Die Gezeichneten
Oper in drei Aufzügen von Franz Schreker (1878-1934)
Libretto vom Komponisten
In deutscher Sprache mit deutscher und englischer Übertitelung. Dauer 2 Std. 50 Min. inkl. Pause nach dem 1. Teil nach ca. 1 Std. 25 Min. Werkeinführung jeweils 45 Min. vor Vorstellungsbeginn.
Einführungsmatinee am 9 Sep 2018.
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Vergangene Termine
September 2018
Oktober 2018
Gut zu wissen
Die Gezeichneten
Kurzgefasst
Die Gezeichneten
Franz Schrekers grossformatige Oper Die Gezeichneten gehört zu den skandalumwitterten Werken des frühen 20. Jahrhunderts. Sie kreist um Kunstvisionen, Sinnenrausch, erotische Grenzüberschreitung, Perversion und Gewalt. Der missgestaltete Edelmann Alviano Salvago hat sich auf einer Insel vor der Stadt Genua seinen Traum vom Kunstschönen verwirklicht und ein Elysium entgrenzter Lustbarkeiten geschaffen, das er selbst allerdings nie betritt. Eine Männer-Clique aus Genueser Adelskreisen nutzt die Insel heimlich, um in den Katakomben Orgien zu feiern und geraubte junge Bürgerstöchter zu schänden. Alviano will sein Kunst-Elysium der Öffentlichkeit zugänglich machen. Das skandalöse Treiben wird enthüllt. Die Gezeichneten wurde 1918 uraufgeführt und avancierte anschliessend zu einer der meistgespielten Opern, bis die nationalsozialistische Kunstpolitik dem Werk des jüdischen Künstlers Schreker und seinem Leben ein jähes Ende bereitete. In den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts tauchten seine Opern wieder vermehrt in den Spielplänen auf, und aktuell erlebt Die Gezeichneten eine Art zweite Renaissance: Gleich an mehreren grossen Bühnen haben sich exponierte Regisseure des wirkungsmächtigen Werkes angenommen. Der Stoff amalgamiert heterogenste Einflüsse von Nietzsche bis zum Traumdenken Sigmund Freuds. In der betörend farbschillernden Musik haben Wagner, Debussy, Mahler und der frühe Schönberg ihre Spuren hinterlassen.
Der Dirigent Vladimir Jurowski gibt in dieser Produktion sein Debüt am Opernhaus Zürich, und der gefeierte Regisseur Barrie Kosky präsentiert seine Lesart dieser aussergewöhnlichen Partitur. Catherine Naglestad ist in der weiblichen Hauptrolle der herzschwachen, seelenmalenden Künstlerin Carlotta zu erleben. Der Schreker-erfahrene Tenor John Daszak gibt den missgestalteten Alviano Salvago.
Gespräch
Barrie, Die Gezeichneten stehen schon seit langer Zeit auf deiner Wunschliste. Was für eine Geschichte verbindet dich mit dieser Oper?
Ich habe von Schreker während meiner Studentenjahre in Australien zunächst den Fernen Klang kennengelernt. Sofort fühlte ich mich von dieser rätselhaften Klangwelt angezogen, die so ganz anders wirkt als diejenige seines Zeitgenossen Richard Strauss. Dann habe ich angefangen, den ganzen Schreker zu studieren, genauso wie die Werke von Alexander Zemlinsky und Erich Wolfgang Korngold. Wir müssen uns bewusst sein: Das ist ein wirklich einzigartiges Kapitel in der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts, das diese österreichischdeutschen Juden hier geschrieben haben! Sie alle standen am Ende der grossen romantischen Tradition und versuchten, eine neue Form der Oper zu erfinden, ein postdramatisches Musiktheater nach Wagner gewissermassen. Dann kam der fatale Bruch um 1933 durch die Nazis. Schreker starb, andere gingen ins Exil. Ich frage mich immer wieder: Wie würde die deutsche Musik heute klingen, wenn diese Komponisten, die damals alle noch relativ jung waren, ihre künstlerische Laufbahn hätten weiterführen können? Sie alle waren «MelodyFreaks», sie hatten keine Angst, populäre Einflüsse wie Jazz in ihrer Musik zu verwenden. Ich bin mir sicher, dass die deutsche Musik der Nachkriegszeit ohne dieses dunkle Kapitel ganz anders aussehen würde. Zugegeben, einige Stücke dieser Komponisten sind besser als andere, manchmal sind die Opern zu lang, oder sie haben problematische Texte. Meistens aber sind sie hochinteressant, mit einer oft sensationellen Musik. Es reicht aber nicht, sich von diesen Stücken nur Aufnahmen anzuhören, man muss diese Werke auf der Bühne erfahren, weil sie erst dort ihre komplette Wirkung entfalten.
Worin besteht das Geheimnis von Schrekers Musik?
Das ist schwer zu beschreiben. Es ist jedenfalls ein ganz anderer Klang als der von Korngold. Korngolds Musik umschmeichelt das Ohr, sie ist leicht zu hören. Das erklärt auch, warum er später einen derart grossen Erfolg als Filmkomponist in Hollywood hatte. Zemlinsky wiederum ist der brillanteste der drei Komponisten, er hat das beste Gespür für das Theater. Aber Schreker hat die interessanteste und seltsamste Klangwelt erschaffen. Man hört die Musik und weiss sofort: das ist Schreker! Es ist ein ganz spezieller Duft. Schreker spielt geradezu mit dieser spätromantischen, harmonischchromatischen Welt, und die Musik schwebt wie ein merkwürdiger Nebel im Raum. Das hat natürlich mit der sehr ausgeklügelten Orchestrierung zu tun, es hat auch mit den Themen der Oper zu tun und mit Schreker als Person. Die Musik geht unter die Haut, an die Nerven. Das führt mich zu Sigmund Freud: Er war sozusagen der Pate von Komponisten wie Zemlinsky, Korngold und Schreker. Man könnte sagen, sie alle haben den Soundtrack zu Freuds Traumdeutung geschrieben. Der Schatten Freuds ist in jedem Stück dieser Komponisten spürbar und ganz besonders in den Gezeichneten. Das Stück ist ein Versuch, Neurose und Paranoia in Musik zu übersetzen.
Mit einem Schuss Erotik …
Erotik ist natürlich ein grosser Teil von Neurose und Paranoia! Ja, diese drei Elemente und auch die typische Freudianische Hysterie sind der Faden, mit dem Schreker den Teppich webt, und in den er seine Figuren einhüllt. Wobei man in Bezug auf die Hysterie sagen muss, dass es in den Gezeichneten primär die Männer sind, die hysterisch sind.
War es die Freudianische Welt, die dich an diesem Stück besonders gereizt hat?
Nicht nur. Bemerkenswert finde ich, dass die weibliche Hauptfigur, Carlotta, eine Künstlerin ist. Das kenne ich von keiner anderen Oper! Hinzu kommt, dass diese Künstlerin die männliche Hauptfigur, Alviano, als Kunstmodell benutzt, eine Figur, die zudem missgestaltet ist! Eine wirklich ungewöhnliche, hochinteressante Kombination. Man stelle sich vor: Tausend Jahre Kunstgeschichte, die vom männlichen Blick auf die Frau handelt, und nun ist es hier plötzlich umgekehrt! Ein weiterer Aspekt, der mich an diesem Stück fesselt, ist seine cinematografische Welt avant la lettre. Vieles erinnert mich in den Gezeichneten an den späteren Film noir der 1940er und 50erJahre. Der Film noir war ja eine Entwicklung in Hollywood, die massgeblich von europäischen Künstlern geprägt wurde, von Kameramännern, Bühnenbildnern, Drehbuchautoren oder Regisseuren. Es war ein Moment in der Geschichte des Films, als man vom Stummfilm zum gesprochenen Film überging und der Realismus eines Stanislawski auf den deutschen Expressionismus prallte. Nun gibt es plötzlich ein Drehbuch, dessen Texte für sich allein genommen ziemlich banal klingen, jedoch durch die Kombination mit Bildern und Musik zu einem Gesamtkunstwerk werden. Mit Schrekers Gezeichneten ergeht es mir ähnlich, was die Beziehung von Musik und – Schrekers selbst verfasstem – Text angeht. Durch seine suggestive Musik vergisst man den schwülstigen Text, vergisst die dramaturgischen Probleme, und schwimmt in diesem hochmanipulativen Klangozean mit. Und übrigens: Ich könnte mir Schauspielerinnen des Film noir wie Greta Garbo oder Bette Davis sehr gut als Carlotta vorstellen …
Das Filmische kommt in Schrekers Stück ja auch in Form von Überblendungen vor: Innen- und Aussenräume, die ineinander übergehen. Ich denke hier besonders an Carlotta, wenn sie sich im zweiten Akt in innere Welten katapultiert, die nichts mehr mit einer Konversationsoper zu tun haben.
Ja, wie Kamerafahrten ins Seeleninnere. Das trifft natürlich auch auf Alviano und seine überspannte, subjektive Wahrnehmung der Welt zu.
Was für eine Beziehung verbindet Alviano und Carlotta? Welche chemische Reaktion läuft zwischen den beiden ab?
Es ist eine Liebesgeschichte ohne romantische Liebe, eine Liebesgeschichte, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist. Alviano hat sicher noch keine Erfahrung mit Frauen, er hat geradezu Angst vor ihnen. Für mich verkörpert er den typisch Freudianischen Charakter. Alviano hegt Selbsthass, er hasst seinen Körper, fühlt sich minderwertig und hat eine einsame, melancholische Seele, was Carlotta als sensible Künstlerfigur natürlich sofort erkennt. Carlotta empfindet grosse Empathie und Sympathie für ihn. Sie eröffnet ihm auch relativ rasch, dass sie ihn liebe. Und doch sieht sie in ihm in erster Linie eine neue männliche Muse, ein neues Modell, eine Inspiration für ihre Kunst, die uninteressant wird, sobald sie sie in ihrer Kunst gebannt hat. Zwischen den beiden besteht keine kosmische Verbindung wie bei Tristan und Isolde, sondern wir erleben zwei verlorene Seelen, die für einen kurzen Moment zusammenkommen und sich dann wieder verlieren. Die Möglichkeit einer Beziehung war aber greifbar nahe, umso grösser ist der Absturz der beiden im dritten Akt. Alviano zum Beispiel, der durch die Begegnung mit Carlotta neue Hoffnung und neues Selbstbewusstsein geschöpft hat, driftet am Ende aufgrund seiner enormen sexuellen Verletzlichkeit vollends in den Selbsthass und Wahnsinn ab.
Das verbindende Element der beiden ist die Kunst. Durch sie können sie kommunizieren, das ist doch etwas sehr Spezielles …
Die Kunst bringt die beiden zusammen, ja. Die Kunst ist ein Türöffner. Aber mit und an der Kunst scheitern die beiden letztlich auch. Alviano erlebt das zusätzlich, indem er sich und seinen ästhetischen Neigungen mit seinem Elysium eine paradiesische Kunstwelt erschaffen hat, die sich dann in ihr unschönes Gegenteil verwandelt. Und doch ist mir wichtig, dass die Kunst in unserer Produktion nur als Subtext auftaucht und nicht zum einzigen grossen Thema dieses Stücks wird. Als Zuschauer will ich keinen Unterricht über Kunstgeschichte bekommen. Ich möchte, dass wir von Alviano und Carlotta emotional berührt werden, ja sogar auch von der dritten Hauptfigur, Tamare, dem Tat und Kraftmenschen, obwohl diese Figur in erster Linie eine Art Angsttraum von Alviano darstellt.
Um nochmals auf Carlotta zurückzukommen, die ja doch eine sehr geheimnisumwitterte Figur ist: Sie hat offenbar ein Herzleiden, und gern möchte man wissen, was sie in ihren schattigen Seelenwinkeln wirklich zu verbergen hat.
Alviano ist natürlich die Hauptfigur des Stücks, aber der interessantere Charakter ist Carlotta. Sie ist voll von Widersprüchen und Geheimnissen. Eine Sphinx. Gottseidank sind fast alle ihre Szenen die besten des Stücks! Schreker hat ihr in der grossen Atelierszene, dem Mittelpunkt der Oper, einen richtig morbiden Text gegeben. Ein gespenstischer Monolog!
Sie erzählt hier von einer Freundin, die Hände male, aber im Grunde spricht sie von sich selbst.
Sie ist richtiggehend besessen von diesen Händen, die wie ein Fetisch für sie sind. Einmal beschreibt sie, wie die Hände geradezu glühen, dass diese Glut klinge und dieser Klang zu ihr und durch sie spreche. Das ist wie ein Horrorfilm. Das Bildmotiv der Hände erinnert mich zudem sehr an die ausdrucksstarken Hände, wie sie Egon Schiele zur Zeit Schrekers gemalt hat. Die Hände sind sicher auch eine libidinöse Assoziation, eine Art Ersatzphallus für Carlotta. Ich finde es grandios, dass ihr Fetisch, ihr Ekel, ihre Lust, ihre Ängste und Besessenheit mit diesen Händen zu tun haben. Ein typisch wienerischfreudianisches, perverses Element. Das Motiv der Hände war für mich dann auch der Schlüssel zu Alvianos Missbildung: er hat bei uns keine Hände!
Du hast dich gemeinsam mit deinem Bühnenbildner Rufus Didwiszus für einen Raum entschieden, der eine gleissende, ja fast laborhafte Atmosphäre verbreitet.
Man darf Schrekers Musik nicht zusätzlich illustrieren! Da verliert man sofort. Das Schlimmste bei den Gezeichneten wäre zu versuchen, diese blumige Perversität des Stücks auf der Bühne zu zeigen. Man muss das Ganze etwas herunterkühlen, damit diese Musik wie psychedelische Nebelschwaden in den Raum hineinströmen kann. Diesen Stoff kann man nicht eins zu eins auf die Bühne bringen, sondern muss mit der Überlagerung von realen Elementen und Halluzination spielen.
