patriarchalen Strukturen. Aber das ist eine Mammutaufgabe.
Sie haben vorhin gesagt, die Stigmatisierung von Frauen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, zeigt sich in allen patriarchalen Gesellschaften – also auch heute, in Westeuropa?
Ja, in allen Gesellschaften weltweit, auch in Deutschland, auch in der Schweiz. Wenn hierzulande über Femizide berichtet wird, werden immer noch Begriffe wie «Ehrenmord» oder «Beziehungstat» verwendet. Noch immer sind Frauen, die sich von ihren Partnern trennen, in einer besonderen Gefährdungslage. Alle zwei bis drei Tage wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Diese Gewalt sehen wir also weltweit, unabhängig von Herkunft, Religion oder Kultur. Obwohl es mittlerweile ein umfassendes internationales Regelwerk gibt, das sexualisierte Kriegsgewalt als Kriegsverbrechen anerkennt und die UN- Mitgliedsstaaten dazu auffordert, diese Verbrechen zu verfolgen, mangelt es noch immer an politischem Willen und praktischer Umsetzung und es fehlen in fast allen Staaten personelle und finanzielle Ressourcen, um sexualisierte Kriegsgewalt zu verfolgen. Hinzu kommen Verfahren der Dokumentation und Strafverfolgung, die retraumatisierend wirken können. Und noch immer gibt es viel zu wenig stress- und traumasensible medizinische, psychosoziale und juristische Angebote, um den Bedürfnissen der Überlebenden gerecht zu werden. Und auch in Deutschland und der Schweiz gibt es immer noch sehr viel zu tun, weil diese Gesetze unzureichend umgesetzt werden. Wir haben also keinen Grund zur Überheblichkeit. Im Grunde könnten wir sogar fragen, ob Frauen wirklich in einem Zustand des Friedens leben, wenn jede zweite bis dritte Frau im Laufe ihres Lebens sexualisierter Gewalt ausgesetzt ist, wenn jeden dritten Tag eine Frau ermordet wird, weil sie eine Frau ist.
Was kann man gegen sexualisierte Gewalt tun?
Ich habe vor mittlerweile 31 Jahren den Verein Medica Mondiale gegründet, mit heute etwa 80 Mitarbeiterinnen in Köln und Berlin und über 200 Mitarbeitenden weltweit, seit 2008 gibt es ausserdem die Medica Mondiale Foundation Switzerland. Gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen vor Ort unterstützen wir traumatisierte Frauen auf verschiedenen Ebenen. Fachlich, indem wir Therapiezentren aufbauen, wie zum Beispiel in Bosnien, im Kosovo, in Afghanistan und in Liberia, oder indem wir schon vorhandene Partnerorganisationen unterstützen. Wir vermitteln den von uns entwickelten STA, einen stress- und traumasensiblen Ansatz. Dabei geht es vor allem darum, für traumatisierte Personen Stabilität herzustellen und Retraumatisierungen zu vermeiden. Vier Grundpfeiler sind entscheidend: Sicherheit, Selbstermächtigung, Solidarität mit Betroffenen und schliesslich auch die Selbstfürsorge für jene, die helfen. In Liberia haben wir zum Beispiel ein Agreement mit der liberianischen Polizei, die in diesem Ansatz fortgebildet wird. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine haben wir Online-Trainings für ukrainische Frauenrechtsaktivistinnen gegeben.
Die Massnahmen, die Sie beschreiben, beziehen sich auf Frauen, die bereits sexualisierte Gewalt erlebt haben. Was aber kann man tun, damit es erst gar nicht dazu kommt? Wenn ich Sie vorhin richtig verstanden habe, müsste sich die Gesellschaft dafür grundlegend ändern…
Ja. Geringer geht es nicht. Denn nur wenn die frauenfeindlichen patriarchalen Strukturen als Ursachen der Gewalt erkannt werden, können wirksame Gegenmassnahmen entwickelt werden, die dem Bedarf der Überlebenden entsprechen und weitere Gewalt verhindern. Zu all dem, was wir an gynäkologischer und psychosozialer Unterstützung anbieten, gehört daher immer auch politische und gesellschaftliche Frauenrechtsarbeit. Überall, wo wir arbeiten, klären wir auch gesellschaftlich auf. Wir müssen strukturell etwas verändern, wir müssen das Mindset der Menschen verändern, in Kriegs- und Krisengebieten weltweit, genauso wie in Europa, Deutschland und der Schweiz. Die beste Gesetzgebung reicht nicht aus, wenn es am politischen Willen mangelt, sie auch umzusetzen. Dazu gehören auch sexistische Stereotype und Klischees und sogenannte «Vergewaltigungsmythen», wie «der Rock war zu kurz», oder «warum ist sie auch mitgegangen». Vergewaltigungsmythen dienen dazu, sexualisierte Gewalt zu leugnen oder zu verharmlosen, die meist männlichen Täter zu entschuldigen oder zu rechtfertigen und sollen eine Täter-Opfer-Umkehr bewirken. Letztlich begünstigen und bagatellisieren sie die Gewaltverbrechen und schützen das patriarchale System. Dieses Verhalten ist nicht nur in der Bevölkerung und den Medien weit verbreitet, sondern auch unter Fachkräften in Beratung, Justiz und Polizei. Es gilt also, immer wieder gegen diese Stereotypen anzugehen, immer wieder die Machtverhältnisse aufzuzeigen, ein Bewusstsein dafür zu schaffen. Training und Qualifizierung von juristischem Personal sind eine Voraussetzung dafür, dass wir eine veränderte Rechtsprechung bekommen. Grundsätzlich muss die Unterstützung der Überlebenden und die Bekämpfung sexualisierter Gewalt aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein. Justiz und Politik, Institutionen, Zivilgesellschaft und die breite Öffentlichkeit – sie alle müssen hier Verantwortung übernehmen und zu Dokumentation und Wahrheitsfindung, zu Erinnerungskultur und Wiedergutmachung beitragen.
Was halten Sie von der Darstellung sexualisierter Gewalt im Film oder auf der Bühne? Ist das in Ordnung oder sogar nötig, weil man damit auf die Dringlichkeit des Themas aufmerksam machen kann? Oder finden Sie, es sollte endlich Schluss damit sein, Frauen als Opfer zu zeigen?
