Carmen
Georges Bizet (1838-1875)
Opéra-Comique in vier Akten
Libretto von Henri Meilhac und Ludovic Halévy
nach der Novelle «Carmen» von Prosper Mérimée
In französischer Sprache mit deutscher und englischer Übertitelung. Dauer ca. 3 Std. inkl. Pause nach ca. 1 Std. 35 Min. Werkeinführung jeweils 45 Min. vor Vorstellungsbeginn.
Die Einführungsmatinee findet am 24 Mär 2024 statt. Eine Koproduktion mit der Opéra Comique, Paris.
Partnerin Opernhaus Zürich
Vergangene Termine
April 2024
Mai 2024
Juni 2024
Gut zu wissen
Opera Vision streamt die Dernière von Carmen am Samstag, 15. Juni 2024 live aus dem Opernhaus und stellt sie im Anschluss daran als Video-on-Demand zur Verfügung.
Carmen
Kurzgefasst
Carmen
Es gibt wohl kein stärkeres Motiv für Hass und Mord als enttäuschte Liebe. In Georges Bizets Oper Carmen wird aus dem einfachen Soldaten Don José in kurzer Zeit ein Mörder. Als er die attraktive Carmen kennenlernt, ist er ihr hoffnungslos verfallen – Don José bindet sich auf Leben und Tod an sie. Doch Carmen wendet sich schon bald dem Torero Escamillo zu. Allesamt Grenzgänger im Leben, bewegen sich Bizets Figuren in einem gefährlich-explosiven Spannungsfeld zwischen Anziehung und Ablehnung, zwischen Ernst und Spiel, zwischen Lust und Selbstaufgabe, Pflicht und Verlangen.
Bis heute hat Bizets Carmen in ihrer unerbittlichen Dramatik und der Elementarwirkung ihrer Melodik nichts an Faszinationskraft eingebüsst. «Das ist im wahrsten Sinne ein Meisterwerk, eine jener seltenen Kompositionen, die in höchstem Grade das musikalische Streben eines ganzen Zeitalters widerspiegeln», befand Tschaikowski. Das bürgerliche Publikum der Uraufführung von 1875 an der Pariser Opéra Comique reagierte jedoch zunächst mit Ablehnung auf Bizets Werk. Es wurde als zu grell und zu unmoralisch wahrgenommen. In ihrem anarchischen Freiheitsdrang und ihrer lustvoll gelebten Weiblichkeit stellte die Titelfigur eine Gefahr für die etablierte Ordnung dar. Doch schon bald trat die Oper ihren Siegeszug an und wurde zu einem Opern-Mythos der Neuzeit.
Regisseur Andreas Homoki kombiniert das Überzeitliche des Stoffes mit einer konkreten Theatersituation: Ausgangspunkt seiner Inszenierung ist der Ort der Uraufführung, die Opéra Comique – Bizets Werk ist in seiner spielerisch-offenen Form und den vielschichtigen theatralen Ebenen spürbar mit dem dort gepflegten Genre verbunden. Als Carmen debütiert die in Lausanne geborene, aufstrebende Mezzosopranistin Marina Viotti. Freuen darf man sich auch auf den mit dem Opernhaus Zürich eng verbundenen Star-Tenor Saimir Pirgu als Don José. Łukasz Goliński ist als Escamillo derzeit weltweit gefragt. Bizets ungeheuer suggestive Partitur bietet immer noch unausgeschöpftes Interpretationspotenzial – Generalmusikdirektor Gianandrea Noseda wird diesem viel gespielten Werk bestimmt neue Töne entlocken.
Interview
Eine Frau liebt die Freiheit über alles
Andreas Homoki inszeniert eine neue «Carmen». Seine Regiearbeit nimmt Bezug auf den Uraufführungsort von Bizets berühmter Oper, die Opéra Comique in Paris. Genau dort hatte Homokis Inszenierung vor einem Jahr Premiere. Jetzt kommt sie nach Zürich. Ein Gespräch über den faszinierenden Mythos der starken, selbstbestimmten Frau.
Andreas, du inszenierst mit Carmen die populärste, weltweit am meisten aufgeführte Oper. Warum?