In der vergangenen Spielzeit haben mit der Bayerischen Staatsoper in München, der Komischen Oper Berlin und St. Gallen gleich drei Opernhäuser Die Gezeichneten auf ihrem Spielplan präsentiert. Warum wird dieses Stück in letzter Zeit wieder so oft gespielt?
Neurosen und Paranoia sind natürlich zu jeder Zeit interessant, zu jeder Zeit verführerisch. Heute möchte das Publikum vielleicht auch etwas vom Standardrepertoire wegkommen. Dazu kommt, dass diese obsessiven, erotischen ThrillerDramen heutzutage sehr en vogue sind. Und ich komme noch einmal auf den Film zu sprechen: Dieses Stück hat grosse Gemeinsamkeiten mit der Welt Alfred Hitchcocks, mit seinem Blick auf die Frauen, mit seinem Film Vertigo, was die Paranoia angeht, oder mit Marnie, was die geheimnisvolle Frau angeht. Hitchcock war ein Meister der kühlen Erotik. Perversion, Gewalt und Selbsthass brodeln bei ihm immer unter einer glatten Fassade, wofür ihm Bernard Herrmann jeweils kongeniale Musik geschrieben hat. Manchmal kommt es mir so vor, als ob Herrmann ein direkter Nachkomme von Schreker wäre. Die Gezeichneten sind demnach vielleicht das erste HitchcockStück, bevor Hitchcock überhaupt auf der Bildfläche erschienen ist!
Das Gespräch führte Kathrin Brunner.
Foto von Jan Windszus.
Dieser Artikel ist erschienen in MAG 61, September 2018.
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Gespräch
Vladimir, du hast dich im Laufe deiner Karriere auffällig oft mit dem Repertoire des beginnenden 20. Jahrhunderts im Spannungsfeld der Wiener Moderne beschäftigt, sei es mit Werken Schönbergs, Bergs, Richard Strauss’ oder auch Zemlinskys. Was fasziniert dich so an dieser Zeit?
Es ist eine doppelte Faszination, die diese Zeit auf mich ausübt. Einerseits ist es die Befreiung der Musik aus den Zwängen der klassischen Tradition, die in dieser musikgeschichtlich so aufregenden Epoche vonstatten geht: dieses seit Wagners Tristan vorhandene Problem der Auflösung der Dissonanz, welches zu einem zunächst zaghaften, dann immer mutigeren Verlassen des tonalen Bodens führte. Dann die Zeit zwischen den Welten, als die Tonalität verlassen, aber noch kein neues System erfunden wurde, die sogenannte atonale Musik. Dann die Erschaffung der neuen Zwänge, der neuen Systeme. Das ist zum einen der musikalische Zusammenhang, der mich an dieser Zeit immer fasziniert hat, zum anderen ist es der gesellschaftliche Kontext, denn das geht immer Hand in Hand: Die Zerstörung der Tonalität verlief parallel zur Zerstörung der europäischen Monarchien und zur Krise des Imperialismus, was letztlich zum Ersten Weltkrieg geführt hat. Da sehe ich einen ganz grossen Zusammenhang. Meine Liebe zur Wiener Moderne hat auch damit zu tun, dass diese Zeit bei uns zuhause in Russland, als ich anfing, Musik professionell zu studieren, tabu war. Man durfte die Komponisten zwar erwähnen, aber sie galten im Sinne der SchdanowschenStalinistischen Kulturpolitik immer noch als Ausgeburten der kapitalistischen Hölle. In einer gewissen Hinsicht betrieb der Sowjetstaat eine ähnliche Politik wie die Nazis; das alles galt als entartete Kunst. Deswegen hat mich gerade das, was nicht zugänglich und verboten war, am meisten gereizt.
Welchen Platz nimmt Franz Schreker auf deiner Wiener Musiklandkarte ein?
Schreker war noch einer der wenigen weissen Flecke, den ich unbedingt erkunden wollte, und genau da kam die Einladung aus Zürich. Ich muss zugeben: Die Gezeichneten sind ein Stück, das ich nicht gleich verstanden habe und bis heute nicht ganz verstehe, aber es hat mich fasziniert durch diese mehrspurigen Verbindungen zu den Werken, die ich bereits dirigiert habe. Das Stück, zwischen 1913 bis 1915 komponiert, steht in vielerlei Hinsicht in der Mitte des damaligen musikalischen Geschehens. Nicht zuletzt geht die Oper auf einen Vorstoss Alexander Zemlinskys zurück. Schreker sollte ihm das «Drama des hässlichen Mannes» schreiben, in welchem Zemlinsky seine traumatische Liaison mit Alma Mahler verarbeiten wollte. Schreker war jedoch so fasziniert von dem Stoff, dass er ihn gleich selbst vertonte. Zemlinsky wich dann auf Oscar Wildes Geburtstag der Infantin aus und schrieb seinen Einakter Der Zwerg.
Wie ordnest du Schrekers Musik ein?
Schreker hatte die Fähigkeit, seine Musik unglaublich interessant und modern klingen zu lassen, obwohl sie rückblickend gesehen gar nicht so modern war. Denn trotz der vielen Dissonanzen ist seine Musik in ihrem Kern immer tonal. Er verwendet simple harmonische Mittel, wie man sie zum Beispiel aus der Salonmusik kennt, und kombiniert seine Musik mit den musikalischen Farb, Stil und Ausdrucksmitteln der damaligen Zeit. Was er daraus macht, ist für mich ein doch ziemlich eklektisch anmutendes Produkt. Ich persönlich empfinde es nicht als gleichermassen selbstständig wie die Musik von Alban Berg oder von Zemlinsky. Aber es gibt eben auch diese aufregenden Seiten an Schreker, wie die Vorwegnahme der späteren Filmmusik, des «Suspense» in Hitchcock Filmen, wie es Barrie Kosky so richtig erkannt hat. Was Schreker ausserdem so geschickt macht, und das tritt besonders im grandiosen Vorspiel in Erscheinung, ist, dass er die Themen filmisch nebeneinanderstellt. Ihm fehlte nur der entscheidende Mut zur Filmtechnik mit radikalen Schnitten, wie sie dann später Paul Hindemith oder Sergej Prokofjew angewendet haben.
Was für ein Duft weht uns denn aus Schrekers musiktheatralischem Kosmos insgesamt entgegen?
Was Schreker wirklich ausmacht, ist das, was wiederum für unsere heutige Zeit sehr relevant ist: das Morbide, das NichtLebensfähige. Das ist etwas, was für jede Dekadenzepoche charakteristisch ist. Wir sind heute natürlich sehr aufgeklärt, uns können nicht mal die intimsten Themen schockieren, seien es die Abgründe der menschlichen Psyche, um die es hier geht, sei es die Beziehung zwischen den Geschlechtern. Aber ich glaube, dass das, was uns heute an dieser Musik so besonders fasziniert, diese apokalyptische Stimmung ist. Für Schreker war das natürlich die Vorahnung des Ersten Weltkrieges, der während der Fertigstellung der Oper tatsächlich ausbrach. Ein Historiker nannte die Generation der Zeitgenossen Schrekers bezeichnenderweise «Schlafwandler». Für mich ist das eine Kunst der Schlafwandler. Dazu kommt, dass die Musik von Schreker einer Droge gleicht, die wir dem Publikum ganz bewusst verabreichen. Doch wie heisst es so schön: Die Kunst ist ein sicherer Ort, um über sehr gefährliche Dinge zu sprechen.
Was empfindest du als «gefährlich» in dieser Oper?
Das Thema des Selbsthasses oder die Umwandlung des Selbsthasses in Hass auf das andere Geschlecht. Den Ekel, den man vor dem Andersartigen, dem Hässlichen, oder dem, was man als hässlich versteht, empfindet. Das sind alles Probleme unserer Zeit. Der Umgang der Menschen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung, die Probleme, die man jetzt mit Flüchtlingen überall erlebt, aber auch die Glaubenskriege, die heute geführt werden, die gleichermassen beunruhigende frauen aber auch männerfeindliche Stimmung in bestimmten Schichten der Gesellschaft. Das alles wird in diesem Stück angesprochen. Eine interessante Idee in dem Stück ist ausserdem die Idee der Verantwortung des Künstlers für sein Tun, die ethische Verantwortung. Alviano ist nicht nur der Schöngeist, der diese unglaubliche Kunstinsel entwerfen lässt, er wird auch zu ei nem Mittäter: er hat die Insel «Elysium» geschaffen und dadurch die Lustmorde, die in einer Grotte auf der Insel stattfinden, indirekt ermöglicht. In der ersten Szene singt Alviano den Satz: «Was gab die Natur mir, mit dieser Fratze und diesem Höcker, solch ein Fühlen, solch eine Gier!» Das heisst, er sehnt sich durchaus nach alldem und toleriert es bis zu einem gewissen Zeitpunkt. Das ist sein Vergehen, seine Sünde.
Alviano versucht, seiner Schuld auszuweichen, aber Tatsache ist, dass er mit der Grotte ein Gefäss geschaffen hat, wo diese widerwärtigen Dinge stattfinden konnten.
Ja. Und insofern ist er eine tragische Figur, oder noch besser: ein tragischer Antiheld, mit Wozzeck vergleichbar. Alviano ist kein Opfer. Ich finde es als Idee sehr mutig, so eine Figur auf die Bühne zu stellen.
Eines der Vorbilder für die Figur Alviano war Karl Hetmann aus Wedekinds Theaterstück Hidalla.
Dieses Stück hat mich absolut fasziniert, doch leider hat Schreker dessen groteske Farbe nicht übernommen. Dieser Karl Hetmann ist eine Art Mischung aus Freud, Trotzki, Lenin, Nietzsche und vielen anderen. Er wird als ein unansehnlicher Mann beschrieben, als eine Art Prophet oder Guru. Seine Vision ist es, ein Institut zur Züchtung von Rassemenschen zu erschaffen, wo die Promiskuität Pflicht ist und als Resultat zukünftige Schönheit entstehen soll. Er selbst, der hässliche Mann, verweigert sich jedoch dem weiblichen Geschlecht. Karl muss schliesslich ins Gefängnis, wird wieder entlassen, und am Schluss taucht ein Zirkusdirektor auf, der ihm eine Stelle als dummer August, als Clown in seinem Zirkus anbietet. Da hängt sich dieser Karl auf. Das alles klingt wie eine aberwitzige Idee, aber das Schaurige daran ist der prophetische Gehalt von Wedekinds Groteske: Die im Stück als krankhaft entlarvten Ideen erkennen wir später in Form realpolitischer Ideen der Nazis wieder.
Eine weitere Schrift, die viele prominente Intellektuelle und Künstler der damaligen Zeit beeinflusste, darunter wohl auch Schreker, war Otto Weiningers Geschlecht und Charakter.
Ein durch und durch misogynes, pseudowissenschaftliches und obendrein selbsthassendes, antisemitisches Pamphlet des Juden Weininger, der sich nach Erscheinen seiner Schrift selber ein grausames Ende bereitet hat. Seine abstrusen Ideen bereiteten später durchaus auch den Boden für die Gesinnung der Nazis. Das macht ja auch einen Teil der Faszination der Gezeichneten für uns heute aus: Wir kennen den Verlauf der Geschichte. Und genauso können wir nachvollziehen, dass eine Figur wie Alviano, so bemitleidenswert er auch ist, unter gewissen Umständen zu einem furchtbaren Bösewicht werden könnte. Das ist eben das Zwiespältige an ihm. Hier sehe ich auch grosse Parallelen zu Alberich und Mime aus Wagners Ring des Nibelungen.
Eine letzte Frage: Du hast dich gemeinsam mit Barrie Kosky für radikale Striche in diesem Stück entschieden. Warum?
Man kann diesem Stück nicht so begegnen wie einem Meisterwerk von Alban Berg oder einer Oper von Puccini, wo jede Note Sinn hat. Hier sind einige Noten an ihrem Ort, andere nicht. Schreker war kein Berg oder Schönberg, das müssen wir uns klarmachen. Er macht es einem musikalisch und szenisch nicht immer einfach, so interessant das Stück auch ist. Wir erlauben uns deshalb einige Kürzungen vorzunehmen, so dass die Hauptthemen stärker in Erscheinung treten, und die Nebenthemen, die nicht relevant sind, ausgeblendet werden. Manchmal gibt es Wortschwälle, die Schreker nicht stoppen kann. Da greifen wir ein und spitzen etwas zu.
Das Gespräch führte Kathrin Brunner.
Foto von Sheila Rock.
Dieser Artikel ist erschienen in MAG 61, September 2018.
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«Die Gezeichneten» - Barrie Kosky & Vladimir Jurowski im Gespräch
Volker Hagedorn trifft...
John Daszak
Ein guter Schauspieler ist auf der Bühne ein ganz anderer als der, den man ungeschminkt trifft. Keine neue Erkenntnis, aber manchmal doch frappant, besonders, wenn auch noch die Stimme eine andere wird. Ist dieser Herodes wirklich der Mann, mit dem ich am Tag zuvor auf der Terrasse plauderte?
Dieser getriebene Anzugträger mit glattem dunklem Haar, dieser ölige, ängstliche, lüsterne und machtbewusste Politiker, der kaum noch weiss, wo ihm der Kopf steht, da er den Kopf eines anderen rollen lassen muss? Der mit so biegsamer wie konturscharfer Tenorstimme, in der seine Kraft bebt und seine Verzweiflung flattert, diese Enthauptung zu umgehen versucht?
Ein guter Schauspieler ist auf der Bühne ein ganz anderer als der, den man ungeschminkt trifft. Keine neue Erkenntnis, aber manchmal doch frappant, besonders, wenn auch noch die Stimme eine andere wird. Ist dieser Herodes wirklich der Mann, mit dem ich am Tag zuvor auf der Terrasse plauderte? Dieser getriebene Anzugträger mit glattem dunklem Haar, dieser ölige, ängstliche, lüsterne und machtbewusste Politiker, der kaum noch weiss, wo ihm der Kopf steht, da er den Kopf eines anderen rollen lassen muss? Der mit so biegsamer wie konturscharfer Tenorstimme, in der seine Kraft bebt und seine Verzweiflung flattert, diese Enthauptung zu umgehen versucht?