Es ist wichtig, Frauen nicht auf eine Rolle als Opfer zu reduzieren, denn sie sind nicht schwach, sondern unendlich stark. Frauen sind es, die auf der Flucht auch noch die Alten und die Kinder durchbringen, obwohl sie so viel Gewalt erlebt haben. Sie sind Akteurinnen, sie sind nicht nur passiv, auch das muss dargestellt werden. Ausserdem ist es wichtig, durch die Art und Weise der Darstellungen keine Retraumatisierungen zu bewirken. Wenn wir davon ausgehen, dass in Deutschland und der Schweiz jede zweite bis dritte Frau Gewalt erlebt hat, dann gibt es diese Frauen auch im Publikum und unter den Schauspielerinnen oder Sängerinnen. Da muss man sensibel und sorgfältig vorgehen. Nach dem 7. Oktober sind ohne Zustimmung nicht verpixelte Fotos von jungen vergewaltigten Frauen um die Welt gegangen. Ein solcher Umgang der Medien mit Frauen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, ist absolut nicht hinzunehmen. Wir müssen als Gesellschaft viel mehr über das Thema sprechen, statt dies von den überlebenden Frauen zu verlangen. Überlebende brauchen Schutz und Sicherheit sowie stress- und traumasensible medizinische und psychosoziale Unterstützung und müssen selbst entscheiden dürfen, wann sie bereit sind, über ihre belastenden Erfahrungen zu sprechen. Aber gesellschaftlich sind wir dafür verantwortlich, in einer angemessenen Weise über sexualisierte Gewalt zu berichten und diese Gewalt auf der Bühne darzustellen. Sexualisierte Gewalt ist, wie gesagt, nicht nur in fernen Ländern ein Thema, sondern auch in unserer Gesellschaft und auch unter Kulturschaffenden. Das zeigt sich auch an #MeToo und ganz aktuell an einem erst kürzlich anlässlich der Filmfestspiele in Cannes erschienenen Aufruf der Organisation Fondation des femmes und #Metoomédia sowie der Schauspielerin Anna Mouglalis. Darin fordern mehr als 100 Unterzeichner:innen einen besseren Opferschutz bei Missbrauch und klarere Gesetze. Wir können das Problem nicht durch «othering» von uns schieben und sexualisierte Gewalt als Problem anderer Länder anprangern. Der Kampf gegen sexualisierte Gewalt beginnt hier, bei uns.
Das Gespräch führte Beate Breidenbach.
Monika Hauser ist Gründerin der Frauenrechtsorganisation Medica Mondiale, mit der sie bis heute gegen sexualisierte Kriegsgewalt kämpft. 2008 bekam sie für ihre Arbeit mit traumatisierten Frauen in Krisenregionen den Right Livelihood Award, auch als alternativer Nobelpreis bezeichnet. Seit 2008 gibt es die Medica Mondiale Foundation Switzerland, die Medica Mondiale e.V. durch Fundraising unterstützt und sensibilisierende Trainings für Fachpersonal und Interessierte durchführt.
Dieser Artikel ist erschienen im MAG 113, Juni 2024.
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Volker Hagedorn trifft...
Maria Agresta
Die Sopranistin Maria Agresta stammt aus dem kleinen Städtchen Vallo della Lucania in Süditalien. Sie ist vor allem für ihre Rollenporträts in den Opern Verdis und Puccinis bekannt und tritt an den grossen Opernbühnen der Welt auf. 2014 erhielt sie den renommierten Premio Franco Abbiati. Am Opernhaus Zürich war sie bereits als Desdemona und als Norma zu erleben. In Verdis «Vespri siciliani» singt sie die Elena.
Kahle weisse Wände, eine Decke mit Dämmmaterial, Neonröhren, Heizungsrohr. Eine Frau im einfachen schwarzen Kleid, fast ungeschminkt, die schwarzen Haare offen tragend. Nein, das ist keine Opernszene auf meinem Bildschirm und auch kein Bericht von einer Entführung. Maria Agresta ist bestens gelaunt und nur wenige Meter von der Probebühne der Oper Zürich entfernt, wo es nun mal nicht so komfortabel aussieht wie im Zuschauerbereich. Sie hat sich den stillen Raum für unser Zoomgespräch ausgesucht, und im kargen Ambiente entfaltet sich erst recht, über hunderte von Kilometern hinweg, die süditalienische Energie dieser Sängerin, die noch ganz erfüllt ist von der Partie der Elena in Verdis I vespri siciliani und es mir gar nicht übel nimmt, dass ich über diese Gestalt wenig weiss und das Libretto dieser Oper ziemlich kompliziert finde. «Es ist wirklich sehr kompliziert», meint sie, «voll mit historischen Situationen, aus der Zeit, als die Sizilianer von den Franzosen unterdrückt wurden. Und es ist auch technisch und vokal schwierig. Elena singt sehr tiefe und sehr hohe Noten. Beweglichkeit, Koloraturen, Legato», sie zählt all die Herausforderungen an den Fingern auf, ihre Hände und Arme, auch ihr Gesicht sind immer in Bewegung, «alles ist in dieser Rolle, und die Emotionen! Die machen es noch schwieriger. Elena ist etwas zwischen Desdemona in Otello und der Elisabetta in Don Carlo, she’s a very strong woman, a real eroina, italian eroina.» Nachdem Maria sich lachend für ihr «terrible English» entschuldigt hat, das gar nicht schrecklich, sondern einfach sehr italienisch ist, fährt sie einfach in ihrer Muttersprache fort. «Elena ist eine Hauptfigur der Revolution. Sie empfindet die ganze Zeit Ungerechtigkeit, was natürlich auf den Mord an ihrem Bruder, aber allgemein auch auf die Gewalt an den Frauen zurückzuführen ist, auf den Überfall auf die Freiheit ihres Volkes.» Und sie sei die intelligenteste aller Frauen bei Verdi.
Die Geschichte um eine liebende Frau im Spannungsfeld zwischen Besatzern und Aufbegehrenden geht auf das 13. Jahrhundert zurück, war aber zur Uraufführung 1855 so aktuell wie heute. Die Sopranistin ist begeistert von Calixto Bieitos Regiekonzept. «Er möchte in erster Linie die Gewalt, die Unterdrückung des Volkes durch die Aggressoren, sei es physische oder psychische Gewalt, herausarbeiten. Es gibt bei ihm diese Verbindung zur Moderne, die aber immer in der Vergangenheit verwurzelt ist. Er weitet diese Sicht auf alle Nationen aus, die unter Unterdrückung litten, und untersucht, wie diese Völker darauf reagiert haben: Der Raub der Sabinerinnen, der spanische Aufstand der Kamisarden. Calixto arbeitet mit starken Bildern, auf der Bühne gibt es halb zerstörte Gebäude, die Ausdruck von Qual und Schmerz sind, sie repräsentieren unser zerrüttetes Inneres als Resultat von erlittener Gewalt, mit der wir umgehen müssen, manchmal ohne uns dagegen auflehnen zu können.»
Wie fühlt es sich an, so eine Inszenierung jetzt zu proben, in dieser Welt voller Gewalt? «Die ganze Zeit», sagt Maria Agresta, nun wieder auf Englisch, «fühle ich, dass die Oper gerade jetzt wichtig ist. Mit so schöner Musik können wir zeigen, was es bedeutet, wenn Menschen unterdrückt und angegriffen werden. Das Leiden durch Gewalt löst bei allen dasselbe aus: In dieser Situation kann ich nicht bleiben! Mit der Musik können wir die Seele direkt berühren und Fragen aufwerfen, auch über das, was in der Vergangenheit war. Manchmal vergessen wir das. Ich kann auch nicht auf Russland, Israel oder Italien schauen, wenn ich nicht weiss, was früher geschehen ist.» Kann all das denn mit einer Oper wachgerufen werden? «Nachrichten in den Medien sind oft gefiltert und politisch. Die Musik verbindet uns direkt mit einer verzweifelten Situation. Hier kann ich etwas mit meinem eigenen Denken verstehen.» Es ist also möglich, die Wahrheit in der Oper zu finden? «Sì, assolutamente, sì, sì!»