Ganz einfach: Ich liebe dieses Stück. Es ist zurecht die bis heute erfolgreichste Oper der Geschichte. Die Musik ist fantastisch, und dazu kommt diese faszinierende Frauenfigur Carmen – eine starke und ungebundene Frau, die sich vom gängigen bürgerlichen Frauenbild des 19. Jahrhunderts so sehr abhebt. Carmen bringt den braven Soldaten José dazu, Schmuggler zu werden und als Mörder zu enden. Mich persönlich begeistert zudem die riesige Bandbreite an musikalischen Genres in dieser Oper. Carmen ist eine Opéra-comique, was aber nicht bedeutet, dass es eine komische Oper wäre, sondern sie steht in der Tradition eines leichteren Genres, aus dem sich auch die französische Operette eines Offenbach entwickelt hat. Bizets Carmen hat keine durchkomponierte Form, sondern Musik nummern, die sich abwechseln mit gesprochenem Text. Im weitesten Sinne hat das etwas von einem Vaudeville. Diese heterogene, offene Form, kombiniert mit dieser leidenschaftlichen Tragödie, finde ich sehr reizvoll. Hätte Janáček die Novelle von Prosper Mérimée vertont, auf der Carmen basiert, wäre definitiv etwas ganz anderes dabei herausgekommen. Bizets Oper aber ist wie eine Popcorn-Maschine, im besten Sinne.
Carmen ist eines der Stücke, in das viele Klischeevorstellungen eingewoben sind. Das rote Kleid der Protagonistin, das Spanienbild – Bizet selbst war nie in Spanien. Wie gehst du mit diesen Klischees um?
Das Stück hat viele Fallstricke. Spanien, wie man es von Kitschpostkarten mit Flamencotänzerinnen und aufgeklebtem Stoff in Glitzer kennt, will ich so natürlich nicht auf der Bühne sehen. Das ist eine kommerzialisierte Verkitschung und Verfremdung des spanischen Kolorits. Spanien ist als Farbe für dieses Stück aber dennoch wichtig, allerdings darf man nicht versuchen, Spanien als Örtlichkeit naturalistisch auf die Bühne zu bringen.
Was bedeutet das für deine Inszenierung?
Bizets Carmen ist eben kein naturalistischer Stoff, sondern von der Form her ausgesprochen heterogen. Darin unterscheidet sich die Oper auch fundamental von der Novelle von Mérimée. Wollte man versuchen, aus Angst vor der Kitschpostkarte zum «harten» Realismus der Vorlage zurückzukehren, müssten die Vaudevillehaften Nummern unweigerlich lächerlich wirken. Alle Versuche, Milieus, wie das der Arbeiterinnen der Zigarrenfabrik oder der Schmuggler, in einen realistischen, gesellschaftlichen Rahmen zu verorten, scheitern an der Form. Deshalb zeigen wir auf der Bühne zunächst nichts anderes als eine leere Bühne, die Bühne des Uraufführungsortes, der Pariser Opéra Comique. Wir erwecken die Geister dieser Oper, die dort geboren wurden, zum Leben. Unsere Inszenierung ist eine Hommage an die Opéra Comique, an die Reise, die diese Oper seither angetreten hat, und an den Mythos Carmen.
Zu Beginn der Oper schauen wir dem Chor der Soldaten zu, wie er Passanten beobachtet, die über den Platz drängen. Wir schauen also Zuschauenden beim Zuschauen zu.
Es gibt immer wieder Situationen, in denen Protagonisten in einer Öffentlichkeit erscheinen, sei es Carmen oder Escamillo, denen die Leute zujubeln. Ganz oft hat man das Gefühl einer Showbühne: Wenn Carmen ihre Habanera singt, beim Schmugglerquintett, oder bei Escamillos Auftrittslied.
Die Figur der Carmen ist schillernd und seit der Uraufführung den widersprüchlichsten Deutungsversuchen ausgesetzt gewesen: Vom Bürgerschreck der Uraufführung, über die gefährliche Verführerin bis zur emanzipierten Frau, sie ist eine Wanderin zwischen den Welten, ein rebellischer Vogel. Wer ist Carmen für dich? Ist sie eine moderne Figur?
Ja, sicher. Carmen ist eine komplexe Frauenfigur und hat bis heute nichts von ihrer Faszination verloren. Sie vertritt eine absolut radikale Haltung, was ihre Selbstverwirklichung, insbesondere ihre erotische Selbstverwirklichung angeht. Carmen behauptet ihren Willen, ohne Kompromisse einzugehen. Sie agiert intuitiv und absolut ehrlich. Für Carmen ist alles, was sie reglementiert und einengt, unerträglich. Das sind natürlich auch Dinge, die sich zuweilen gegen das gesellschaftliche Zusammenleben richten und etwas Zersetzendes haben können. Man kann das durchaus kritisch sehen, denn Gesellschaft bedeutet auch, dass es Regeln braucht. Gibt es keine Regeln, muss man eben bereit sein, den Preis dafür zu bezahlen. Carmen tut das in letzter Konsequenz bis in den Tod.