John Daszak wirkt ohne Kostüm zehn Zentimeter grösser als der Herodes, als der er in Salzburg auf der riesigen Bühne der Felsenreitschule agiert, und sehr offen. Er hat ein mächtiges kahles Haupt, ein starkes Kinn und ein sonniges Wesen, und da er sommerliche Dreiviertelhosen und grobe Schuhe trägt, könnte er auch einen Campingplatz leiten, wäre nicht seine Stirn philosophisch hoch und sein baritonales Sprechen viel zu entspannt für einen, der etwas leitet, ob es nun ein Campingplatz ist oder ein Krisengebiet im Nahen Osten zur Zeit des Jesus von Nazareth. «Herodes», sagt er, «war in den letzten Jahren die erste neue Rolle, bei der ich dachte, den kannst du wirklich erforschen, jahrelang».
Natürlich kann er entspannt sein. Die Premiere der neuen Salzburger Salome liegt gerade hinter ihm, und nicht nur die sensationelle junge Asmik Grigorian in der Titelrolle ist bejubelt worden. Als ich John auf englisch vorlese, was der Kritiker Jürgen Kesting über seinen Herodes schreibt – er sei verführerisch und eklig zugleich – , meint er: «Das ist genau, was ich machen wollte. Fantastisch. Ich bin froh, dass er das bemerkt hat.» Früher habe er gedacht, die Rolle sei etwas für einen alten Burschen, einen stimmlich schon begrenzten Charaktertenor. «But he’s a real character», sagt John, «nicht sympathisch, aber toll zu spielen». Er wird oft für so gebrochene Typen besetzt, «ich steige gern in diese Charaktere ein».
Das tut er ganz. Als sich in Salzburg ein Felsklotz auf die gefesselte Salome herniedersenkt – eine sehr andere Art des SichAuslieferns, als man sie vom Schleiertanz der Prinzessin kennt –, steht der begehrende Stiefvater tonlos am Rand, aber mit so brennender Intensität, als nehme er schon Abschied von ihr. Es ist eher dieses Schauen des Herodes als der Felsklotz selbst, das einen in Spannung hält. Viele psychologische Details haben die Solisten selbst entwickelt. «Romeo Castellucci arbeitet nicht wie ein Opernregisseur», sagt John. «Er kommt vom Visuellen. Er wollte uns zuerst mit neutralen Gesichtern und bestimmten Gesten. In diesen statischen Rahmen haben wir irgendwann unsere eigenen Charakterisierungen reingebracht. Er lehnte das nicht ab.» Zugleich findet er Castelluccis Ästhetik inspirierend: «Kunst bedeutet, die Grenzen zu verschieben. Wenn man sein Publikum nicht dazu bringt, Fragen zu stellen, macht man keine Kunst. Das ist dann kommerzielle Unterhaltung.»
John ist offenherzig, und vielleicht hängt das mit seiner Herkunft zusammen, die man seinem Englisch auch anhört: Manchester. Dort wurde er vor fünfzig Jahren in eine Arbeiterfamilie geboren, in der zwei Welten vereint waren: die des Bogdan Daszak, «Daschak» gesprochen, eines 42jährigen Ukrainers, den es nach dem Zweiten Weltkrieg ins Vereinigte Königreich verschlagen hatte, und seiner walisischenglischen Frau, «nicht sehr gebildet, aber sehr intelligent», die es ernst nahm, als ihr Sohn mit fünf Jahren Geige lernen wollte. Als man ihr erklärte, das sei zu früh, sagte sie: «What about Mozart?» Der Junge bekam Unterricht, mit sieben war er nach Ansicht der Lehrerin reif für eine Karriere.
Mit einem Stipendium kam John an die Chetham’s School of Music, eine Spezial schule für Hochbegabte in Manchester. Als er sie mit achtzehn verliess, war aus dem vielversprechenden Geiger ein ambitionierter Tenor geworden, der auch Klavier und Kontrabass spielte und Musik «wie eine Sprache beherrschte, die man flüssig spricht. Mir war das damals gar nicht klar. Aber ich kann mich wegen dieser Ausbildung mit einer SchönbergPartitur hinsetzen und meine Rolle fast vom Blatt singen, auch ohne absolutes Gehör. Das ist wichtig für das Repertoire, das mich jetzt so sehr interessiert, Deutschland zwischen 1910 und 1940.» Mit achtzehn sah sich John bereit für die grosse Karriere, erzählt er glucksend. Stattdessen landete er in London im Gefängnis. So hat er die altehrwürdige Guildhall School erlebt. «Jeder Auftritt draussen wurde unterbunden, wir sollten hinter geschlossenen Türen das Handwerk lernen. So depressing! Mit meinem Lehrer sang ich nur Phrasen von Liedern.» Genau darum sei er nie richtig zum Liedgesang gekommen, der Opernsängern doch gut tue: «Oper ist nur die Erweiterung des Liedes – es geht um Worte und um Kommunikation.» Letztere entfiel an der Themse auch sozial, weil die Kommilitonen so weit auseinander wohnten. Nach zwei Jahren war er kurz davor, die Sängerträume aufzugeben.
Die Rettung war das Royal Northern College of Music im vertrauten Manchester. Freunde, Auftritte, Platz zum Üben, Kneipen zum Quatschen! Eine Bitternis hielt London aber noch bereit, nämlich das Vorsingen bei Norbert Balatsch, dem Herrn der Chöre von Bayreuth. «Ein kleines Zimmer, ein Lied... sorry, wir haben keine Arbeit für Sie!» Fünfundzwanzig Jahre später wurde er als Loge nach Bayreuth geholt, hat Castorfs Sicht auf den Ring «erheiternd» gefunden und sich ein Haus mit Iain Paterson geteilt, der als Kurwenal debütierte – noch einer aus der «working class», wie John stolz vermerkt.
Aber wie geht es ihm, der knappe Verhältnisse kennt und soziale Ungleichheit, als Solist bei Festspielen, deren Besucher auch mal 600 Euro für ein Ticket hinlegen? «That’s life», sagt er ernst, «alles ist relativ. Meine Eltern arbeiteten sehr hart, aber mein ukrainischer Vater wusste es zu schätzen, dass er Bürger des UK sein durfte und nicht der Sowjetunion. Freiheit kann man nicht kaufen.» Seine Frau, ebenfalls Sängerin, hat zur Hälfte äthiopische Wurzeln, und gemeinsam haben sie vor zwei Jahren ihre Verwandten besucht. «Sie haben einen Stock, ein Tuch, eine Ziege, sie gehen ohne Schuhe wie in biblischen Zeiten», sagt er, «aber sie sind grosszügig, liebevoll, fürsorglich». Er will damit auch sagen, dass Armut nicht überall den Verlust der Würde bedeutet.
John Daszak erzählt vom Schloss Leopoldskron, offen für Studenten aus aller Welt. «Das hat ein Erzbischof mit dem Geld gebaut, das er machte, indem er 22 000 Protestanten aus Salzburg vertrieb. Jetzt gibt dieser Palast wenigstens etwas zurück an die Allgemeinheit.» «Bad guys können einen guten Geschmack haben», meine ich. «Absolutely!» Das ist ja, unter anderem, auch ein Thema in Schrekers Die Gezeichneten, wo kriminelle Adlige eine künstliche Trauminsel für ihre Exzesse missbrauchen, bis deren Erbauer Alviano die Insel der Stadt Genua schenkt. Diesen Alviano wird in Zürich John Daszak spielen, wieder eine gebrochene Figur, «voller Selbstzweifel, innen schön und aussen hässlich … Aber ich weiss nicht, wie Barrie Kosky das interpretieren wird.» Er kennt und mag den Regisseur, seit er als Aron in Schönbergs Oper einsprang, sechs Tage vor der Premiere, «und ich musste noch Zaubertricks lernen!»
Solche Himmelfahrtskommandos bringen ihn nicht aus der Ruhe. Eher die Weltlage. Kann die Kunst etwas ändern? «Kunst berührt die Leute. Bringen Sie unruhige Kinder in eine Opernprobe, sie werden still und fasziniert sein. Aber Kunst ist immer auch für Propaganda benutzt worden, sie kann zum Schlechten führen. Schon das zeigt ja, dass sie die Kraft zum Verändern hat.» In einem Punkt ist John Daszak dann doch identisch mit seinem Herodes: Der weiss viel mehr, als was in den Noten steht. So resigniert, so traurig, wie er den Befehl zur Enthauptung des Propheten Jochanaan gibt, hat man das noch nie gehört.
John Daszak stammt aus Grossbritannien. Er war unlängst als Herodes in der «Salome» von Richard Strauss bei den Salzburger Festspielen zu erleben. Weitere wichtige Stationen der jüngeren Zeit waren u.a. sein Debüt bei den Bayreuther Festspielen 2015 als Loge («Das Rheingold») unter Kirill Petrenko sowie Rollendebüts als Captain Vere («Billy Budd») an der New Yorker Met, in der Titelrolle von Zemlinskys «Der Zwerg» an der Bayerischen Staatsoper und als Tambourmajor («Wozzeck») an der Berliner Staatsoper unter Daniel Barenboim wie auch in Salzburg unter Vladimir Jurowski. Den Alviano Salvago in Schrekers «Die Gezeichneten» verkörperte er bereits in der vergangenen Spielzeit an der Bayerischen Staatsoper.
Text von Volker Hagedorn.
Foto von Robert Workman.
Dieser Artikel ist erschienen in MAG 61, September 2018.
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Essay
Gäbe es einen Giftschrank für Opern, in dem die wirksamsten und gefährlichsten Drogen aufbewahrt werden, die Phiole mit Franz Schrekers Die Gezeichneten würde darin einen besonderen Platz einnehmen – als sagenumwobenes Rauschmittel, von dem Süchtige in den höchsten Tönen schwärmen. Die Farbe des Schreker-Elixiers müsste man sich so vorstellen: giftgrün schimmernd, durchzogen von tiefroten Blutschlieren. Das Werk gilt als eine Art «grüne Witwe» der Operngeschichte: Farb-Klang-Absinth, der vor allem in den ersten Jahren nach der Uraufführung extreme Verfallenheit beim Publikum auslöste. Die Ingredienzen, die Schreker in dieser Oper mischt, sind Sehnsucht nach dem Kunstschönen, Sinnenrausch, Erotomanie, Gewalt und Perversion. Der Stoff führt tief hinab in die Abgründe der menschlichen Triebe, und die Musik überflutet das Geschehen mit phantasmagorischer Opulenz.
Die Handlung erzählt vom verkrüppelten Edelmann Alviano Salvago, der sich – seine Hässlichkeit kompensierend – auf einer Insel vor den Toren Genuas den Traum von einem Garten Eden der Künste verwirklicht hat. Es ist ein Elysium entgrenzter Lustbarkeiten, das er selbst allerdings nie betritt. Eine brutale Männerclique aus Genueser Adeligen hingegen nutzt die Insel heimlich, um in den Katakomben Sexorgien zu feiern und geraubte junge Bürgerstöchter zu schänden. Als Alviano seine Kunstinsel der Öffentlichkeit zugängig macht, wird das skandalöse Treiben entdeckt. Die weibliche Hauptfigur der Oper ist die Künstlerin Carlotta, die den missgestalteten Alviano in ihrem Atelier dazu gebracht hat, ihr Modell zu stehen. Sie gibt vor, ihn zu lieben, nutzt aber seine Hässlichkeit nur als Inspiration für ihre Kunst aus. Carlotta lässt ihn fallen, nachdem sie ihr Kunstwerk vollendet hat, und gibt sich am Ende Vitelozza Tamare hin, dem gewalttätigen Anführer der Frauenschänder-Bande.
Die Gezeichneten wurden 1918 in Frankfurt uraufgeführt und gingen anschliessend mit dem Nimbus der anstössigen Skandaloper sehr erfolgreich über viele Bühnen in Deutschland, bevor andere musikalische Strömungen der Zeit – die neue Sachlichkeit, die Avantgarde der Zweiten Wiener Schule – und endgültig die nationalsozialistische Kunstpolitik die Musik Franz Schrekers in die Vergessenheit drängten. 1979 dann haben der Dirigent Michael Gielen und der Regisseur Hans Neuenfels das Interesse an der Oper mit einer aufsehenerregenden Produktion (wiederum in Frankurt) wiederbelebt und den Kultcharakter des Stücks neu befeuert.
Den heissen Kern der Geschichte sahen die Interpreten immer wieder in den wüsten Triebdurchbrüchen der Genueser Adelsgesellschaft und der finalen Lust-Gewalt-Orgie. Hans Neuenfels etwa zeigte in Frankfurt Sadomasolust in grellen Bildern. Der Regisseur Martin Kušej inszenierte den dritten Akt vor sechzehn Jahren in Stuttgart als Massensextableau mit einem rammelnden Chor in Unterwäsche. Die Interpreten nutzten die erotischen Obsessionen, die dem Stück innewohnen, um den perversen Untergrund einer scheinbar wohlgeordneten Gesellschaft zutage zu fördern. Solcher Enthüllungseifer läuft allerdings in Theaterzeiten, in denen die bizarrste Schmerzlust auf der Bühne längst ausgekostet und noch dass üppigste Blutbad genommen ist, ins Leere. Mit der drastischen Darstellung von Orgien kann man Schrekers Oper heutzutage kaum mehr beikommen. Was freilich nicht heisst, dass Die Gezeichneten ihre Faszinationskraft insgesamt eingebüsst hätten. Dafür reflektiert das Stück viel zu beziehungsreich über Kunst, Schönheit, Geschlechterrollen, Lust und Neurose. «Die Grammatik des Unbewussten», die der österreichische Komponist Gösta Neuwirth in einem Essay aus Schrekers Werk herauslas, verbindet schillernd Vieles mit Vielem.