Sie strahlt. «In der Oper ist mehr Wahrheit, als wir denken.» Und die Musik selbst, meint sie, habe eine besondere Macht. «Vor vielen Jahren sang ich im Libanon das Verdi-Requiem, auf einem Platz voller Militär und Polizei. Sie hatten grosse Gewehre.» Sie hebt eine unsichtbare Waffe hoch, gleichsam schussbereit. «Und als die Musik begann…» Sie lässt die Arme langsam sinken. «Es war unglaublich. Daran denke ich immer, wenn ich an die Macht der Musik denke. Sie verwandelt die Menschen.»
Mit dieser Macht kam Maria Agresta zuerst in Berührung, als sie vier Jahre alt war, in ihrem Heimatstädtchen Vallo della Lucania, zwei Reisestunden südlich von Napoli, zwölf Kilometer vom Mittelmeer entfernt. «Der Patron meiner Stadt ist San Pantaleone, der wird im Juli gefeiert. Zu dieser Feier kommen viele bande musicale in die Stadt» – Blasorchester aus Amateuren, wie es sie noch in den 1980ern in unzähligen italienischen Kleinstädten gab –, «und ich konnte da Teilen aus Nabucco, Traviata zuhören, das löste grosse Gefühle in mir aus. Ich war da mit meinem Vater, und ausser uns hörten nur alte Männer und Frauen zu. Ich war das einzige Kind, und ich war so glücklich!» Später, als Maria zwölf Jahre alt war, machte ihre Schulklasse einen Ausflug nach Napoli, auch das berühmte Teatro San Carlo wurde besucht, «und als ich in diesem magischen Gebäude war, fing ich an zu weinen. Das Gefühl war zu gross für mich. Meine Freundinnen machten sich lustig über mich, aber meine Lehrerin lächelte, sie sah, dass ich hingerissen war, rapita, von der Welt dieses Theaters. Ich wollte in dieser Welt bleiben. Nicht als Opernsängerin, das konnte ich mir gar nicht vorstellen, vielleicht in der Kostümwerkstatt – einfach nur dort bleiben!» Einige Monate später kam sie in den Kirchenchor ihres Städtchens. «Ich fühlte beim Singen Heiterkeit und Glück und innere Ruhe, das kann ich nicht erklären.» Dem Pianisten des Chores fiel ihre Stimme auf, «er schlug mir vor, Unterricht zu nehmen. Ich wollte das machen, aber nur für mich, weil ich sehr gläubig war und fand, dass man mit dem Singen stärker beten kann. Dann stellte mich der Pianist einem Lehrer vor, einem Tenor, der sagte: Du könntest Opernsängerin werden.»
Maria nahm Unterricht bei ihm, mit 17 Jahren sang sie im Konservatorium in Salerno vor und wurde aufgenommen. Nun wurde es anstrengend. «Ich ging ja in meiner Stadt zur Schule und musste jetzt um 5 Uhr morgens aufstehen, um Zeit zum Lernen zu haben. An der Schule erwarteten sie meine volle Leistung, für die war das Konservatorium nur ein Hobby. Nach der Schule nahm ich den Zug nach Salerno, von da kam ich spät zurück. Jeder Tag war so. Ich konnte auf keine Party gehen.» Das Konservatorium verliess Maria mit Bestnoten, aber ihre wahre Stimme, den Sopran, fand sie erst später. «Ich sang als Mezzosopran jahrelang Barock und Sakralmusik, bis ich zum ersten Mal Raina Kabaivanska traf, eine grosse, einzigartige Lehrerin. Sie half mir, meine Karriere, meine Stimme, meinen Körper zu ändern. Ich sagte für ein Jahr alles ab und übte die neue Technik, mit der Lehrerin, jeden Tag nur sie und ich. 2007 sang ich meine erste Mimì, mein Debüt als Sopranistin, und dann sang ich überall...»
Eher beiläufig zählt sie ein paar der Häuser auf, die sie seitdem, von der Scala bis zur MET, in atemberaubendem Tempo erobert hat – was sie allerdings nie so ausdrücken würde. Wichtiger sind ihr ihre Rollen, all die grossen Frauengestalten der italienischen Oper. «In diese Rollen hineinzukommen», meint sie, «ist schwer. Das geht nicht im Zimmer, nur auf der Bühne kann man sie gestalten. Aber wieder herauszukommen ist viel schwerer. Nach Madama Butterfly bin ich innen zerstört, ich muss ihr dann mindestens zwei Tage fernbleiben, der Schmerz bleibt lange. Dasselbe ist es mit Desdemona. Die Liebe ist so zerbrechlich! Wenn der Mann, den du liebst, fähig ist, dich zu töten… Ich fühle das am Tag danach in mir wie zerbrochenes Glas.» Erstaunlich, sage ich, dass diese Gestalten bei aller historischen Entfernung so nahe sein können. Maria Agresta lächelt und sagt: «Oper ist Leben, sie ist Realität, und sie spricht dauernd von Realität. Sehen Sie sich doch nur um, was in der Welt passiert.»
Das Gespräch führte Volker Hagedorn.
Dieser Artikel ist erschienen im MAG 113, Juni 2024.
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Ich sage es mal so
Stumme Antworten auf grundsätzliche Fragen – mit Quinn Kelsey, der in unserer Neuproduktion von Giuseppe Verdis «I vespri siciliani» den Monforte singt.Ich sage es mal so ist eine Interviewform in unserem MAG, in der Künstlerinnen und Künstler des Opernhauses - nach einer Idee des SZ-Magazins - in Form eines Fotoshootings Auskunft über sich geben
I vespri siciliani
Synopsis
I vespri siciliani
Erster Akt
Sizilien ist besetzt. Das Land leidet unter der Fremdherrschaft. In besonderem Mass leiden die Frauen, denn die Gewalt der Besatzer richtet sich vor allem gegen sie.
Elena, Sizilianerin, trauert um ihren Bruder, der von den Besatzern hingerichtet wurde. Sie wird genötigt, in aller Öffentlichkeit zu singen. Ihr Lied enthält eine kaum verhüllte Aufforderung, sich endlich gegen die Besatzer aufzulehnen. Doch mit dem Erscheinen Monfortes, der der Anführer der Besatzer ist, wird jeglicher Widerstand im Keim erstickt.
Arrigo, der Elena liebt, ist traumatisiert aus der Gefangenschaft zurückgekehrt, erklärt aber, trotzdem weiter für die Freiheit kämpfen zu wollen. Monforte ist von Arrigos Mut beeindruckt und will ihn auf seine Seite ziehen. Zugleich warnt er ihn vor Elena – ohne Erfolg.
Zweiter Akt
Procida ist nach Palermo zurückgekehrt, wo er hofft, gemeinsam mit Elena und Arrigo einen Aufstand gegen die Besatzer anzuzetteln. Arrigo gesteht Elena seine Liebe. Diese will ihn heiraten, wenn er den Tod ihres Bruders rächt.
Procida stachelt die Besatzer dazu an, sich mit Gewalt die sizilianischen Frauen zu nehmen, die ihnen gefallen. Er hofft, damit die Wut der Sizilianer auf ihre Unterdrücker zu schüren. Doch diese wehren sich nicht einmal, als die Besatzer ihre Frauen verschleppen. Procida beschliesst, einen Mordanschlag auf Monforte zu planen.