Sie bewegt sich ausserhalb des Systems,«là bas, là bas»…
Bizets Oper ist letztlich ein Stück über den Gegensatz zwischen einem bürgerlichen, geregelten Leben mit seinen einengenden Aspekten und dem anarchischen Freiheitsdrang auf der anderen Seite. Dieser Wunsch nach Freiheit ist zunächst einmal positiv besetzt. Aber dadurch, dass die bürgerliche, dominierende Welt dies nicht zulässt, wird dieses Freiheitsstreben in die Kriminalität, in die Illegalität gedrängt.
Was findet eine Frau wie Carmen an einem so braven und aufgeräumten Soldaten wie José?
José ist durchaus ein interessanter Typ. Als Carmen ihn zum ersten Mal sieht, gefällt er ihr einfach. Sie wirft ihm eine Blume zu, zunächst nicht aus einem absichtsvollen Begehren heraus, sondern eher aus Provokation und Lust am Spiel. Damit könnte die Geschichte bereits zu Ende sein. Doch dann geschieht dieser Zwischenfall mit dem Messerkampf in der Fabrik – das ist von den Autoren absolut genial erfunden –, José muss Carmen festnehmen, und jetzt macht sie ihm schöne Augen, damit er sie freilässt. Es berührt sie, dass er es tatsächlich tut und dafür degradiert und ins Gefängnis gesteckt wird. Eine Art Liebe auf den zweiten Blick, würde ich sagen.
Woran scheitert die Beziehung von Carmen und José letztlich?
Ihre Lebensentwürfe sind vollkommen unvereinbar. schon bei ihrem ersten Wiedersehen stellt sich Ernüchterung ein. Als Carmen verführerisch für ihn tanzt, erklingt das Trompetensignal aus der Kaserne, und José erklärt, dass er zurück muss. Damit ist die Sache für Carmen eigentlich gelaufen. Dann kommt diese genial platzierte Blumenarie, in der ihr José bekräftigt, wie wichtig sie für ihn ist. Das berührt Carmen, aber sie fordert von ihm, sein altes Leben aufzugeben. José schwankt, entscheidet sich zuletzt jedoch dagegen. Dummerweise erscheint dann sein Vorgesetzter und alles fliegt ihm um die Ohren: José ist ein cholerischer Mensch, es folgen Befehlsverweigerung und Gefangennahme des Chefs mit Waffen – der «Point of no Return» für José. Kürzlich habe ich den Film Baader-Meinhof-Komplex gesehen. Ulrike Meinhof, die als Journalistin mit einem einzigen spontanen Sprung aus dem Fenster ihre gesicherte bürgerliche Existenz unwiederbringlich hinter sich lässt und in den Untergrund wechselt – das hat eine ganz ähnliche Dynamik wie Josés Absturz. Diese Fallhöhe gibt es in der Novelle von Mérimée nicht. Don José ist bei ihm von Anfang an ein gewalttätiger Typ.
Als Gegenpart zu Carmen haben Bizets Autoren die Figur der Micaëla erfunden. Was verkörpert sie für José? Für welche Werte steht sie ein?
Micaëla lebt in dieser geregelten Welt, so wie wir alle auch. Sie verkörpert ein typisches Frauenschicksal im 19. Jahrhundert mit seinen begrenzten Möglichkeiten. Was mich an ihr beeindruckt ist ihre Liebe zu José, die Unbedingtheit und der Mut, mit dem sie sich dafür einsetzt. José ist davon am Anfang überfordert, aber ich bin überzeugt: Die beiden hätten ohne den Zwischenfall in der Fabrik miteinander durchaus eine Chance gehabt. Erst im dritten Akt, bei dem ihr klar wird, dass José nicht mehr der Gleiche ist wie früher, dass er unvermeidlich auf einen Abgrund zusteuert, gibt sie ihn auf. Als bewusste Entscheidung und aus persönlicher Stärke. Um Micaëla mache ich mir keine Sorgen: Sie wird José vergessen und einen anderen Mann kennenlernen. Da wird nichts nachhängen.