Das Vage und Zwittrige ist ein generelles Kennzeichen von Schrekers Werken. Literarisch kombinieren Die Gezeichneten Frank Wedekind, Nietzsche und De Sade, die veristische Kolportage und das Traumdenken von Sigmund Freud. Die Musik amalgamiert heterogenste stilistische Einflüsse von Wagner, Debussy, Ravel, Puccini und anderen. Und doch findet sie frei flutend und fluktuierend zu einem ganz eigenen Ton. Seltsam konturenschwach in ihrem motivischen Material ist sie dabei, dafür umso schwelgerischer und aufwendiger in der Instrumentation und der Nuancierung der Klangfarben, bis an die Grenze zur Übersättigung. Theodor W. Adorno sprach in seinem Schreker-Aufsatz von «der eigentümlichen Übersinnlichkeit des Sinnlichen» und prägte den schönen Begriff von einer «Musik, die Luftwurzeln» treibe.
Schreker hat sich mit dieser Art zu komponieren angreifbar gemacht und wurde dementsprechend von allen erdenklichen Seiten scharf kritisiert. Den Vertretern der Neuen Sachlichkeit war er zu schwülstig und manieristisch, die Protagonisten der Zweiten Wiener Schule fanden seinen Stil rettungslos veraltet, selbst Schüler wie Ernst Křenek mokierten sich über die Kunstgewerblichkeit im Schaffen ihres Lehrers. Der allseits ätzende Komponistenkollege Hans Pfitzner fand als strammer Verfechter des musikalischen Einfalls Schrekers Unbestimmtheit nur «impotent». Er sah in ihr die «Unfähigkeit, wahrhaft zu zeugen und zu gebären». Das Urteil der Nationalsozialisten, die Schreker in der Ausstellung «Entartete Kunst» präsentierten, lautete: «Es gab keine sexualpathologische Verirrung, die er nicht unter Musik gesetzt hätte.»
Auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in dem Schreker zunächst in völlige Vergessenheit geraten war, ist grundlegende Kritik an seinem Komponieren nie ganz verstummt, bei gleichzeitig zunehmender Begeisterung für seine Opern, die mit deren Wiederentdeckung einsetzte. Aus heutiger Sicht möchte man die These wagen, dass genau diese Angreifbarkeit eine starke Kraftquelle und Qualität in Schrekers Œuvre ist: Dass seine Werke so viele offene Flanken bieten; dass der Komponist sich nicht darum scherte, ob seine Musik den Seriositätsansprüchen der Zeit entsprach; dass er ausschliesslich seiner Intuition und seinen Obsessionen folgte und bereit war, sich zwischen alle Stühle zu setzen. Nichts in seiner Musik ist strukturell abgesichert wie etwa in den Werken Alban Bergs. Die tiefen Gräben zwischen dem Erhabenen und dem Trivialen interessierten ihn nicht, weswegen er manchem – wie etwa dem Regisseur Barrie Kosky – heute wie ein früh genialer Hollywood-Komponist vorkommt. Franz Schreker war auf eigenwillige Weise Freigeist und Extremist. Nicht zuletzt aus dieser Unabhängigkeit erwächst die überzeitliche Faszination, die von seinen Opern ausgeht.
Man staunt beispielsweise darüber, welche Bedeutung Schreker der Kunst beimisst. In utopische Wunscherfüllungshöhe hebt er sie. Mit realitätszersetzender und weltverändernder Macht stattet er sie in seinen Opern aus, die allesamt um eben diese Kunst und ihre Wirkungsmacht kreisen, sei es Der ferne Klang, hinter dem der Komponist Fritz in der gleichnamigen Oper herjagt, oder das geheimnisvoll mystische Glockenspiel in Das Spielwerk und die Prinzessin, das als universale Beglückungsmaschine den vollendeten Wohlklang und die Reinheitstöne der menschlichen Liebe zu produzieren vermag, in das sich aber satanische Gegenklänge und Misstöne der Wollust eingeschlichen haben.
In den Gezeichneten ist der Bürgermeister von Genua beim Betreten von Alvianos Elysium ganz verzückt von den Kunstwundern, die er schaut – von «Farben, Düften, Tönen und holden Gestalten». Sie zeigen, so der Bürgermeister, «den Himmel, so nah und berückend, dass wir unfroh werden der Erde.» Diesem totalen Alltagsentrückungsanspruch an die Kunst versucht Schreker in seiner Musik mit Übersollerfüllung gerecht zu werden. Das erklärt den immensen Aufwand, den der Komponist mit seinen Riesenorchestern und dem hochgefahrenen Klangrausch betreibt: Er muss alles (und noch mehr) aufbieten, um eine Entsprechung für die überirdischen Kunstsphären zu schaffen, die er in seinen Opern imaginiert. Schreker spiegelt sich in seinen Stoffen immer auch selbst in seinem Ringen mit und seinem Scheitern am Künstlersein.
Die Wirkungsmacht der Kunst greift in den Schreker-Opern so weit aus, dass sie vor dem Leben nicht halt macht. In den Gezeichneten schlägt entgrenzte Fantasie am Ende in orgiastische, gefährliche Wirklichkeit um. Auf Alvianos Insel wird Kunst nicht nur geschaut, in den Katakomben finden Rituale der Ausschweifung statt. Hinter diesem Umschlag steht die gleiche Sehnsucht, von der in der Bildenden Kunst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Wiener Aktionisten von Günter Brus bis Hermann Nitsch und Performancekünstler von Marina Abramović bis Christoph Schlingensief beseelt waren, nämlich den Akt des schöpferischen Schaffens in die Wirklichkeit zu erweitern und die Grenzen zwischen Kunst und Leben aufzulösen. Die Aktionisten machten den eigenen Körper zum Gegenstand ihrer Kunstprojekte und standen mit eigener Haut und Nacktheit für ihre Kunst ein. In diesem Sinne führt eine inhaltliche Linie direkt von Schrekers fiebriger Kunstvision zur Körperkunst unserer Tage.
Das Problem der Beglaubigung von Kunst durch den Körper ist in den Gezeichneten eine zentrales Motiv. Die Stigmatisierung, die der Operntitel benennt, ist eine körperliche. Alviano ist missgestaltet, die Künstlerin Carlotta hat eine kränkelnde Physis aufgrund eines angeborenen Herzfehlers. Beide können ihre (sexuellen) Sehnsüchte nicht leben, weil ihre körperliche Disposition es ihnen nicht erlaubt. Deshalb projizieren sie sie in die Kunst, Carlotta, indem sie «Seelen malt», Alviano indem er sich eine Insel der Schön heit schafft, die er selbst nicht betritt. Die Kompensation unterdrückter Triebe durch Ersatzhandlungen ist klassischer Sigmund Freud, der in Schrekers Oper Theater wird. Alviano delegiert den Genuss an seine virilen Kumpane. Deren Anführer, der kraftstrotzende nietzscheanische Übermensch Tamare, erscheint wie eine Art Wunsch-Alter ego Alvianos.
Der Kulturwissenschaftler Robert Pfaller hat solchen Verzicht vor einigen Jahren in seinem Buch Interpassivität. Studien über delegiertes Geniessen als ein Phänomen unserer Gegenwart beschrieben. Durch symbolische Ersatzhandlungen ersparen wir uns die reale Handlung. Hinter dem Wunsch nach Interpassivität steht die Angst, die die Konfrontation mit dem eigenen Geniessen verursacht. Das Subjekt begnügt sich mit einer delegierten Form des Empfindens, die es vor echter Anteilnahme schützt. Carlotta hingegen geht einen anderen Weg. Sie überschreitet am Ende die Grenze zum Leben. Sie betritt die Sünden-Katakomben und gibt sich Tamare hin. Sie steht mit ihrem Körper ein für ihre Sehnsüchte – und kommt in deren Erfüllung um.
Ist das alles darstellbar auf einer Opernbühne? Schrekers Die Gezeichneten erzählen immerzu von einem machtvoll nach aussen drängenden Innen brodelnder menschlicher Triebe, sind Angstlust- Phantasma, Psychothriller und Hysteriestudie in einem. Jeder Schreker-Regisseur muss sich einer Tatsache bewusst sein: Die Musik ist stets viel halluzinatorischer, als es reale Bilder auf einer Bühne je sein können.
Der Text stammt von Claus Spahn, Chefdramaturg am Opernhaus Zürich.
Dieser Artikel ist erschienen in MAG 61, September 2018.
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Die Skulpturen in «Die Gezeichneten»
Mit freundlichem Dank an die «Fondazione Canova, Gypsotheca e Museo Antonio Canova»
In unserer Neuproduktion der «Gezeichneten» von Franz Schreker sind 19 Skulpturen des Bildhauers Antonio Canova zu sehen, die in der kleinen, aber feinen «Gypsotheca e Museo» in Possagno ausgestellt sind. Wie aber bringt man sie auf die Bühne? In Italien wurden sie fotografiert, nach diesen Vorlagen in unserer Theaterplastik aus Styropor geschnitzt und detailgetreu nachgebildet. Für jede Skulptur haben unsere Plastiker ca. sechs Wochen gebraucht.
Meine Rolle
Ein besonderer Blick
Die amerikanische Sopranistin Catherine Naglestad ist in Zürich keine Unbekannte: so sang sie hier Tosca, Minnie («La fanciulla del West»), Salome und Santuzza («Cavalleria rusticana»). 2006 wurde sie in Stuttgart zur Kammersängerin ernannt und von der Zeitschrift «Opernwelt» zur Sängerin des Jahres gewählt. Unlängst war sie als Salome und Tosca an der Deutschen Oper Berlin, als Tosca zudem in Wien und als Carlotta («Die Gezeichneten») an der Bayerischen Staatsoper zu Gast.
Die Carlotta in Die Gezeichneten war für mich zunächst keine richtige Traumpartie. In meiner Meinung über dieses Stück war ich allerdings beeinflusst von den Inszenierungen, die ich bisher gesehen hatte; es gibt viele Fallen in diesem Stück, in die ein Regisseur leicht hineintappen kann. Die Partitur hatte ich nie wirklich studiert, bis zu dem Moment, als das Angebot von der Bayerischen Staatsoper München kam. Seit ich die Partie besser kenne, bin ich fasziniert von dieser Frau, an der ich immer neue Facetten entdecke. Durch ihre Krankheit, ein gefährliches Herzleiden, verfügt sie über eine ganz besondere Sensibilität und kann anderen Menschen bis tief in die Seele schauen; sie sieht viele Dinge, die den meisten anderen verborgen bleiben. Im zweiten Akt ahnt sie sogar ihren eigenen Tod voraus; sie weiss, dass sie qualvoll sterben wird, und dass ihr nicht mehr viel Zeit zum Leben bleibt. Ich finde es sehr wichtig, diese Facette der Figur ernst zu nehmen. Tut man das nicht, verliert man die Empathie zu ihr.
In dem körperlich deformierten Alviano hofft sie, endlich einen Seelenverwandten gefunden zu haben; wie sie ist auch er ein Aussenseiter der Gesellschaft. Carlotta glaubt, dass er wegen seines körperlichen Leidens auch ihr Leiden verstehen kann. Gleichzeitig benutzt sie ihn aber auch als Inspirationsquelle für ihre Kunst – sie ist Malerin – und versucht, seine Seele in ein Kunstwerk zu bannen. Doch er enttäuscht sie; er ist nicht das, was sie sich erhofft hatte. Diese Erkenntnis führt bei ihr zu einer schweren seelischen Krise, weil sie sich selbst die Schuld gibt für diese Enttäuschung. Dadurch ist sie empfänglich für «ein mächtig Geschehen, irgend ein sinnbetörender Zauber, dem sie erliege» …
Dieses Stück kann auf der Bühne auch hässlich oder sogar lächerlich wirken und ist vollkommen abhängig von seinen Interpretinnen und Interpreten. Die Zusammenarbeit mit Vladimir Jurowski und Barrie Kosky ist wunderbar, es ist ein ständiges Geben und Nehmen. Sowohl die musikalische als auch die szenische Interpretation ist ganz anders als in München, wo ich die Partie ja vor kurzem gesungen habe; das Stück ist offen für viele Interpretationen. Ich musste mich zu Beginn der Proben natürlich umstellen, auch, weil unsere Fassung hier in Zürich eine ganz andere ist. Und die Partie ist nicht einfach zu singen; man muss grosse Ausbrüche fast wie bei einer Isolde bewältigen und gleichzeitig locker bleiben, um die gigantische Menge von Text verständlich artikulieren zu können. Es ist mir gelungen, mich sehr schnell auf Barries Sicht auf dieses Stück einzulassen, die mir sehr gefällt. Seine Inszenierung zeigt zwar die Gewalt, denen die jungen Frauen hier ausgesetzt sind, nicht konkret, aber sie beschönigt auch nichts; das finde ich sehr wichtig.
Foto von Tanja Niemann.
Dieser Artikel ist erschienen in MAG 61, September 2018.
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Wie machen Sie das, Herr Bogatu?
Kurz vor dem Durchdrehen
Ein Blick hinter die Kulissen und in die Welt der Bühnentechnik von «Die Gezeichneten». Der technische Direktor am Opernhaus Zürich, Sebastian Bogatu, gibt Auskunft über starke Motoren, flehende Anrufe und Skulpturen, die sich wie Plattenspieler um die eigene Achse drehen sollen.