Dritter Akt
Monforte hat den Brief einer kürzlich verstorbenen Sizilianerin erhalten; sie schreibt darin von einem Sohn, den sie bekam, nachdem Monforte sie vergewaltigt hatte. Dieser Sohn ist Arrigo. Nun redet sich Monforte ein, dass seine quälende Einsamkeit gelindert und sein Leben an der Seite seines Sohnes glücklicher werden wird.
Monforte konfrontiert Arrigo damit, dass er sein Vater ist. Doch Arrigo ist emotional überfordert und reagiert aggressiv – er begreift, dass dies das Ende seiner Beziehung zu Elena bedeutet.
Monforte feiert ein grosses Fest. Auch Elena und Procida erscheinen, um den Mordanschlag gegen Monforte auszuführen. Als Arrigo davon erfährt, warnt er Monforte. Doch dieser ignoriert alle Warnungen. Als Elena Monforte töten will, geht Arrigo dazwischen und verhindert den Mordanschlag.
Vierter Akt
Arrigo sucht Elena im Gefängnis auf und gesteht ihr, dass er Monfortes Sohn ist. Sie verzeiht ihm. Arrigo will sich mit Elena gemeinsam hinrichten lassen.
Als die Exekution vollzogen werden soll, verspricht Monforte, die Verschwörer zu begnadigen, wenn Arrigo sich zu ihm bekennt. Im letzten Moment vor der Hinrichtung ruft Arrigo: «Mein Vater». Monforte stoppt die Hinrichtung und verkündet die Hochzeit von Elena und Arrigo, die noch am gleichen Abend stattfinden soll.
Fünfter Akt
Schon steht die Hochzeit bevor. Procida erklärt Elena, dass die Hochzeitsglocken zugleich auch das Signal für den Beginn des Aufstands gegen die Besatzer sein sollen. Um ein Gemetzel zu verhindern, lehnt Elena die Verbindung mit Arrigo ab. Monforte ignoriert die Weigerung Elenas und erklärt die beiden zu Mann und Frau. Die Glocken läuten. Das Massaker beginnt.
Biografien
Fabio Luisi, Musikalische Leitung
Fabio Luisi
Fabio Luisi stammt aus Genua. Er ist Generalmusikdirektor des Opernhauses Zürich, Music Director des Dallas Symphony Orchestra und Chefdirigent des Danish National Symphony Orchestra. Von 2011 bis 2017 war Fabio Luisi Principal Conductor der Metropolitan Opera in New York, zuvor Chefdirigent der Wiener Symphoniker (2005-2013), Generalmusikdirektor der Staatskapelle Dresden und der Sächsischen Staatsoper (2007-2010), Künstlerischer Leiter und Chefdirigent des MDR Sinfonieorchesters Leipzig (1999-2007) und Musikdirektor des Orchestre de la Suisse Romande (1997-2002), mit dem er zahlreiche CDs aufnahm (Poulenc, Respighi, Mahler, Liszt, eine Gesamtaufnahme der sinfonischen Werke von Arthur Honegger und Verdis Jérusalem und Alzira). Er ist Musikdirektor des «Festival della Valle d’Itria» in Martina Franca (Apulien) und Gastdirigent renommierter Klangkörper, darunter das Philadelphia Orchestra, das Cleveland Orchestra, das NHK Tokio, die Münchener Philharmoniker, die Filarmonica della Scala, das London Symphony Orchestra, das Concertgebouw Orkest Amsterdam, das Saito Kinen Orchester sowie zahlreiche namhafte Opernorchester. Bei den Salzburger Festspielen trat er mit Richard Strauss’ Die Liebe der Danae und Die Ägyptische Helena hervor. Zu seinen bedeutendsten Dirigaten am Opernhaus Zürich zählen bisher u.a. die Neuproduktionen von drei Bellini-Opern sowie Rigoletto, Fidelio, Wozzeck und Verdis Messa da Requiem. Wichtige CD-Aufnahmen sind Verdis Aroldo, Bellinis I puritani und I Capuleti e i Montecchi, sämtliche Sinfonien von Robert Schumann sowie die Sinfonien und das Oratorium Das Buch mit sieben Siegeln des vergessenen österreichischen Komponisten Franz Schmidt. Ausserdem liegen verschiedene sinfonische Dichtungen von Richard Strauss und eine hochgelobte Aufnahme von Bruckners 9. Sinfonie mit der Staatskapelle Dresden vor. Für die Einspielungen von Siegfried und Götterdämmerung mit dem Orchester der Met erhielt er einen Grammy, 2013 wurde ihm der begehrte italienische Kritikerpreis Premio Franco Abbiati und 2014 der Grifo d’Oro der Stadt Genua verliehen. Er ist Träger des Bruckner-Ringes der Wiener Symphoniker sowie Cavaliere und Commendatore der italienischen Republik. Im 2015 neu gegründeten Label «Philharmonia Records» der Philharmonia Zürich erschienen unter seiner Leitung bisher Werke von Berlioz, Wagner, Verdi, Rachmaninow, Bruckner, Schubert, Rimski-Korsakow und Frank Martin sowie die DVDs zu Rigoletto (Regie: Tatjana Gürbaca), Wozzeck (Regie: Andreas Homoki), I Capuleti e i Montecchi (Regie: Christof Loy), die Messa da Requiem (Regie/Choreografie: Christian Spuck) und Das Land des Lächelns (Regie: Andreas Homoki).
Calixto Bieito, Inszenierung
Calixto Bieito
Calixto Bieito kam in Miranda de Ebro zur Welt und lebt in Basel. Er studierte Literatur und Kunstgeschichte an der Universität Barcelona, Regie am Theaterinstitut der Disputació und Performance an der Escuela de Arte Dramático in Tarragona. Seine künstlerische Profilierung verdankt er den Anfängen in Barcelona, wo er zehn Jahre lang das Teatre Romea leitete, das Festival Internacional de las Artes de Castilla y León organisierte und mit dem Barcelona Internacional Teatre (bit) eine weltweite Plattform für Projekte von Künstlern und Bühnen schuf. Shakespeares Macbeth in Salzburg (2001) und Hamlet in Edinburgh (2002) führten ihn über seine Heimat hinaus. In Hannover folgten Schlag auf Schlag drei heftig diskutierte Inszenierungen. Spätestens Die Entführung aus dem Serail begründete 2004 an der Komischen Oper seinen Ruf und Ruhm, einer der europaweit führenden Regisseure zu sein. Heute sind seine Interessen so differenziert wie deren künstlerische Umsetzung. Beginnend bei Monteverdi (L’incoronazione di Poppea) und Cavalli (Eliogabalo), hat sich Bieito mit allen Epochen und vielen Werken des musiktheatralischen Kanons auseinandergesetzt, darunter auch Janáček, Berg, Schönberg, Schreker, Prokofjew und Schostakowitsch bis zu Ligeti, Zimmermann und Reimann. Immer deutlicher versteht er sich als Anwalt zeitgenössischer Autoren, auch als ein Entdecker von fast Verlorenem. In Amsterdam inszenierte er 2021 Rudi Stephans Die ersten Menschen, in Prag 2022 Erwin Schulhoffs Flammen. Von Hector Parra brachte er gleich drei Opern zur Uraufführung. Seit 2017 ist Calixto Bieito auch Künstlerischer Leiter des Teatro Arriaga in Bilbao.