Micaëla ist auch das Sprachrohr für Josés Mutter, die selber nie auftaucht im Stück.
Das ist die Welt, aus der José kommt. Er hat ihr viel zu verdanken. Seine Mutter hat ihn alleine und unter schwierigen Bedingungen aufgezogen und ihm immerhin ermöglicht, in der Hauptstadt Sevilla eine Offizierslaufbahn anzutreten. Die Mutter ist die Verwurzelung Josés, der Gegenpol zu seinen zehrenden, gefährlichen Leidenschaften, die ihn in den Katastrophenmodus schleudern.
«Prends garde à toi!» (Pass auf!), diesen Ausdruck hört man unzählige Male in dieser Oper, alles scheint hier Gefahr und Bedrohung zu sein. Einer, der schon von Berufs wegen mit der Gefahr lebt, ist Escamillo, der Torero.
Escamillo ist wie Carmen ein Grenzgänger und riskiert jeden Tag sein Leben. Als Stierkämpfer verkörpert er auf der einen Seite den reinen Machismo, aber gleichzeitig auch Mut, Eleganz, Gewandtheit und Kosmopolitismus. Das ist ein Typ wie ein Rockstar, und José hat dagegen keine Chance. Escamillo ist grosszügig, und er kann es sich auch leisten. Er hat diese vollkommene Unabhängigkeit, dass er sich um nichts kümmern muss. Doch der Preis dafür kann hoch sein: In der Arena ist er allein. Der Stier greift an, es geht etwas schief, ein Pferd fällt um und plötzlich jubeln alle dem Stier zu...
Was sucht Carmen in ihm? Ist für sie die Liebe vielleicht auch Kampf und Krieg?
Ich bin mir nicht sicher, ob Carmen wirklich Liebe sucht, sie ist jemand, der einfach lebt. Sie beobachtet die Welt, nimmt sie auf, äussert frei ihre Meinung und lebt ihr Leben. Sie ist sehr scharf in ihrer Selbstbeobachtung und in der Beobachtung der Beziehung mit José. Sie merkt genau, wenn etwas nicht mehr stimmt und redet sich nichts schön. Carmen ist sofort zur Veränderung bereit, da gibt es kein Beharren auf ihrer Seite.
Trotzdem flieht Carmen am Ende nicht vor José, sondern bleibt, obwohl die Karten ihr zuvor den Tod prophezeit haben und sie auch von ihren Freundinnen vor José gewarnt wird. Warum?
Sie weiss, dass sie das Ende ihrer Beziehung mit José selber klären muss, ein für allemal! Ihre Haltung ist sehr klar. Das macht sie ganz allein, ohne vorher die Polizei gerufen oder Escamillo um Hilfe gebeten zu haben. Carmen weigert sich, die Position des Opfers einzunehmen, und die Freiheit ihrer persönlichen Entscheidung geht ihr über alles. Sie sagt zu José, dass sie niemals nachgeben werde: «Frei wurde ich geboren, und frei werde ich sterben».
Am Ende steht allerdings ein Femizid: Don José kann mit seinen Aggressionen nicht umgehen, er will von Carmen nicht ablassen und tötet sie.
Don José gehört zu jenen Menschen, die eine Vorstellung davon hegen, wie «eine Frau sein sollte». Diese lässt nicht zu, dass Frauen wirklich unabhängig und stärker sein können als Männer. Dies ist der Grund für Don Josés Eifersucht. Doch indem er Carmen bedroht und dann tötet, offenbart er seine eigene Schwäche und liefert den Beweis für sein Scheitern. Carmen stirbt, weil sie stärker war als er. Sie stirbt, aber ihr Mythos wird weiterleben – wie eine Heldin einer griechischen Tragödie. Es ist ein emanzipatorisches Stück, bei dem der Mann nicht gut wegkommt.
Du kommst eigentlich gerade aus der Welt von Wagners Ring. Was bedeutet Carmen für dich in diesem Kontext? Zwischen der Uraufführung des Rings und Bizets Carmen liegt nur ein Jahr.