Für Die Gezeichneten wurden wir vor die Aufgabe gestellt, fünfzehn bis zu vier Meter hohe Skulpturen herzustellen, die sich ferngesteuert auf ihren Sockeln um die eigene Achse drehen sollen – im Prinzip wie auf einem Plattenspieler. Zusätzlich sollten die Sockel mit den Figuren schnell an jeden beliebigen Ort auf der Bühne verschoben werden können, so dass eine Stromversorgung und Steuerung mit Kabeln nicht in Frage kam. Eine Recherche im Internet brachte uns auf Antriebe, die man mithilfe unseres Lichtsteuerpultes drehen lassen kann. Ein Anruf bei dieser Firma ergab, dass das stärkste Modell für unsere Aufgabe perfekt geeignet sei: Aus den Antrieben stehe ein drehender Teller heraus, auf dem wir die Skulpturen direkt montieren können, die Tragkraft sei hoch genug. Der Preis stimmte, und wir bestellten diese Antriebe. Als Stromversorgung bauten wir in jeden Sockel einen Akku und für die Steuerung einen Empfänger ein, der die Steuerbefehle von unserem Lichtpult per Funk empfangen konnte. Aufgrund von Lieferschwierigkeiten kamen die Antriebe sehr knapp, aber gerade noch rechtzeitig zur ersten Bühnenprobe an. Wir bauten sie in die Sockel ein, schlossen die vorbereiteten Akkus und Empfänger an, setzten die Skupturen auf den Teller und unser Lichtpult-Operator gab den Motoren den Befehl zum Drehen.
Dann die grosse Enttäuschung: nur ein Teil der Skulpturen drehte sich. Es stellte sich heraus, dass die Motoren zwar stark genug waren, um auch die schwerste Figur zu tragen, aber nicht, um diese zu drehen … Wütende, enttäuschte und flehende Anrufe bei der Firma halfen nicht weiter: Wir mussten für die vier grössten und szenisch wichtigsten Skulpturen eine neue Lösung finden. Stärkere Motoren mussten her; doch diese zu finden, war alles andere als leicht, mussten sie doch ins bereits bestehende Einbaumass passen. Die Versorgungsspannung und Ansteuerung konnten wir auch nicht einfach ändern und vor allem: die Drehzahl musste stimmen, denn eine Figur, die sich mit der Geschwindigkeit einer Bohrmaschine um die eigene Achse dreht, ist wenig poetisch … Dank dem Internet fanden unsere Maschinisten stärkere Motoren mit passendem, langsam drehenden Getriebe, die wir in das Gehäuse der vorhandenen Antriebe einbauen konnten. Um die Drehteller mit den Motoren zu verbinden, brauchte es dann noch je eine passende Kette und Zahnräder – alles Arbeiten und Einkäufe, die unter höchstem Zeitdruck passierten, da die Figuren zur nächsten Probe wieder auf der Bühne sein mussten. Auf der Probe dann wieder Ernüchterung: Die Figuren drehten zwar wunderbar langsam, doch der Kettenantrieb und das Getriebe erzeugten zusammen mit den Holzpodesten als Resonanzkörper einen viel zu hohen Lärmpegel, und uns war klar: So geht das an Stellen mit leiser Musik niemals. Inzwischen wurde die Zeit richtig knapp…
Ein weiteres Mal wurde das Internet nach Antrieben durchsucht, und wir stiessen auf einen Erfinder aus Brugg, der Drehscheiben für Warenpräsentationen herstellt. Ein Anruf ergab, dass diese sehr leise und sehr drehfreudig sein sollten und dass er sie am Wochenende für uns herstellen könnte (!). Also bauten wir die vier Sockel so um, dass wir die neuen Drehscheiben verwenden konnten. Den Prototyp dazu entwickelten die Schlosser und Schreiner am Wochenende. Immer wieder stiess man auf neue Probleme, doch am Ende eines langen Samstags drehte sich eine Figur lautlos und majestätisch langsam um sich selbst. Nun blieben noch anderthalb Tage, um die anderen drei Sockel genauso umzubauen – in der Metallwerkstatt flogen die Funken, und zur Orchesterhauptprobe drehten sich alle Figuren lautlos. Endlich! Einen riesigen Dank an Stefan (Maschinist), Stergios und Samuel (Beleuchtungswerkstatt), Daniel und Giacomo (Schreinerei) sowie Marco und Manolo (Metallwerkstatt) !!!
Dieser Artikel ist erschienen in MAG 62, Oktober 2018.
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Die Gezeichneten
Synopsis
Die Gezeichneten
Erster Aufzug
Der reiche, missgestaltete Alviano Salvago ist von Selbstzweifeln zerfressen. Er ist sicher, dass er bei seinen Mitmenschen nur Entsetzen und Abscheu auslöst. Auf einer Insel vor der Stadt Genua hat er sich mit seinem «Elysium» einen Platz überirdischer Schönheit erschaffen; er selbst hat dieses Paradies jedoch nie betreten. Dort feiern seine adligen Freunde im Geheimen wilde Orgien mit entführten jungen Mädchen. Alviano plagen Gewissensbisse. Er hat daher beschlossen, das Elysium den Einwohnern der Stadt zu schenken. Die Männer sind über Alvianos Vorhaben entsetzt, fürchten sie doch das Ende ihres Treibens. Sie hoffen auf ihren Anführer, Graf Vitelozza Tamare, der die Schenkung durch eine Intrige beim Herzog Adorno verhindern soll. Doch Tamare verfolgt eigene Interessen: Er begehrt eine unbekannte Schöne. Wie sich später herausstellt, handelt es sich um die Künstlerin Carlotta Nardi, Tochter des Podestà.
Alviano empfängt den Podestà, der in Begleitung seiner Frau, seiner Tochter Carlotta und Senatoren erscheint, um mit ihm die Formalitäten der Schenkung zu besprechen. Tamare ergreift die Gelegenheit, um sich Carlotta anzunähern, doch sie weist ihn kühl ab. Vielmehr fühlt sich Carlotta, die an einem rätselhaften Herzfehler leidet, von Alviano angezogen. Im Geheimen hat sie be gonnen, ihn in einem ihrer Kunstwerke zu verewigen. Nun bittet sie Alviano, für sie Modell zu stehen, um das Werk beenden zu können. Alviano glaubt, dass sie ihn verspotte, willigt aber ein, nachdem er erkannt hat, dass ihr Anliegen ernst gemeint war.
Zweiter Aufzug
Der Podestà und die Senatoren sind beim Herzog Adorno vorstellig geworden, um ihn um Zustimmung für die Schenkung zu bitten. Doch der Herzog hat Ausflüchte gemacht und um Bedenkzeit gebeten.
Tamare sucht den Herzog Adorno auf und gesteht ihm seine Liebe zu Carlotta. Carlottas Zurückweisung will er nicht hinnehmen, sondern sie sich notfalls mit Gewalt gefügig machen. Doch Adorno ermahnt ihn zur Zurückhaltung, da die Stimmung in der Stadt wegen der verschwundenen jungen Mädchen aufgeheizt sei. Da verrät ihm Tamare das Geheimnis der Lustorgien und bittet ihn, Alvianos Schenkung zu verhindern. Adorno ist gewillt, die Verbrechen zu decken und Alviano die Schenkung vorerst zu verbieten. Auch will er für Tamare bei Carlotta werben.
Carlotta porträtiert Alviano in ihrem Atelier. Sie erzählt ihm von einer Freundin, die nichts als Hände male. Eine Hand habe ausgesehen wie die Hand eines Toten – ein Bild, das sie als Schrei nach Erlösung gedeutet habe. Alviano ahnt, dass Carlotta von sich selbst spricht, von ihrem Schmerz, ihren Ängsten und geheimen Sehnsüchten. Carlottas Geständnis, ihn zu lieben, trifft ihn wie ein Schlag. Alviano überwindet sein Misstrauen und öffnet sich ihr. Carlotta entdeckt in seinen Augen jenen Ausdruck des Glücks, wonach sie bei ihrer Kunst so begierig suchte. Alviano hat den Glauben an sich selbst wiedergefunden.
Dritter Aufzug
Alviano hat sein Elysium der Bevölkerung zugänglich gemacht. Er hört Stimmen. Alviano ruft nach Carlotta. Doch Carlottas Gefühle Alviano gegenüber sind verblasst, seit sie ihr Kunstwerk vollendet hat. Sie folgt Tamare.
Alviano glaubt, Carlotta überall zu sehen und zu hören. Die Huldigungen des Volkes verstärken seinen Wahn zusätzlich. Da erscheint der Capitaneo di giustizia: Der Herzog lasse Alviano wegen Mädchenraub, Verführung und Schändung junger Mädchen anklagen. Das Elysium, eine Hölle des Lasters, solle in Brand gesetzt werden. Der Capitaneo nennt den Kronzeugen des Herzogs: Tamare. Alviano ahnt jetzt, bei wem Carlotta ist.
Alviano begegnet Tamare, den er zur Rede stellt. Doch Tamare lässt ihn wissen, dass sich ihm Carlotta freiwillig und aus Lust hingegeben habe. Alviano tötet Tamare. Er versucht, Carlotta wieder für sich zu gewinnen, doch sie ent ziehtsich ihm. Sie verlangt nach Tamare. Alviano wird vollends vom Wahn ergriffen.
Biografien
Vladimir Jurowski, Musikalische Leitung
Vladimir Jurowski
Vladimir Jurowski stammt aus Moskau. Nach seinem Studium an den Musikhochschulen in Dresden und Berlin gab er 1995 sein internationales Debüt beim Wexford Festival sowie mit Nabucco sein Debüt am Royal Opera House Covent Garden in London. 2003 wurde er zum Ersten Gastdirigenten des London Philharmonic Orchestra ernannt, seit September 2007 steht er dem Ensemble als Chefdirigent vor. 2017/18 übernahm er das Amt des Chefdirigenten und Künstlerischen Leiters des Rundfunk Sinfonieorchesters Berlin. Im März 2018 wurde er zum Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper ab der Spielzeit 2021/22 ernannt. Ausserdem ist er Principal Artist des Orchestra of the Age of Enlightenment und Künstlerischer Leiter des Russian State Academic Symphony Orchestra. 1997–2001 war er Erster Kapellmeister an der Komischen Oper Berlin, 2000–2003 Erster Gastdirigent am Teatro Comunale di Bologna, 2005–2009 Erster Gastdirigent beim Russian National Orchestra und 2001–2013 Musikalischer Leiter der Glyndebourne Festival Oper. Vladimir Jurowski gastiert bei den führenden Orchestern Europas und Nordamerikas, darunter die Berliner und Wiener Philharmoniker, das Concertgebouw Orkest Amsterdam, das New York Phiharmonic, das Tonhalle-Orchester Zürich und das Gewandhausorchester Leipzig. Opernengagements führten ihn u.a. an die New Yorker Met, Opéra National de Paris, Mailänder Scala, Bolschoi-Theater und an die Semperoper Dresden. Höhepunkte der jüngsten Zeit waren Moses und Aron an der Komischen Oper Berlin, Der feurige Engel an der Bayerischen Staatsoper, die Uraufführung von Brett Deans Hamlet in Glyndebourne sowie sein Debüt bei den Salzburger Festspielen mit Wozzeck. 2017/18 dirigierte er u.a. Enescus Oper Oedipe in London und Bukarest sowie Boris Godunow an der Pariser Oper.
Giedrė Šlekytė, Musikalische Leitung
Giedrė Šlekytė
In Vilnius geboren, besuchte Giedrė Šlekytė das Nationale Mikalojus Konstantinas Čiurlionis Kunstgymnasium. Sie studierte Dirigieren an der Kunstuniversität Graz, der Hochschule für Musik und Theater Leipzig sowie an der Zürcher Hochschule der Künste. Als international gefragten Gastdirigentin arbeitete sie u. a. mit den Münchner Philharmonikern, dem Swedish Radio Orchestra, hr-Sinfonieorchester Frankfurt, Konzerthausorchester Berlin und dem Mozarteumorchester Salzburg. Seit der Spielzeit 2021/22 ist sie dem Bruckner Orchester Linz als Erste Gastdirigentin eng verbunden. Nach ihrem Engagement als Erste Kapellmeisterin am Stadttheater Klagenfurt von 2016 bis 2018 leitete sie Neuproduktionen u. a. an der Komischen Oper Berlin (Káťa Kabanová), der Bayerischen Staatsoper (L’infedeltà delusa), dem Musiktheater an der Wien (Das schlaue Füchslein) und dem Opernballett Vlaanderen (Rusalka, Werther) sowie Wiederaufnahmen u. a. am Opernhaus Zürich (Die Gezeichneten) und der Deutschen Oper Berlin (Rigoletto). In der Spielzeit 2023/24 dirigiert sie eine Neuproduktion von Ariadne auf Naxos an der Royal Danish Opera, gibt ihr Debüt an der Staatsoper Hamburg und kehrt an die Staatsoper Unter den Linden und die Oper Frankfurt zurück. Im Herbst 2019 erschien bei der Deutschen Grammophon die CD Raminta Šerkšnytė, auf der sie das Oratorium Songs of Sunset and Dawn mit dem Lithuanian National Symphony Orchestra dirigiert. Giedrė Šlekytė ist Preisträgerin des Internationalen Malko-Dirigentenwettbewerbs. Sie wurde für den Young Conductors Award der Salzburger Festspiele 2015 wie auch als «Newcomer des Jahres» bei den International Opera Awards 2018 nominiert.