Aida Leonor Guardia, Bühnenbild
Aida Leonor Guardia
Aída Leonor Guardia studierte Bühnen- und Kostümbild an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden und schloss ihr Studium 2006 bei Professor Johannes Leiacker ab. 2004/05 studierte sie ein Jahr Szenografie am Institut del Teatre de Barcelona. Seit 2006 ist sie freischaffend als Bühnen- und Kostümbildnerin vor allem im Bereich Oper tätig. Engagements führten sie u.a. nach Hamburg, Taipeh, Saarbrücken, Barcelona (mit Gastspiel bei der Biennale in Venedig), Leipzig, Chemnitz, Riga, Freiburg, Düsseldorf, Aachen, Würzburg, Bilbao, München, Prag, Paris, Luzern, Dresden und Zürich. Sie arbeitete dabei mit den Regisseur:innen Calixto Bieito, Barbora Horáková Joly, Lucia Astigarraga, Nicole Claudia Weber, Immo Karaman, Anja Bötcher-Krietsch, Margo Zālïte und Jasmin Solfaghari. Jüngste Zusammenarbeiten mit Calixto Bieito umfassen Johannespassion am Teatro Arriaga Antzokia (Bilbao), Dekalog am Residenztheater München und Kátja Kabanová am Nationaltheater Prag sowie an der Semperoper Dresden. Ausserdem entwarf sie zuletzt das Bühnenbild für die Uraufführung Paradiese an der Oper Leipzig (Regie: Barbora Horákova Joly), Carmen und Manon am Theater Aachen (Regie: Lucía Astigarraga), Hoffmanns Erzählungen am Mainfranken Theater Würzburg (Regie: Nicole Claudia Weber) und La bohème am Luzerner Theater (Regie: Lucía Astigarraga).
Ingo Krügler, Kostüme
Ingo Krügler
Ingo Krügler (Kostüme) studierte Kostüm- und Modedesign in Berlin und London. Danach arbeitete er bei Jean-Paul Gaultier und John Galliano in Paris und assistierte u.a. in Wien, Paris (Bastille) sowie bei den Festspielen in München und Salzburg bei Regisseur:innen und Ausstatter:innen wie Michael Haneke, David Alden, David Pountney, Gottfried Pilz, Thomas Langhoff, Christine Mielitz, Harry Kupfer und Stefan Herheim. Seitdem ist er als freischaffender Kostümbildner im Theater- und Opernbereich tätig, u.a. bereits in Weimar, Dresden, Nürnberg, Berlin, London, Antwerpen, Oslo, Bergen, Paris, Zürich, Basel, Bern, Genf, Madrid, Barcelona und Bilbao. Seit Jenůfa an der Staatsoper Stuttgart verbindet ihn eine enge Zusammenarbeit mit Calixto Bieito, für den er u.a. die Kostüme zu Lulu, Aus einem Totenhaus, Aida, War Requiem und Oresteia am Theater Basel, Armida, Der Freischütz und Die Gespräche der Karmelitinnen an der Komischen Oper Berlin, Voices – a modern passion in Kopenhagen und Bergen, Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny an der Vlaamse Opera, Fidelio, Boris Godunow und La Juive an der Bayerischen Staatsoper, La forza del destino an der ENO London, Reimanns Lear an der Pariser Opéra und am Teatro Real in Madrid, Der feurige Engel in Zürich und Madrid, Tannhäuser und Don Giovanni am Konzert Theater Bern, Die Gezeichneten an der Komischen Oper Berlin, Bachs Johannespassion in Bilbao, Krieg und Frieden in Genf, Die ersten Menschen in Amsterdam und Bilbao, Tristan und Isolde an der Wiener Staatsoper sowie Aida an der Berliner Staatsoper entwarf.
Franck Evin, Lichtgestaltung
Franck Evin
Franck Evin, geboren in Nantes, ging mit 19 Jahren nach Paris, um Klavier zu studieren. Nachts begleitete er Sänger im Café Théâtre Le Connetable und begann sich auch für Beleuchtung zu interessieren. Schliesslich entschied er sich für die Kombination aus Musik und Technik. Dank eines Stipendiums des französischen Kulturministeriums wurde er 1983 Assistent des Beleuchtungschefs an der Opéra de Lyon. Hier arbeitete er u. a. mit Ken Russel und Robert Wilson zusammen. Am Düsseldorfer Schauspielhaus begann er 1986 als selbstständiger Lichtdesigner zu arbeiten und legte 1993 die Beleuchtungsmeisterprüfung ab. Besonders eng war in dieser Zeit die Zusammenarbeit mit Werner Schröter und mit dem Dirigenten Eberhard Kloke. Es folgten Produktionen u. a. in Nantes, Strassburg, Paris, Lyon, Wien, Bonn, Brüssel und Los Angeles. Von 1995 bis 2012 war er Künstlerischer Leiter der Beleuchtungsabteilung der Komischen Oper Berlin und dort verantwortlich für alle Neuproduktionen. Hier wurden besonders Andreas Homoki, Barrie Kosky, Calixto Bieto und Hans Neuenfels wichtige Partner für ihn. Im März 2006 wurde Franck Evin mit dem «OPUS» in der Kategorie Lichtdesign ausgezeichnet. Seit Sommer 2012 arbeitet er als künstlerischer Leiter der Beleuchtungsabteilung an der Oper Zürich. Franck Evin wirkt neben seiner Tätigkeit in Zürich weiterhin als Gast in internationalen Produktionen mit, etwa an den Opernhäusern von Oslo, Stockholm, Tokio, Amsterdam, München, Graz sowie der Opéra Bastille, der Mailänder Scala, dem Teatro La Fenice, der Vlaamse Opera und bei den Bayreuther Festspielen.
Janko Kastelic, Choreinstudierung
Janko Kastelic
Janko Kastelic ist ein kanadisch-slowenischer Dirigent, Chorleiter, Pianist und Organist. Er begann seine musikalische Ausbildung in Kanada am Royal/Western Conservatory of Music und der St. Michael‘s Choir School. Er hat einen Abschluss in Dirigieren, Komposition und Musiktheorie von der Universität Toronto und setzte sein Studium an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Wien fort. Seit 2017 ist er Chordirektor am Opernhaus Zürich. Er war einer der Kapellmeister der Wiener Hofmusikkapelle, Studienleiter des JET-Programms für junge Sänger am Theater an der Wien und Assistent bei den Bayreuther Festspielen sowie Gastchordirektor an der Hamburgischen Staatsoper. Zu den Positionen, die er im Lauf seiner Karriere bekleidet hat, gehört auch die Stelle des Generalmusikdirektors und Operndirektors am Slowenischen Nationaltheater Maribor, des Zweiten Chordirektors an der Wiener Staatsoper sowie des Korrepetitors an der Opéra National de Paris. Er war Assistenzprofessor an der Universität Ljubljana und Mentor an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien. Seine künstlerischen Leistungen sind dokumentiert auf mehreren Live-Aufnahmen, darunter Tschaikowskis Pique Dame und Schönbergs Moses und Aron. Er arrangierte und dirigierte auch Werke für die Feierlichkeiten zum Mozartjahr 2006. Zu seinen Arbeiten beim Klangbogen-Festival in Wien gehört die europäische Erstaufführung von Blochs Macbeth. Janko Kastelic ist auch ein engagierter Pädagoge, der sich der Förderung der nächsten Generation von Musikerinnen und Musikern verschrieben hat.