Das ist in musikhistorischer Hinsicht der ganz grosse Gegensatz im 19. Jahrhundert, auch wenn sogar Bizet zuweilen des Wagnerismus beschuldigt wurde. Wagner war mit der Uraufführung des Rings 1876 in Bayreuth auf dem Höhepunkt seiner weltweiten Akzeptanz. Sein Musiktheater war geprägt von einer ausserordentlich starken konzeptionellen neuen Ästhetik, die Inhalt und Form perfekt miteinander vereint. Das ist ein Monolith. Doch es gibt eben auch noch dieses Andere. Nietzsche, der ein enger Freund von Wagner und auch sehr vertraut war mit Wagners Ästhetik, wandte sich nach der Uraufführung des Rings in Bayreuth dezidiert von Wagner ab und kritisierte ihn in seiner Schrift Der Fall Wagner stark. Er führte als Antithese zu Wagners Musiktheater Bizets Carmen ins Feld, die er sich unzählige Male angehört hat. Für Nietzsche stellte Carmen eine willkommene Alternative zu Wagners inhaltsschwerer Philosophie dar, zu Weltenbrand und Abschiedspathos. In Carmen prallen Figuren und Haltungen aufeinander. Das ist extrem, das ist bodenständig, das ist pralles Theater – eine ganz grosse Vielfalt eben – Drama, Operette, Pathos und Ironie in einem.
Nietzsche sprach in Bezug auf Carmen von einer Kunst, die die Vitalität des Augenblicks feiere. Er meinte, er werde ein besserer Mensch, wenn ihm dieser Bizet zurede …
Ich kann Nietzsche jedenfalls gut verstehen. Sich mit Carmen zu beschäftigen, ist wie frische Luft zwischendurch. Es ist sehr schön, dass wir den kompletten Ring und die Carmen in Zürich fast gleichzeitig spielen und diese grosse Klammer der Opernrezeption des 19. Jahrhunderts unserem Publikum präsentieren können – und dass ich selbst das machen darf.
Das Gespräch führte Kathrin Brunner
Dieser Artikel ist erschienen im MAG 110, April 2024.
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Zwischenspiel, 27.03.24
Music has no borders!
Marina Viotti ist die neue Zürcher Carmen. In Lausanne geboren, wuchs die junge Mezzosopranistin in einer Musikerfamilie auf. Sie studierte zunächst Flöte und widmete sich dem Heavy-Metal-Gesang. Wie und warum sie schliesslich doch noch zum Operngesang fand, erzählt die vielseitige Künstlerin im Podcast. Zum Podcast
Andreas Homoki über «Carmen»
«An dem Stück stimmt einfach alles», meint Andreas Homoki, Regisseur unserer neuen «Carmen». Im Video erklärt er uns, warum diese Oper so beliebt ist, welche Rolle die Pariser Opéra Comique in seiner Inszenierung spielt und wie er seine Hauptdarstellerin gefunden hat.
Wie machen Sie das, Herr Bogatu?
Nach Paris und retour
Die Premiere von Andreas Homokis «Carmen»-Inszenierung fand letztes Jahr an der Opéra Comique in Paris statt. Da die Opéra Comique, mit der wir das Stück koproduzieren, über keine eigenen Werkstätten verfügt, haben wir die Dekoration für beide Spielstätten gebaut, und das war insofern sehr spannend, weil Andreas Homoki und der Bühnenbilder Paul Zoller den Bühnenraum der Opéra Comique als Bühnenbild gewählt haben. Dessen seitliche Wände bestehen aus in dunklen Rot- und Brauntönen gebrannten Ziegelsteinen, die von dunkelgrau lackierten Stahlträgern eingefasst sind. In der ebenfalls geziegelten Rückwand befinden sich fünf markante, über 10 m hohe Stahltore, ebenfalls in dunklem Grau gehalten.
Es hätte also im Grunde genommen für die Aufführungen in der Opéra Comique gar kein Bühnenbild und keinen Bühnenbildner gebraucht. Doch damit Andreas Homoki auch überraschende Auftritte von den Seiten machen und die Handlung zu verschiedenen Zeiten spielen lassen kann, entwarf Paul Zoller ein paar Vorhänge und vier seitlich stehende Wände. Die Wände sollten genau im Stil der echten Wände gebaut werden.
Wir stellten schnell fest, dass die Bemalung der Wände überhaupt nicht einfach ist: Da diese Seitenwände in der Opéra Comique direkt vor der echten Rückwand stehen, mussten sie auch genauso aussehen wie diese echte Ziegelwand mit den Stahlträgern. Paul Zoller hatte zwar Fotos mitgebracht, und uns wurden noch viele weitere von unseren Kollegen aus Paris als Vorlage zugeschickt – aber die halfen hier nicht weiter: Diese Bilder sahen auf jedem Ausdruck und an jedem Bildschirm anders aus, und die Maler:innen hatten anhand der Fotos auch keine eindeutigen Angaben über Oberflächen und den Glanzgrad.