Barrie Kosky, Inszenierung
Barrie Kosky
Barrie Kosky war von 2012 bis 2022 Intendant und Chefregisseur der Komischen Oper Berlin. Er inszeniert u.a. an Opernhäusern wie der Bayerischen Staatsoper, der Pariser Oper, dem Royal Opera House Covent Garden und an der Wiener Staatsoper, bei den Salzburger und den Bayreuther Festspielen, dem Glyndebourne Festival sowie an Schauspielhäusern wie dem Deutschen Theater Berlin und dem Schauspiel Frankfurt. 1996 war er Künstlerischer Leiter des Adelaide Festivals und von 2001 bis 2005 Co-Direktor des Schauspielhauses Wien. An der Komischen Oper Berlin inszenierte er Die Zauberflöte (zusammen mit «1927»), die inzwischen weltweit zu sehen ist und 2019 in mehreren Kategorien mit den australischen Helpmann Awards ausgezeichnet wurde, sowie u.a. Die Nase und Pelléas et Mélisande. Für Aus einem Totenhaus (Staatsoper Hannover) erhielt er 2009 den Theaterpreis «Der Faust», für Castor et Pollux (English National Opera) 2011 den Laurence Olivier Award. 2014 wurde er in der Kategorie «Regisseur des Jahres» mit dem International Opera Award ausgezeichnet und 2016 in der Kritikerumfrage der Opernwelt zum «Regisseur des Jahres» gewählt. Die Komische Oper Berlin wurde in derselben Zeitschrift für die Spielzeit 2012/13 zum «Opernhaus des Jahres» ernannt, 2015 folgte der International Opera Award in der Kategorie «Ensemble des Jahres». Seine Bayreuther Inszenierung Die Meistersinger von Nürnberg wurde 2017 in der Kritikerumfrage der Opernwelt zur «Aufführung des Jahres» gewählt. 2020 kürte ihn die Zeitschrift Die deutsche Bühne zum «besten Opernregisseur». Am Opernhaus Zürich inszenierte Barrie Kosky La fanciulla del West, Macbeth, Eugen Onegin, Die Gezeichneten und Boris Godunow.
Rufus Didwiszus, Bühnenbild
Rufus Didwiszus
Rufus Didwiszus studierte Bühnen- und Kostümbild in Stuttgart bei Jürgen Rose und arbeitet seither als freier Bühnenbildner in Theater-, Opern- und Tanzproduktionen, u. a. mit Barrie Kosky (La Belle Hélène, Die Perlen der Cleopatra und Anatevka an der Komischen Oper Berlin; La fanciulla del West, Die Gezeichneten und Boris Godunow am Opernhaus Zürich; Orphée aux enfers, Salzburger Festspiele; Fürst Igor, Opéra de Paris; Der Rosenkavalier, Bayerische Staatsoper), Thomas Ostermeier (u.a. Shoppen &Ficken in der Baracke des Deutschen Theaters Berlin mit Einladung zum Berliner Theatertreffen und nach Avignon; Der blaue Vogel am Deutschen Theater, Feuergesicht am Schauspielhaus Hamburg, Der Name bei den Salzburger Festspielen und an der Berliner Schaubühne, The Girl on the Sofa beim Edinburgh International Festival und an der Schaubühne, Vor Sonnenaufgang an den Münchner Kammerspielen), Sasha Waltz, Tom Kühnel, Christian Stückl, Stefan Larsson, Tomas Alfredson und Christian Lollike. Seit 2004 entwirft und inszeniert Rufus Didwiszus mit Joanna Dudley eigene Musik-Theater-Performances, u. a. in den Sophiensaelen, an der Schaubühne und im Radialsystem in Berlin sowie im BOZAR in Brüssel. Mit seiner Band «Friedrichs» war er in Der weisse Wolf am Staatstheater Stuttgart zu sehen. Zudem war er als Gastdozent an der Akademie der Bildenden Künste München und an der Kunsthochschule Berlin-Weissensee tätig. Für Christian Spuck entstanden die Bühnenbilder zu Der fliegende Holländer an der Deutschen Oper Berlin, Nussknacker und Mausekönig, Winterreise, Das Mädchen mit den Schwefelhölzern, Dornröschen und Monteverdi beim Ballett Zürich sowie Orlando am Moskauer Bolschoitheater.
Klaus Bruns, Kostüme
Klaus Bruns
Klaus Bruns studierte Bühnenbild und Kostümentwurf am Mozarteum in Salzburg. Seit fast 30 Jahren ist er als Kostümbildner tätig, u.a. an den Schauspielhäusern von Stuttgart, Graz, Frankfurt, Zürich, Köln, Leipzig, dem Burgtheater in Wien, dem Thalia-Theater Hamburg, der Schaubühne und dem Deutschen Theater Berlin sowie dem Residenztheater und den Kammerspielen in München. Eine enge Zusammenarbeit verbindet ihn mit Karin Henkel. In der Oper arbeitet er u. a. mit Barrie Kosky, Michael Talke, Andreas Homoki, Olivier Tambosi, Michael Schulz, Harry Kupfer, Götz Friedrich und Christof Loy, u. a. an den drei Berliner Opernhäusern, der Nürnberger Oper, der Hamburgischen Staatsoper, der Vlaamse Opera Antwerpen, der Bayerischen Staatsoper München, der Oper Leipzig, dem Teatro Regio Turin, dem Theater an der Wien, den Nationaltheatern in Mannheim und Weimar, dem Rossini Opera Festival in Pesaro und der Oper Amsterdam. Mit Barrie Kosky entstanden u. a. Der Ring des Nibelungen an der Staatsoper Hannover, Rusalka, Moses und Aron, Eugen Onegin, Anatevka und Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny an der Komischen Oper Berlin, La fanciulla del West, Macbeth, Die Gezeichneten, Jewgeni Onegin und Boris Godunow am Opernhaus Zürich, Prinz Igor an der Opéra Bastille in Paris, Die Meistersinger von Nürnberg bei den Bayreuther Festspielen, Fiddler on the Roof an der Lyric Opera of Chicago und Agrippina an der Staatsoper in Hamburg.
Franck Evin, Lichtgestaltung
Franck Evin
Franck Evin, geboren in Nantes, ging mit 19 Jahren nach Paris, um Klavier zu studieren. Nachts begleitete er Sänger im Café Théâtre Le Connetable und begann sich auch für Beleuchtung zu interessieren. Schliesslich entschied er sich für die Kombination aus Musik und Technik. Dank eines Stipendiums des französischen Kulturministeriums wurde er 1983 Assistent des Beleuchtungschefs an der Opéra de Lyon. Hier arbeitete er u. a. mit Ken Russel und Robert Wilson zusammen. Am Düsseldorfer Schauspielhaus begann er 1986 als selbstständiger Lichtdesigner zu arbeiten und legte 1993 die Beleuchtungsmeisterprüfung ab. Besonders eng war in dieser Zeit die Zusammenarbeit mit Werner Schröter und mit dem Dirigenten Eberhard Kloke. Es folgten Produktionen u. a. in Nantes, Strassburg, Paris, Lyon, Wien, Bonn, Brüssel und Los Angeles. Von 1995 bis 2012 war er Künstlerischer Leiter der Beleuchtungsabteilung der Komischen Oper Berlin und dort verantwortlich für alle Neuproduktionen. Hier wurden besonders Andreas Homoki, Barrie Kosky, Calixto Bieto und Hans Neuenfels wichtige Partner für ihn. Im März 2006 wurde Franck Evin mit dem «OPUS» in der Kategorie Lichtdesign ausgezeichnet. Seit Sommer 2012 arbeitet er als künstlerischer Leiter der Beleuchtungsabteilung an der Oper Zürich. Franck Evin wirkt neben seiner Tätigkeit in Zürich weiterhin als Gast in internationalen Produktionen mit, etwa an den Opernhäusern von Oslo, Stockholm, Tokio, Amsterdam, München, Graz sowie der Opéra Bastille, der Mailänder Scala, dem Teatro La Fenice, der Vlaamse Opera und bei den Bayreuther Festspielen.
Janko Kastelic, Choreinstudierung
Janko Kastelic
Janko Kastelic ist ein kanadisch-slowenischer Dirigent, Chorleiter, Pianist und Organist. Er begann seine musikalische Ausbildung in Kanada am Royal/Western Conservatory of Music und der St. Michael‘s Choir School. Er hat einen Abschluss in Dirigieren, Komposition und Musiktheorie von der Universität Toronto und setzte sein Studium an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Wien fort. Seit 2017 ist er Chordirektor am Opernhaus Zürich. Er war einer der Kapellmeister der Wiener Hofmusikkapelle, Studienleiter des JET-Programms für junge Sänger am Theater an der Wien und Assistent bei den Bayreuther Festspielen sowie Gastchordirektor an der Hamburgischen Staatsoper. Zu den Positionen, die er im Lauf seiner Karriere bekleidet hat, gehört auch die Stelle des Generalmusikdirektors und Operndirektors am Slowenischen Nationaltheater Maribor, des Zweiten Chordirektors an der Wiener Staatsoper sowie des Korrepetitors an der Opéra National de Paris. Er war Assistenzprofessor an der Universität Ljubljana und Mentor an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien. Seine künstlerischen Leistungen sind dokumentiert auf mehreren Live-Aufnahmen, darunter Tschaikowskis Pique Dame und Schönbergs Moses und Aron. Er arrangierte und dirigierte auch Werke für die Feierlichkeiten zum Mozartjahr 2006. Zu seinen Arbeiten beim Klangbogen-Festival in Wien gehört die europäische Erstaufführung von Blochs Macbeth. Janko Kastelic ist auch ein engagierter Pädagoge, der sich der Förderung der nächsten Generation von Musikerinnen und Musikern verschrieben hat.
Kathrin Brunner, Dramaturgie
Kathrin Brunner
Kathrin Brunner wurde in Zürich geboren. Sie studierte in ihrer Heimatstadt sowie an der Humboldt-Universität Berlin Germanistik, Musikwissenschaft und Französisch. Nach diversen Regiehospitanzen (u.a. Die Dreigroschenoper am Luzerner Theater; Regie: Vera Nemirova) und Dramaturgiehospitanzen ist sie seit 2008 Dramaturgin am Opernhaus Zürich. Hier arbeitete sie u.a. mit Regisseur:innen wie Achim Freyer (Moses und Aron), Harry Kupfer (Die Meistersinger von Nürnberg, Tannhäuser), Stephan Müller, Guy Joosten, Damiano Michieletto, Christof Loy (La straniera, Alcina, I Capuleti e i Montecchi, Don Pasquale, La rondine), Willy Decker (Il ritorno d'Ulisse in patria, The Turn of the Screw), Andreas Homoki (Wozzeck, Das Land des Lächelns, La forza del destino), Christoph Marthaler (Il viaggio a Reims, Orphée et Euridice), Barrie Kosky (Die Gezeichneten, Boris Godunow), Nadja Loschky, Nina Russi, Jan Essinger und Jetske Mijnssen (Idomeneo, Hippolyte et Aricie, Platée). Bei den Salzburger Festspielen 2012 erarbeitete sie La bohème mit Damiano Michieletto. Während der Corona-Pandemie war sie Co-Gründerin der Konzertreihe Altchemie live in der Alten Chemie Uetikon (https://www.altchemie.live).
Christopher Purves, Herzog Antoniotto Adorno / Der Capitaneo di giustizia
Christopher Purves
Der britische Bariton Christopher Purves war Student und Chorschüler am King’s College in Cambridge sowie Mitglied der experimentellen Rockband Harvey and the Wallbangers. Heute tritt er mit einem breit gefächerten Repertoire auf allen internationalen Bühnen auf. Höhepunkte waren u.a. die Titelrollen in Barrie Koskys Inszenierungen von Falstaff in Aix-en-Provence und von Händels Saul in Glyndebourne und beim Adelaide Festival, Balstrode (Peter Grimes) in Madrid und beim Edinburgh Festival, Alberich (Götterdämmerung) an der Houston Grand Opera und an der Bayerischen Staatsoper, der Förster (Das schlaue Füchslein) und Méphistophélès (La damnation de Faust) in Glyndebourne, sein Debüt an der Pariser Oper in Romeo Castelluccis Inszenierung von Schönbergs Moses und Aron, The Protector (Written on Skin) in Covent Garden, Madrid und Barcelona, Schönbergs Gurrelieder bei den BBC Proms mit dem London Symphony Orchestra und Sir Simon Rattle sowie eine Europa-Tournée mit Händels Messiah mit Emmanuelle Haïm und Le Concert d’Astrée. Seine Affinität zu zeitgenössischen Kompositionen zeigte er zudem in seiner Interpretation von Walt Disney in der Uraufführung von Philip Glass’ The Perfect American in Madrid und an der English National Opera sowie in diversen Werken von Sir James Macmillan. Zu seiner Diskografie gehören das Solo-Album Handel’s Finest Arias for Base Voice, Written on Skin mit George Benjamin und dem Mahler Chamber Orchestra wie auch Donizettis Maria di Rohan mit dem Orchestra of the Age of Enlightenment und Mark Elder. In Zürich sang er zuletzt Dreieinigkeitsmoses (Mahagonny), Herzog Antoniotto Adorno / Capitaneo di giustizia (Die Gezeichneten) und Alberich (Rheingold und Siegfried).
Thomas Johannes Mayer, Graf Andrae Vitelozza Tamare
Thomas Johannes Mayer
Thomas Johannes Mayer absolvierte seine Gesangsausbildung an der Kölner Musikhochschule bei Liselotte Hammes und Kurt Moll. Nach einem vielbeachteten Don Giovanni am Theater Basel sang er 2004 seinen ersten Wotan (Der Ring des Nibelungen) in Karlsruhe – eine Partie, die er seither an den grossen internationalen Opernhäusern verkörperte: De Nederlands Opera Amsterdam, Deutsche Oper Berlin, Berliner Staatsoper unter den Linden, Bayerische Staatsoper München, Opéra National de Paris, Wiener Staatsoper, Bayreuther Festspiele und in Tokio. Zu seinem Repertoire gehören nicht nur die grossen Wagner- und Strausspartien wie Barak (Die Frau ohne Schatten), Jochanaan, Mandryka (Arabella), Amfortas (Parsifal), Telramund (Lohengrin), und die Titelrolle in Der fliegende Holländer, sondern auch Partien des italienischen Fachs sowie Moses in Schönbergs Moses und Aron, Thoas in Glucks Iphigénie en Tauride, Mizguir in Rimski-Korsakows Schneeflöckchen und die Titelpartie in Alban Bergs Wozzeck. In der Spielzeit 2020/21 sang er Kurwenal (Tristan und Isolde) bei den Weinviertler Festspielen in Tschechien, Don Pizarro (Fidelio) an der Oper Kopenhagen, Telramund und den Holländer an der Deutschen Oper Berlin sowie Jochanaan (Salome) am Bolschoi Theater in Moskau.