Beate Breidenbach, Dramaturgie
Beate Breidenbach
Beate Breidenbach studierte zuerst Violine, dann Musikwissenschaft und Slawistik in Nowosibirsk, Berlin und St. Petersburg. Nach Assistenzen an der Staatsoper Stuttgart und der Staatsoper Unter den Linden Berlin wurde sie als Musikdramaturgin ans Theater St. Gallen engagiert, drei Jahre später wechselte sie als Dramaturgin für Oper und Tanz ans Theater Basel. Anschliessend ging sie als Operndramaturgin ans Opernhaus Zürich, wo sie bisher mit Regisseurinnen und Regisseuren wie Calixto Bieito, Dmitri Tcherniakov, Andreas Homoki, Herbert Fritsch, Nadja Loschky, Kirill Serebrennikov und anderen arbeitete und die Entstehung neuer Opern von Pierangelo Valtinoni, Michael Pelzel, Samuel Penderbayne und Jonathan Dove betreute. Gastdramaturgien führten sie u.a. an die Potsdamer Winteroper (Le nozze di Figaro, Regie: Andreas Dresen), zum Schweizer Fernsehen (La bohème im Hochhaus) und 2021 an die Opéra de Génève (Krieg und Frieden, Regie: Calixto Bieito). Mit Beginn der Spielzeit 2026/27 wird sie als Chefdramaturgin an die Deutsche Oper Berlin wechseln.
Maria Agresta, La duchessa Elena
Maria Agresta
Maria Agresta, geboren in Vallo della Lucania, studierte Gesang in Salerno und später in Modena. Ihre internationale Karriere begann 2011 am Teatro Regio in Turin mit I vespri siciliani unter der Leitung von Gianandrea Noseda. Es folgten Norma in Tel Aviv, La bohème in der Arena di Verona, München, Turin und beim Puccini-Festival in Torre del Lago, Donizettis Gemma di Vergy in Bergamo und Don Giovanni an der Mailänder Scala. Später kehrte sie mit grossem Erfolg u.a. als Mimì (La bohème) und Liù (Turandot) an die Scala zurück. Sie sang u.a. Leonora (Il trovatore) in Valencia, Madrid und Mailand, Norma in Turin, Paris, Madrid sowie Zürich, Amelia (Simon Boccanegra) in Rom und Dresden, Desdemona (Otello) in Valencia, Zürich und Genua, Elvira (I puritani) an der Opéra Bastille in Paris, Lucrezia (I due Foscari) am Londoner Royal Opera House Covent Garden, Elisabetta (Don Carlo) in Madrid und Venedig, Tosca an der Opéra National de Paris und am Teatro Real in Madrid, Adriana Lecouvreur an der Scala sowie Madama Butterfly in London und an der ABAO Bilbao Opera. 2022 gab sie als Maddalena di Coigny (Andrea Chénier) ihr Hausdebüt an der Wiener Staatsoper und debütierte im darauffolgenden Jahr als Giorgetta (Il tabarro) am Teatro dell’Opera di Roma. Konzerte führten die Sopranistin nach Graz, Dresden, Rom, Venedig, Neapel, Berlin und Valencia zu Dirigenten wie Riccardo Muti, Zubin Mehta und Nicola Luisotti. 2014 wurde sie mit dem Premio Franco Abbiati als «Beste Sopranistin» ausgezeichnet und erhielt 2021 den Premio Luigi Illica.
Judith Schmid, Ninetta
Judith Schmid
Judith Schmid, Schweizer Mezzosopranistin, studierte Musik und Bewegung an der Hochschule der Künste Bern sowie Gesang an der Guildhall School of Music and Drama. Sie legt ihren Schwerpunkt auf die Opern- und Konzertbühne, widmet sich jedoch auch dem Lied und Oratorium. Seit über 20 Jahren ist sie u.a. am Opernhaus Zürich, wo sie langjähriges Ensemblemitglied war, oder auch am Staatstheater Nürnberg engagiert, etwa in Hosenrollen wie Smeton (Anna Bolena), Sesto (Giulio Cesare) und Silla (Palestrina) sowie als Adelaide (Arabella), Polina (Pique Dame), Federica (Luisa Miller), Maddalena (Rigoletto) Emilia (Otello), Erda (Rheingold, Siegfried), Waltraute (Walküre) sowie Erste Norn und Flosshilde (Götterdämmerung). Im Konzertbereich trat sie mit Orchestern wie dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dem Münchner Rundfunkorchester, dem Opern- und dem Tonhalle Orchester Zürich unter Dirigenten wie Plácido Domingo, Mariss Jansons, Daniele Gatti, Franz Welser-Möst, Nello Santi, Marc Minkowski, Adam Fischer, Marcello Viotti oder Heinz Holliger auf. Seit 2017 ist sie Dozentin für Gesang an der Hochschule Luzern, ab September 2024 mit künstlerischer Professur. Neben zahlreichen Radio- und Fernsehaufzeichnungen sowie DVD-Produktionen hat Judith Schmid auch CDs veröffentlicht. Das Album Rosenblätter mit dem Pianisten Oliver Schnyder und Werken von Grieg, Hefti und Ravel wurde 2008 vom Schweizer Radio SRF 2 Kultur zu den besten CDs gewählt. Am Opernhaus Zürich ist sie in der Spielzeit 2024/25 als Suzuki (Madama Butterfly) und als Voix de la Tombe (Les Contes d'Hoffmann) zu erleben. Ein weiteres Engagement ist in der Spielzeit 2025/26 am Luzerner Theater geplant.
Quinn Kelsey, Guido de Monforte
Quinn Kelsey
Quinn Kelsey stammt aus Hawaii. 2005 vertrat er die USA bei der «BBC Singer of the World Competition» in Cardiff und ist inzwischen ein gefragter Gast an Häusern wie der Metropolitan Opera, der San Francisco Opera, der L yric Opera of Chicago, dem Royal Opera House, Covent Garden und dem Opernhaus Zürich vor allem für das Verdi-, Puccini- und französische Repertoire. 2015 wurde er mit dem Beverly Sills Award der Metropolitan Opera ausgezeichnet. Er sang u.a. Conte di Luna in Verdis Il trovatore in San Francisco und in Dresden, in Das schlaue Füchslein in Florenz, als Sharpless in Madama Butterfly an der New York City Opera, als Amonasro in Aida bei den Bregenzer Festspielen, als Ezio in Verdis Attila in San Francisco sowie als Paolo in Simon Boccanegra in Rom. In der Titelrolle von Verdis Rigoletto war Quinn Kelsey in Zürich, London (ENO), Frankfurt, San Francisco, an der Opéra National de Paris und an der Wiener Staatsoper zu erleben und als Giorgio Germont (La traviata) gastierte er in Seoul, Chicago, San Francisco, am ROH London sowie in Zürich. Er war u.a. als Peter (Hänsel und Gretel), Enrico (Lucia di Lammermoor), Giorgio Germont und als Rigoletto an der Met, mit seinem Rollendebüt als Posa (Don Carlo) an der Washington National Opera, als Miller (Luisa Miller) in Chicago, als Duke of Nottingham (Roberto Devereux) an der Los Angeles Opera, als Scarpia (Tosca) beim 2021 Summer Festival in Cincinnati und als Conte di Luna (Il trovatore) am Opernhaus Zürich zu erleben. Jüngst debütierte er u.a. als Simon Boccanegra an der Opera Philadelphia und sang Graf Anckarström (Un ballo in maschera) an der Met.