Albert Pesendorfer, Lodovico Nardi, Podestà der Stadt Genua
Albert Pesendorfer
Albert Pesendorfer studierte Gesang und Flöte in Linz und Wien. Festengagements führten ihn von 2002 bis 2005 an das Theater Erfurt, 2005 und 2006 an das Tiroler Landestheater Innsbruck und von 2006 bis 2011 an die Staatsoper Hannover. Von 2012 bis 2016 war er Ensemblemitglied an der Deutschen Oper Berlin. Hier war er in den grossen Partien seines Fachs zu erleben, so als Hans Sachs („Die Meistersinger von Nürnberg“), Gurnemanz („Parsifal“), Baron Ochs („Der Rosenkavalier“), König Heinrich („Lohengrin“), Fasolt („Das Rheingold“), Hagen („Götterdämmerung“), Sarastro („Die Zauberflöte“), Banquo („Macbeth“) und Sparafucile („Rigoletto“). Zahlreiche Gastspiele führten ihn ausserdem an die Staatsoper Stuttgart, Hamburgische Staatsoper, Aalto Theater Essen, Vlaamse Opera Antwerpen, Wiener Staatsoper und Theater an der Wien sowie an die Opernhäuser in Graz und Linz, den Bregenzer und den Bayreuther Festspielen. Bei letzteren gab er 2016 unter Marek Janowski sein Debüt als Hagen in der Premiere der „Götterdämmerung“. Konzertauftritte führten ihn u.a. in den Wiener Musikverein, das Wiener Konzerthaus, die Berliner Philharmonie sowie nach Japan und in die USA. In der Spielzeit 2017 / 2018 gab er sein Debüt an der Wiener Staatsoper als Hagen und war in derselben Partie an der Nationaloper Tokyo zu hören. Als Rocco („Fidelio“) kehrte er an die Hamburgische Staatsoper zurück. Zukünftige Pläne umfassen u.a. die Uraufführung von Detlev Glanerts Oper „Oceane“ an der Deutschen Oper Berlin, Osmin an der Opéra de Monte Carlo sowie Landgraf Hermann („Tannhäuser) an der Deutschen Oper Berlin. Seit 2015 ist er Professor für Gesang an der Universität der Künste in Berlin.
Catherine Naglestad, Carlotta Nardi, seine Tochter
Catherine Naglestad
Catherine Naglestad, geboren in Kalifornien, studierte Gesang in San Francisco, Rom, Mailand sowie New York und ist heute als Sopranistin international präsent. Die Bandbreite ihrer Rollen umfasst Konstanze, Alcina, Alceste, Fiordiligi, Salome, Cio-Cio-San, Norma und Manon Lescaut und wurde in letzter Zeit ergänzt durch Wagnerpartien wie Senta (Der fliegende Holländer) an der Nederlandse Opera mit Hartmut Haenchen, Brünnhilde (Siegfried) an der Bayerischen Staatsoper mit Kent Nagano und Sieglinde (Die Walküre), erneut mit Hartmut Haenchen in Amsterdam. Auch Verdi nahm einen wichtigen Platz ein in ihrem Schaffen der letzten Zeit. So war sie etwa als Amelia (Un ballo in maschera), Elisabetta (Don Carlo) und Leonora (La forza del destino) zu erleben. Besonders aufgefallen ist sie als Tosca, die sie u.a. in Wien, Berlin, München, Paris, Orange, Zürich und London verkörperte. 2006 wurde Catherine Naglestad in Stuttgart zur Kammersängerin ernannt und von der Zeitschrift Opernwelt zur Sängerin des Jahres gewählt. Neben vielen weiteren Preisen erhielt sie den Maria Callas Debut Artist of the Year Award der Oper Dallas für ihre Interpretation der Tosca. Zahlreiche Produktionen mit Catherine Naglestad sind auf DVD erschienen, darunter Der fliegende Holländer, La clemenza di Tito, Alceste, Alcina und Die Entführung aus dem Serail. In Zürich war sie bereits als Minnie, Tosca, Salome und Santuzza zu hören. Zuletzt war sie als Salome und Tosca an der Deutschen Oper Berlin, als Tosca zudem in Wien und Tokyo und als Carlotta Nardi (Die Gezeichneten) an der Bayerischen Staatsoper zu Gast. In dieser Spielzeit wird sie am Opernhaus Zürich neben Carlotta auch als Abigaille in Nabucco zu hören sein.
John Daszak, Alviano Salvago
John Daszak
Der britische Tenor John Daszak gab sein Bühnendebüt an der English National Opera als Števa (Jenůfa) nach seinen Studien an der Londoner Guildhall School of Music and Drama, dem Royal Northern College of Music in Manchester und der Accademia d’Arte Lirica in Osimo. Neben seinem Bayreuther Festspieldebüt 2015 als Loge (Das Rheingold) unter Kirill Petrenko, gab er in vergangener Zeit einige wichtige Rollendebüts; er sang Captain Veres (Billy Budd) an der New Yorker Met, die Titelrolle in Zemlinskys Der Zwerg an der Bayerischen Staatsoper in München, Herodes (Salome) am Royal Opera House Covent Garden unter Henrik Nanasi, den Hauptmann in Wozzeck am Theater an der Wien sowie den Tambourmajor (Wozzeck) an der Berliner Staatsoper unter Daniel Barenboim und bei seinem Salzburger Festspieldebüt unter Vladimir Jurowski. Höhepunkte der jüngeren Zeit waren Aron (Moses und Aron) an der Wiener Staatsoper und der Komischen Oper Berlin, Herodes bei den Salzburger Festspielen, Kaufmann in Jakob Lenz beim Festival d’Aix-en-Provence, Tambourmajor am Opera House Sydney und an der Opéra National de Paris sowie Aegisth (Elektra) an der Bayerischen Staatsoper. Konzertant war er mit der NDR Elbphilharmonie unter Thomas Hengelbrock in Honeggers Jeanne d’Arc au bûcher zu erleben. Auf DVD ist John Daszak u.a. in Pfitzners Palestrina unter Simone Young (Bayerische Staatsoper) und in der Inszenierung von La Fura dels Baus von Das Rheingold unter Zubin Mehta (Palau de les Arts in Valencia) zu sehen. In Zürich sang er zuletzt 2018 Alviano Salvago in Die Gezeichneten und 2020 Schuiski in Boris Godunow.
Paul Curievici, Guidobald Usodimare
Paul Curievici
Paul Curievici studierte Gesang an der Guildhall School of Music and Drama in London. Sein Debüt gab er am Royal Opera House Covent Garden als Jack Worthing in Gerald Barrys The Importance of Being Ernest und kehrte später als Eames (The Virtues of Things), als Titorelli/Flogger/Student in der Uraufführung von Philip Glass’ The Trial und als Zweiter Jude in Salome dorthin zurück. Als Jack Worthing war er auch am Barbican und am Lincoln Center mit den New Yorker Philharmonikern zu erleben. Weitere Rollen in modernen und zeitgenössischen Werken waren Painter in Olga Neuwirths American Lulu mit der Opera Group am Young Vic, in Bregenz und beim Edinburgh Festival sowie Sam Kaplan (Street Scene) mit The Opera Group im Liceu Barcelona und am Théâtre du Châtelet in Paris. In den vergangenen Jahren war er u. a. als Pedrillo (Die Entführung aus dem Serail) am Grange Festival in Northington, in der Titelrolle von Candide an der Komischen Oper Berlin, als Melot (Tristan und Isolde) und Flute (A Midsummer Night’s Dream) in Montpellier, in der Uraufführung Diodati. Unendlich am Theater Basel sowie an der Royal Danish Opera als Melot und Adolfo Pirelli (Sweeney Todd) zu erleben. Zu seinen aktuellen Rollen gehören Karl Rossmann (Haubenstock-Ramatis Amerika) am Opernhaus Zürich, Zinoviy (Lady Macbeth von Mzensk) am Hessischen Staatstheater Wiesbaden, High Priest of Amon (Akhnaten) an der English National Opera sowie Erster Jude (Salome) am Royal Opera House. In Zürich sang er 2017 bereits Jakob Schmidt in Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny, 2018 Guidobald Usodimare in Die Gezeichneten sowie 2020 Graf Elemer in Arabella.
Iain Milne, Menaldo Negroni
Iain Milne
Iain Milne stammt aus Aberdeenshire/Schottland. Er schloss sein Studium an der Royal Academy of Music in London mit Auszeichnung ab, war Mitglied des National Opera Studio in London und des Internationalen Opernstudios in Zürich. Sein Operndebüt gab er in der Titelrolle von Mozarts La clemenza di Tito. Seither sang er u.a. in Peter Maxwell Davies’ The Lighthouse an der Royal Academy und Tamino an der Hampstead Garden Opera. Engagements als Solist in Oratorien führten ihn zudem nach Hamburg (Händels Messiah), nach Aberdeen (Haydns Schöpfung) und in die Fairfield Halls in Croydon (Elgars Dream of Gerontius). Als Mitglied des Internationalen Opernstudios in Zürich war er u.a. als Orlando (Haydns Orlando paladino), als Erster Priester (Die Zauberflöte), Brighella (Ariadne auf Naxos) sowie in Lohengrin, Fälle, Elektra, Il viaggo a Reims, Le Comte Ory und Der Zauberer von Oz zu hören. Seit der Spielzeit 2016/17 gehört er zum Ensemble des Opernhauses Zürich und sang hier u.a. Normanno in Lucia di Lammermoor, Roderigo in Otello, Jakob Glock in Prokofjews Der feurige Engel, Jack in Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny, Pong in Turandot, Gastone in La traviata, Menaldo Negroni in Die Gezeichneten, The Beadle in Sweeney Todd, Mister Bobo / Ander-Bobo in Coraline, Walther von der Vogelweide in Tannhäuser und Misail in Boris Godunov. Ausserdem sang er den 1. Juden in Salome, Van Ruijven in Girl with a Pearl Earring, Normanno in Lucia di Lammermoor, Cajus in Falstaff und Pang in Turandot. Jüngst übernahm er an De Nationale Opera Jack / Tobby Higgins in Weills Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny.
Oliver Widmer, Michelotto Cibo
Oliver Widmer
Oliver Widmer, in Zürich geboren, studierte bei seinem Vater Kurt Widmer in Basel, bei Dietrich Fischer-Dieskau und Silvana Bazzoni. Preise gewann er u.a. beim ARD-Wettbewerb München, beim Internationalen Hugo-Wolf-Wettbewerb Stuttgart und beim Othmar-Schoeck-Wettbewerb Luzern. Mit Liederabenden war er bei der Schubertiade Feldkirch, den Salzburger Festspielen, den Wiener Festwochen, in der Londoner Wigmore Hall, in der Berliner Philharmonie, der Münchner Residenz, der Alten Oper Frankfurt, im Pariser Louvre, bei den Fêtes musicales en Touraine (mit Svjatoslav Richter), beim Aldeburgh Festival und im Lincoln Center New York mit Partnern wie Vladimir Ashkenazy, Hartmut Höll, Graham Johnson, András Schiff und Roger Vignoles zu Gast. Als gefragter Solist in Konzert und Oper unter Dirigenten wie Chailly, Dutoit, Gardiner, Jansons, Harnoncourt, Henze, Luisi, Santi, Schreier und Welser-Möst singt er mit den grossen Orchestern Europas (u.a. Wiener und Berliner Philharmoniker) und Amerikas (u.a. Pittsburgh Symphony, San Francisco Symphony) Werke von Bach bis Holliger. 1991/92 kam er als lyrischer Bariton zum Ensemble des Opernhauses Zürich, wo er u.a. als Papageno, Guglielmo, Olivier (Capriccio), Harlekin (Ariadne auf Naxos), Agamemnon (La Belle Hélène), Dandini (La Cenerentola), Figaro (Il barbiere di Siviglia), Belcore, Malatesta, Graf Almaviva, Dr. Falke, Valentin, Wolfram, Barbier (Die schweigsame Frau), Ottokar (Der Freischütz), Don Alfonso und Schwarzer Minister (Le Grand Macabre) sowie jüngst als Raimbaud (Le Comte Ory) zu hören war. Über 20 CD-Aufnahmen entstanden mit ihm, u.a. unter Harnoncourt und Gardiner sowie mit verschiedenen Liedrezitalen.
Cheyne Davidson, Gonsalvo Fieschi
Cheyne Davidson
Cheyne Davidson erhielt seine musikalische Ausbildung an der Case Western Reserve University, dem Cleveland Institute of Music und der Manhattan School of Music. Unmittelbar nach seinem Studium wurde er eingeladen, als Escamillo mit Peter Brooks Tragédie de Carmen auf Europa-, Japan- und Israel-Tournee zu gehen. Nach Auftritten in den USA und Europa war er ein Jahr lang Mitglied des IOS. Seit 1992/93 gehört er zum Ensemble des Opernhauses Zürich, wo er u.a. als Marcello, Schaunard und Benoît (La bohème), Escamillo (Carmen), Silvio (Pagliacci), Amfortas (Parsifal), Paolo Albiani (Simon Boccanegra), Donner und Gunther (Der Ring des Nibelungen), Alfio (Cavalleria rusticana), Faninal (Rosenkavalier), Lescaut (Manon Lescaut), Marco (Gianni Schicchi), Barone Douphol (La traviata), Enrico (Lucia di Lammermoor), Werschinski (Drei Schwestern), Eisenhardt (Die Soldaten), Chang (Das Land des Lächelns), als Le Bailli in Massenets Werther, Bill (Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny), Jonas Fogg (Sweeney Todd), Eurylochos (Die Odyssee) und als Benoît (La bohème) auftrat. Gastverträge führten ihn u.a. an die Opernhäuser Stuttgart, Köln und Hamburg, nach Basel und Luzern, an das Théâtre du Châtelet in Paris, die Oper Nancy, zur Hamburger Opernwoche, nach Belgrad und Budapest, zu den Bregenzer Festspielen und zum Classic Open Air Solothurn. Bei der ZKO Opera Box war er in Die schöne Galathée, in Il campanello di notte sowie in Il signor Bruschino zu erleben. Sein Salzburger Festspieldebüt gab er zu Pfingsten 2016 als Doc in der West Side Story; im Sommer 2016 war er ebenfalls in Salzburg in der Uraufführung von Thomas Adès’ Oper The Exterminating Angel zu erleben.
Ildo Song, Julian Pinelli
Ildo Song
Ildo Song stammt aus Südkorea. Er absolvierte seine Gesangsausbildung an der Universität von Seoul und ist Preisträger zahlreicher südkoreanischer Wettbewerbe. In Europa wurde er 2014 mit dem 3. Preis beim Internationalen Hans Gabor Belvedere Gesangswettbewerb in Düsseldorf ausgezeichnet. Zu seinem Repertoire gehören Partien wie Sarastro (Die Zauberflöte), Sparafucile (Rigoletto), die Titelpartie in Le nozze di Figaro und Don Alfonso (Così fan tutte), die er auf verschiedenen Bühnen in Seoul, darunter das Seoul Art Center, verkörperte. Von 2015 bis 2017 gehörte er zum Internationalen Opernstudio in Zürich und war hier u.a. in Il viaggio a Reims, La traviata, Orlando paladino, Don Carlo, Un ballo in maschera und L’Heure espagnole / L’Enfant et les sortilèges zu erleben. Seit der Spielzeit 2017/18 gehört er zum Ensemble des Opernhauses Zürich. In letzter Zeit sang er u.a. den Onkel Bonze in Madama Butterfly, Le Fauteuil / L’arbre in L’Enfant et les sortilèges, La Voce in Idomeneo, Mandarin in Turandot, Doktor Grenvil in La traviata, Julian Pinelli in Die Gezeichneten, Il Conte di Ceprano in Rigoletto, Alessio in der konzertanten Aufführung von La sonnambula, Oroveso in Norma und ein Eremit in Der Freischütz. Er gastierte zudem jüngst als Onkel Bonze und Oroveso am Teatro di San Carlo in Neapel.
Ruben Drole, Paolo Calvi
Ruben Drole
Ruben Drole, Bassbariton, stammt aus Winterthur und studierte an der Musikhochschule Zürich. 2004 wurde er ins IOS und 2005 ins Ensemble des Opernhauses Zürich aufgenommen, wo er u.a. als Lucio Cinna (J.C. Bachs Lucio Silla), Haly (L’italiana in Algeri), Argante (Rinaldo), Wurm (Luisa Miller) und als Papageno in der von Nikolaus Harnoncourt geleiteten Zauberflöte zu erleben war. Als Papageno hat er 2015 auch sein Debüt an der Semperoper Dresden gegeben. Weitere Projekte mit Harnoncourt waren u.a. Kezal (Die verkaufte Braut) und Haydns Schöpfung bei der Styriarte Graz, Beethovens Christus am Ölberg in Wien und Luzern, eine Japan-Tournee (Mozarts Requiem und Händels Messiah) sowie Leporello (Don Giovanni) am Theater an der Wien. Im Zürcher Zyklus der Mozart/Da Ponte-Opern von Sven-Eric Bechtolf und Franz Welser-Möst wirkte er als Guglielmo (Così fan tutte), Figaro (Le nozze di Figaro) und Leporello mit. Dieselben Partien interpretierte er unter Welser-Möst auch mit dem Cleveland Orchestra. Bei den Salzburger Festspielen 2012 sang er den Achilla (Giulio Cesare) und trat dort 2013 in Haydns Il ritorno di Tobia und in Walter Braunfels’ Szenen aus dem Leben der Heiligen Johanna auf. In Zürich war er zuletzt u.a. als Figaro, Lord Rochefort (Anna Bolena), Papageno, Leporello, Alaskawolfjoe (Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny), als Peter in Hänsel und Gretel, Biterolf in Tannhäuser, Soldat in Die Geschichte vom Soldaten, Odysseus in Die Odyssee, Antonio in Le nozze di Figaro sowie als Herzogin/Raupe in Alice im Wunderland zu sehen. Ausserdem war er jüngst im Ballettabend Nachtträume zu erleben.
Jungrae Noah Kim, Diener
Jungrae Noah Kim
Jungrae Noah Kim stammt aus Südkorea und studierte Gesang in seiner Heimatstadt Seoul am College of Music bei Kwang Chul Youn. 2015 war er Preisträger beim «Francisco Viñas» Wettbewerb in Spanien und Finalist beim «Neue Stimmen» Wettbewerb in Deutschland. 2016 war er Finalist bei der «International Singing Competition of Toulouse» in Frankreich und debütierte als Belcore (L’elisir d’amore) in Seoul. Im Sommer 2016 debütierte er als Masetto in Don Giovanni bei den Bregenzer Festspielen sowie als Solist in Webbers Requiem. In der Spielzeit 2018/19 war er Mitglied des Internationalen Opernstudios des Opernhauses Zürich und sang hier in Die Gezeichneten, Madama Butterfly, Rigoletto und in der IOS-Produktion von Il barbiere di Siviglia am Theater Winterthur. Seit 2022/23 ist er wieder Mitglied des IOS am Opernhaus Zürich und war in Faust, La traviata und Roméo et Juliette zu erleben.
Thobela Ntshanyana, Ein Jüngling
Thobela Ntshanyana
Thobela Ntshanyana stammt aus Capetown (Südafrika) und studierte in seiner Heimatstadt sowie am Royal College of Music in London. Zu seinem Opernrepertoire gehören Partien wie Alfredo (La traviata), Rinuccio (Gianni Schicchi), Mr. Owen (Dominick Argentos Postcard from Morocco), Chevalier (Dialogues des Carmélites), Parpignol (La bohème), Un ufficiale (Il barbiere di Siviglia) und Zefirino (Il viaggio a Reims). Er gewann u.a. erste Preise beim Schock Foundaton Prize for Singing 2014 in Capetown und beim Clonter Opera Prize 2016 in Cheshire. Im Konzertfach sang er bisher Dvořáks Stabat mater, Mendelssohns Elias, Haydns Schöpfung, Gounods Messe solennelle en l’honneur de Sainte-Cécile sowie verschiedene Mozart-Messen. Seit 2017/18 ist er Mitglied des Internationalen Opernstudios und singt hier neben dem 1. Priester in der Zauberflöte, Harry (La fanciulla del West), Belfiore (La finta giardiniera) sowie in Le Comte Ory, Parsifal, L’incoronazione di Poppea und La traviata.
Sen Guo, Ein Mädchen
Sen Guo
Sen Guo wurde in Shanxi (China) geboren. Ihre Ausbildung erhielt sie am Konservatorium und am Zhou Xiao Yan Opera Center in Shanghai. Sie war Preisträgerin der China Vocal Competition, des Shanghai International Master Class Institute und der Hong Kong Competition for Young Asian Musicians. In der Spielzeit 2001/ 02 war sie Mitglied des Internationalen Opernstudios Zürich, wo sie in der Studioproduktion Die Pilger von Mekka die Dardané verkörperte. Die Königin der Nacht (Die Zauberflöte) sang sie an der Semperoper Dresden, an der Berliner Staatsoper, an der Deutschen Oper Berlin, an der Hamburgischen Staatsoper, am Theater St. Gallen und am Theater an der Wien, Olympia (Les Contes d’Hoffmann) in der Tonhalle Zürich, Violetta (La traviata), Gilda (Rigoletto) und Musetta (La bohème) am Grand Theatre in Shanghai und Oscar (Un ballo in maschera) am Nationaltheater Peking. Als Mitglied im Ensemble des Opernhauses Zürich seit 2002/03 war sie u.a. als Frasquita (Carmen), Blumenmädchen (Parsifal), Musetta, Fiakermilli (Arabella), Zerbinetta (Ariadne auf Naxos), Amaltea (Mosè in Egitto) und Gilda zu erleben. In jüngerer Zeit sang sie am Opernhaus Zürich u.a. die Königin der Nacht, Giulia (La scala di seta), Clorinda (La cenerentola), Le Feu / La Princesse / La Rossignol (L’Enfant et les sortilèges) sowie das Taumännchen (Hänsel und Gretel) und war in den Kinderopern Das verzauberte Schwein und Coraline, in Don Carlo, Die Gezeichneten sowie in der konzertanten Aufführung von La sonnambula zu hören. Zudem sang sie Gilda in der Rigoletto-Produktion der Oper Schenkenberg im Sommer 2016 und Clorinda in Monte Carlo, Amsterdam und Versailles.
Nathan Haller, Erster Senator
Nathan Haller
Nathan Haller stammt aus Kanada und studierte Gesang an der Juilliard School in New York. 2013 war er Teilnehmer der Internationalen Meistersinger Akademie. Von 2015 bis 2017 war er Mitglied des Opernstudios OperAvenir am Theater Basel, wo er u.a. als Tamino (Die Zauberflöte), als Romeo in Blachers Romeo und Julia, in der Uraufführung Melancholia von Sebastian Nübling und Ives Thuwis, als Enoch Snow (Carousel) und als Oronte in Alcina zu erleben war. 2016 sang er Belmonte (Die Entführung aus dem Serail) am Akko Opera Festival in Israel. Auf der Konzertbühne war er u.a. am New York Festival of Song in der Carnegie Hall, mit dem russischen Kammerorchester St. Petersburg, in La Resurrezione unter William Christie und mit Masaaki Suzuki in Boston, New York, Leipzig und London zu hören. 2017/18 gastierte er an der Neuen Oper Wien als François in Leonard Bernsteins A Quiet Place, 2018/19 sang er Graf Albert (Die tote Stadt) mit der Nederlandse Reisopera und gastierte in Die Gezeichneten sowie als Albazar in Il turco in Italia am Opernhaus Zürich, wo er 2020/21 auch in der Hauptrolle von Mitterers Tapferem Schneiderlein zu sehen war. Seit der Spielzeit 2021/22 gehört Nathan Haller zum Ensemble des Opernhauses Zürich und war hier als Telemachos in der Uraufführung Die Odyssee, als Sir Hervey (Anna Bolena), Graf Elemer (Arabella), Bardolfo (Falstaff), Pedrillo (Die Entführung aus dem Serail), 1. Jude (Salome), Triquet (Jewgeni Onegin) und Gobin / Adolfo (La rondine) zu hören. Ausserdem sang er 2021 Lysander (A Midsummer Night’s Dream) an der Oper Malmö und 2023 Pong (Turandot) an der Deutschen Oper am Rhein.
Dean Murphy, Zweiter Senator
Dean Murphy
Dean Murphy, Bariton, absolvierte seine Gesangsausbildung an der Hartt School of Music und an der Yale School of Music. Er war Stipendiat der Bel Canto Vocal Scholarship Foundation und der Opera Foundation, in deren Zusammenhang er Mitglied im Ensemble der Deutschen Oper Berlin war. Zudem war er Preisträger beim Lynne Strow Piccolo Award, bei der Amici Vocal Competition und der Classical Singer Competition. 2013/14 war er Ensemblemitglied an der Opera Connecticut, wo er in Gianni Schicchi und in Salieris Kleine Harlekinade zu erleben war. Zudem sang er Melisso in Alcina, Yamadori in Madama Butterfly an der Connecticut Lyric Opera und Peter in Hänsel und Gretel. Auf der Konzertbühne sang er in Brahms’ Ein deutsches Requiem, in Händels Messiah, in Faurés Requiem, in Charpentiers Magnificat und in Händels Esther. An der Deutschen Oper Berlin war er 2017/18 u.a. als Fiorello (Il barbiere di Siviglia), als Dancaïre (Carmen), als zweiter Richter (Das Wunder der Heliane), als Polizist (Lady Macbeth von Mzensk), Silvano (Un ballo in maschera), als Schaunard (La bohème) sowie als Wagner in Faust zu erleben. Von 2018 bis 2020 war er Mitglied des Internationalen Opernstudios in Zürich und sang hier u.a. den 2. Senator in Schrekers Die Gezeichneten, Schobiak in Le Grand Macabre, Figaro in Il barbiere di Siviglia am Theater Winterthur, Carlotto in Don Pasquale und Schaunard. Im Sommer 2019 gastierte er zudem beim Rossini Festival in Pesaro als Lord Sidney und Don Alvaro in Il viaggio a Reims. Für die Spielzeit 2020/21 kehrte er als Ensemblemitglied zurück an die Deutsche Oper Berlin, wo er u.a. Figaro in Il barbiere di Siviglia singt.
Alexander Kiechle, Dritter Senator
Alexander Kiechle
Alexander Kiechle, Bass, stammt aus Bayern. Er studierte Gesang an der Hochschule für Musik und Theater in München bei Andreas Schmidt. 2012 war er zudem Richard-Wagner-Stipendiat in Ulm. Zu seinem Opernrepertoire gehören u.a. Sarastro (Die Zauberflöte), Caronte und Plutone in Monteverdis Orfeo, Falstaff (Nicolais Die lustigen Weiber von Windsor), Wassermann (Rusalka), Osmin (Die Entführung aus dem Serail), Commendatore (Don Giovanni) und Hunding (Die Walküre). Im Rahmen der Münchener Biennale 2014 sang er die Bass-Partie in Claude Viviers Oper Kopernikus. 2015 war er als Stani (Joseph Beers Polnische Hochzeit) mit dem Rundfunkorchester des BR unter Ulf Schirmer zu erleben. 2016/17 war er Mitglied im Opernstudio der Opéra de Lyon, wo er u.a. Der Lautsprecher in Ullmanns Der Kaiser von Atlantis sang. Seit 2017/18 ist er Mitglied des Internationalen Opernstudios in Zürich und war hier u.a. in Salome, Fidelio, La fanciulla del West, Parsifal, La traviata und Die Gezeichneten zu hören. Im Rahmen der Bayreuther Festspiele 2018 war er in der Uraufführung Der verschwundene Hochzeiter von Klaus Lang in der Titelpartie zu erleben.