Alexander Vinogradov, Giovanni di Procida
Alexander Vinogradov
Alexander Vinogradov gab noch als Student des Moskauer Konservatoriums sein Debüt am Bolschoitheater in der Rolle des Oroveso (Norma). Seitdem ist er regelmässig auf den wichtigsten Bühnen der Welt zu Gast, u. a. an der Staatsoper Berlin, der Opéra National de Paris, dem Teatro alla Scala, der Metropolitan Opera, dem Teatro Real Madrid, dem Royal Opera House Covent Garden, der Staatsoper Hamburg, der Bayerischen Staatsoper, dem Opernhaus Zürich, der Wiener Staatsoper und bei internationalen Musikfestivals. Auf dem Konzertpodium trat er u. a. mit der Staatskapelle Berlin, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dem Deutschen Symphonie Orchester, dem LA Symphony, dem Chicago Symphony und dem Radio Philharmonic Orchestra in Amsterdam auf. Zu seinem Repertoire gehören Escamillo (Carmen), Filippo II (Don Carlo), Procida (I vespri siciliani), Silva (Ernani), Zaccaria (Nabucco), Pimen (Boris Godunow), Sarastro (Die Zauberflöte), Raimondo (Lucia di Lammermoor), Don Basilio (Il barbiere di Siviglia), Daland (Der fliegende Holländer), Banquo (Macbeth), Leporello (Don Giovanni), Timur (Turandot), Mephistopheles (Faustund La Damnation de Faust), Enrico VIII (Anna Bolena) und Titelrollen in Le nozze di Figaro, Attila und Aleko.
Bryan Hymel, Arrigo
Bryan Hymel
Bryan Hymel studierte Gesang in Philadelphia und begann seine Karriere als Preisträger der «Verdi Aria Competition» 1998 in Aspen. Mittlerweile singt er an zahlreichen renommierten Opernhäusern und Festivals. 2010 debütierte er an der Scala in Mailand und am Royal Opera House in London als Don José (Carmen), anschliessend sang er in London u.a. Énée (Les Troyens), Robert (Robert le diable) und den Prinzen in Rusalka. Für diese drei Partien erhielt er 2013 den «Olivier Award for Outstanding Achievement». Es folgten u.a. Énée an der Met in New York, Arnold Melcthal (Guillaume Tell) am der Bayerischen Staatsoper München, die Titelrolle in Berlioz’ La Damnation de Faust an der Opéra National de Paris und Pinkerton (Madama Butterfly) an der Wiener Staatsoper. Jüngst war er als Don José an der Opéra National in Paris zu hören, in der Titelrolle von Don Carlo, als Henri (I vespri siciliani), als Canio (Pagliacci), als Turiddu (Cavalleria rusticana) und als Don José am ROH London, als Henri an der Bayerischen Staatsoper, als Rodolfo (La bohème) an der Wiener Staatsoper, in der Titelrolle von Roméo et Juliette an der San Francisco Opera und als Faust (La Damnation de Faust) an der Met in New York. Auf der Konzertbühne sang er u.a. die Tenorpartie in Beethovens 9. Sinfonie an der Scala in Mailand, in Verdis Requiem beim Edinburgh Festival, in Walter Braunfels’ Jeanne d’Arc bei den Salzburger Festspielen und ein Rezital in der Wigmore Hall in London. Bryan Hymel ist Exklusivkünstler bei Warner Classics und gewann 2015 für sein Soloalbum Héroïc den «Georges Thill Prize» der Académie Nationale du Disque Lyrique sowie einen ECHO Klassik als Newcomer des Jahres.
Oleg Davydov, Il sire di Bethune
Oleg Davydov
Oleg Davydov studierte Gesang in Moskau und St. Petersburg. Am Konservatorium in St. Petersburg debütierte er 2016 als Fürst Gremin in Eugen Onegin. Er gewann diverse Preise und Auszeichnungen, darunter den zweiten Platz bei der 7. International Opera Competition in St. Petersburg 2015 und den Sonderpreis beim Galina-Wischnewskaja-Gesangswettbewerb in Moskau 2016. In den Spielzeiten 2017/18 und 2018/19 war er Mitglied des Opernstudios der Bayerischen Staatsoper, wo er u.a. die Rollen Usciere in Rigoletto, einen Hauptmann in Eugen Onegin, den 2. Gefangenen in Fidelio, Billy Jackrabbit in La fanciulla del West, Bertrand in Iolanta und Yakusidé in Madama Butterfly interpretierte. Seit der Spielzeit 2019/20 ist Oleg Davydov Mitglied des Internationalen Opernstudios Zürich und war hier in Belshazzar, Die Zauberflöte, Fidelio, Les Contes d’Hoffmann, Salome und Die Odyssee zu erleben.
Ruben Drole, Il conte Vaudemont
Ruben Drole
Ruben Drole, Bassbariton, stammt aus Winterthur und studierte an der Musikhochschule Zürich. 2004 wurde er ins IOS und 2005 ins Ensemble des Opernhauses Zürich aufgenommen, wo er u.a. als Lucio Cinna (J.C. Bachs Lucio Silla), Haly (L’italiana in Algeri), Argante (Rinaldo), Wurm (Luisa Miller) und als Papageno in der von Nikolaus Harnoncourt geleiteten Zauberflöte zu erleben war. Als Papageno hat er 2015 auch sein Debüt an der Semperoper Dresden gegeben. Weitere Projekte mit Harnoncourt waren u.a. Kezal (Die verkaufte Braut) und Haydns Schöpfung bei der Styriarte Graz, Beethovens Christus am Ölberg in Wien und Luzern, eine Japan-Tournee (Mozarts Requiem und Händels Messiah) sowie Leporello (Don Giovanni) am Theater an der Wien. Im Zürcher Zyklus der Mozart/Da Ponte-Opern von Sven-Eric Bechtolf und Franz Welser-Möst wirkte er als Guglielmo (Così fan tutte), Figaro (Le nozze di Figaro) und Leporello mit. Dieselben Partien interpretierte er unter Welser-Möst auch mit dem Cleveland Orchestra. Bei den Salzburger Festspielen 2012 sang er den Achilla (Giulio Cesare) und trat dort 2013 in Haydns Il ritorno di Tobia und in Walter Braunfels’ Szenen aus dem Leben der Heiligen Johanna auf. In Zürich war er zuletzt u.a. als Figaro, Lord Rochefort (Anna Bolena), Papageno, Leporello, Alaskawolfjoe (Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny), als Peter in Hänsel und Gretel, Biterolf in Tannhäuser, Soldat in Die Geschichte vom Soldaten, Odysseus in Die Odyssee, Antonio in Le nozze di Figaro sowie als Herzogin/Raupe in Alice im Wunderland zu sehen. Ausserdem war er jüngst im Ballettabend Nachtträume zu erleben.
Leonardo Sánchez, Danieli
Leonardo Sánchez
Leonardo Sánchez, Tenor, stammt aus Mexiko, wo er seinen Bachelor an der Universidad De Las Americas Puebla abschloss. Er gewann als einer der jüngsten Sänger des Landes das Plácido Domingo Stipendium. Zudem war er Preisträger verschiedener Gesangswettbewerbe in Mexiko (u.a. Sinaloa International Singing Competition und Carlo Morelli Gesangswettbewerb). 2016 debütierte er als Arturo in Lucia di Lammermoor im Palacio de Bellas Artes in Mexiko-Stadt. 2017/18 war er als Alfredo (La traviata) am Teatro Bicentenario, als Don Anchise in La finta giardiniera mit dem National Chamber Orchestra Mexico und als Don Ottavio (Don Giovanni) im Teatro Estatal de Yucatan zu hören. Zu seinem Repertoire gehören ausserdem Rinuccio in Puccinis Gianni Schicchi, Nemorino in Donizettis L’elisir d’amore und Rafael in Serranos La dolorosa. Leonardo Sánchez war als Solist in Beethovens 9. Sinfonie und in Saint-Saëns Weihnachtsoratorium zu hören. 2018 bis 2020 war er Mitglied des Internationalen Opernstudios Zürich. Hier sang er u.a. den Graf Almaviva in der IOS-Produktion Il barbiere di Siviglia, Don Curzio in Le nozze di Figaro, Abdallo in Nabucco und Albazar in Il turco in Italia. 2020 gastierte er am Teatro Villamarta in Jerez als Tamino in der Zauberflöte und 2021 am Teatro del Bicentenario in Mexiko als Don Ottavio in Don Giovanni und 2022 als Alzaga in Albéniz’ Der magische Opal am Teatro de la Zarzuela in Madrid.
Omer Kobiljak, Tebaldo
Omer Kobiljak
Omer Kobiljak stammt aus Bosnien und wurde von 2008 bis 2013 von David Thorner am Konservatorium Winterthur ausgebildet. Er besuchte Meisterkurse bei Jane Thorner-Mengedoht, David Thorner und Jens Fuhr und erhielt 2012 beim Thurgauer Musikwettbewerb den Ersten Preis mit Auszeichnung. Im Jahr darauf sang er bei den Salzburger Festspielen einen Lehrbuben (Die Meistersinger von Nürnberg) unter Daniele Gatti. Ab 2014 studierte er an der Kalaidos Fachhochschule Aarau Gesang bei David Thorner. 2016 debütierte er als Baron von Kronthal (Lortzings Der Wildschütz) an der Operettenbühne Hombrechtikon. 2017 sang er an der Mailänder Scala in Die Meistersinger von Nürnberg. Ab 2017/18 war er Mitglied im IOS und war u.a. in Salome, Ronja Räubertochter, La fanciulla del West, Parsifal, Der fliegende Holländer sowie in La traviata zu erleben. In der Spielzeit 2018/19 sang er Lord Arturo Buklaw in Lucia di Lammermoor sowie den Notar in der konzertanten Aufführung von La sonnambula. Seit der Spielzeit 2019/20 gehört er zum Ensemble des Opernhauses Zürich und war hier u.a. als Abdallo in Nabucco, als Nathanaël in Les Contes d’Hoffmann, als Macduff in Macbeth, als Froh in Das Rheingold sowie in Il trovatore und in I Capuleti e i Montecchi zu erleben. Bei den Bregenzer Festspielen sang er Il principe Yamadori in Madama Butterfly, den Fürsten Alexis in Umberto Giordanos Siberia sowie Don Riccardo in Ernani. Kürzlich gab er am Opernhaus Zürich sein Rollendebüt als Alfredo in La traviata und sang ausserdem Tybalt in Roméo et Juliette sowie den verrückten Hutmacher in Alice im Wunderland.
Ildo Song, Roberto
Ildo Song
Ildo Song stammt aus Südkorea. Er absolvierte seine Gesangsausbildung an der Universität von Seoul und ist Preisträger zahlreicher südkoreanischer Wettbewerbe. In Europa wurde er 2014 mit dem 3. Preis beim Internationalen Hans Gabor Belvedere Gesangswettbewerb in Düsseldorf ausgezeichnet. Zu seinem Repertoire gehören Partien wie Sarastro (Die Zauberflöte), Sparafucile (Rigoletto), die Titelpartie in Le nozze di Figaro und Don Alfonso (Così fan tutte), die er auf verschiedenen Bühnen in Seoul, darunter das Seoul Art Center, verkörperte. Von 2015 bis 2017 gehörte er zum Internationalen Opernstudio in Zürich und war hier u.a. in Il viaggio a Reims, La traviata, Orlando paladino, Don Carlo, Un ballo in maschera und L’Heure espagnole / L’Enfant et les sortilèges zu erleben. Seit der Spielzeit 2017/18 gehört er zum Ensemble des Opernhauses Zürich. In letzter Zeit sang er u.a. den Onkel Bonze in Madama Butterfly, Le Fauteuil / L’arbre in L’Enfant et les sortilèges, La Voce in Idomeneo, Mandarin in Turandot, Doktor Grenvil in La traviata, Julian Pinelli in Die Gezeichneten, Il Conte di Ceprano in Rigoletto, Alessio in der konzertanten Aufführung von La sonnambula, Oroveso in Norma und ein Eremit in Der Freischütz. Er gastierte zudem jüngst als Onkel Bonze und Oroveso am Teatro di San Carlo in Neapel.
Thomas Erlank, Manfredo
Thomas Erlank
Thomas Erlank stammt aus Südafrika. Er studierte Musik an der Universität von Stellenbosch (Südafrika) und Gesang am Royal College of Music in London bei Patricia Bardon. 2011 gab er sein Debüt als Solist in Steve van der Merwes Eleven – A Requiem for a Parent in der St. George’s Cathedral in Kapstadt. Zu seinem Repertoire gehören u.a. Rollen wie Aeneas (Dido und Aeneas), Dr. Blind (Die Fledermaus), Acis (Acis und Galatea) und Il Podestà (La finta giardiniera). Beim Händel Festival in London sang er Lurcanio in Händels Ariodante. 2015 wirkte er in David Morins Dokumentarfilm Finding Messiah mit. Mit Werken von Mozart, Haydn und Händel war er u.a. in St. Martin-in-the-Fields, in der Cadogan Hall und beim Brighton Fringe Festival zu erleben. Von 2018 bis 2020 war er Mitglied des Internationalen Opernstudios und sang hier 2018/19 den Tenorpart in der Ballettproduktion Winterreise von Christian Spuck, Borsa in Rigoletto, Ambrogio in der IOS-Produktion Il barbiere di Siviglia am Theater Winterthur sowie den Conférencier in der Uraufführung Last Call von Michael Pelzel. In der Spielzeit 2019/2020 war er in Belshazzar, in der Zauberflöte und in Fidelio zu hören. Seit der Spielzeit 2020/21 gehört er zum Ensemble des Opernhauses Zürich und sang jüngst in Idomeneo, L’incoronazione di Poppea, Die Odyssee, Dialogues des Carmélites, L’Olimpiade, Tristan und Isolde sowie in La traviata und Salome. Ausserdem gastierte er im März 2023 als Solist in Mozarts Requiem in der Gulbenkian Foundation Lissabon zusammen mit dem Gulbenkian Orchestra.