Auch Paul konnte uns hier nicht weiterhelfen. So haben wir in unseren Werkstätten eine kleine tragbare Wand mit Ziegeln aus Styropor und Stahlträgern aus Holz gebaut, und unsere Theatermaler sind damit kurzerhand nach Paris gefahren und haben in der Opéra Comique mit einer Art überdimensionalem Tuschkasten aus verschiedenen Dispersionsfarben diese Musterwand solange farblich behandelt, bis sie genauso aussah wie die Originalwand. Diese diente dann als Malvorlage in unseren Werkstätten für das ganze Bühnenbild: Denn für Paris mussten zwar nur die zusätzlichen seitlichen Wände gebaut werden, für Zürich wiederum bauten wir in den Werkstätten dann die Rückwand aus Paris mit den riesigen Stahltoren 1:1 nach, da unsere eigene Theaterrückwand nur schönes Schwarz zu bieten hat und überhaupt nicht zu den seitlichen Wänden passen würde.
Als im vergangenen Jahr die Premiere in Paris stattfand, sind diese zusätzlichen seitlichen Wände niemandem aufgefallen. Diese fügten sich in die Architektur des Bühnenhauses perfekt ein. Die Werkstätten haben wieder einmal echt gute Arbeit geleistet.
Sebastian Bogatu ist Technischer Direktor am Opernhaus Zürich.
Dieser Artikel ist erschienen in MAG 110, April 2024.
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Fotogalerie
Ich sage es mal so
Stumme Antworten auf grundsätzliche Fragen – mit Saimir Pirgu, der in Georges Bizets «Carmen» den Don José singt.Ich sage es mal so ist eine Interviewform in unserem MAG, in der Künstlerinnen und Künstler des Opernhauses - nach einer Idee des SZ-Magazins - in Form eines Fotoshootings Auskunft über sich geben
Hintergrund
Eine Stadt erwacht aus der Schockstarre
Georges Bizets «Carmen» ist ohne die Stadt nicht denkbar, in der die Oper entstanden ist. Paris befand sich zur Zeit der Uraufführung von «Carmen» an der Opéra Comique in einer traumatischen Umbruchsphase. Volker Hagedorn entwirft ein Panorama der französischen Metropole um 1875.
Blicken wir über die Stadt nach Süden, auf der Anhöhe von Montmartre stehend. Es ist März 1875, der Monat der Uraufführung von Carmen. Hier oben begann vor vier Jahren die Katastrophe, und Georges Bizet hätte sie vielleicht nicht überlebt, wäre er in Paris geblieben, als Nationalgardist und gar noch in seiner Uniform. Vor uns auf dem Hügel standen die 227 Kanonen… Aber dazu kommen wir gleich. Links von uns am Hang ist die Windmühle, die später auch van Gogh gemalt hat. Das flache Satteldach unten im Dächermeer ist die Madeleine, die Kirche, deren Titularorganist schon seit 17 Jahren Camille Saint-Saëns ist. Ein Stück weiter hinten ragt wie ein mastenloses Schiff die ungeheure Masse des neuen Opernhauses, der Opéra Garnier, aus dem Dächermeer. Anfang des Jahres wurde sie eröffnet. Die Salle Favart, das Haus der Opéra Comique, in der Carmen uraufgeführt wurde, können wir von hier aus nicht sehen, und ein paar andere Gebäude könnten wir schon deswegen nicht finden, weil sie vor vier Jahren niederbrannten. Auf den Eiffelturm müssen wir noch vierzehn Jahre warten.
Wer wissen will, was das für eine Stadt ist, in der Carmen ihren Anfang nimmt, von der ersten Konzeption bis zur Uraufführung, kommt um das Trauma nicht herum, das Paris wenige Jahre zuvor erlitten hat, ein beispielloses Gemetzel mit zehntausenden von Toten. Wie alle Grausamkeiten bis heute hat es seine Vorgeschichte. Im Sommer 1870, als Georges Bizet und seine Frau Geneviève Ferien in Barbizon machen, wo Corot und Courbet die Landschaft malen, stolpert Napoleon III. in einen Krieg mit Preussen und seinen Verbündeten, der zur Niederlage Frankreichs, dem Ende des Zweiten Kaiserreichs und zur Belagerung der Stadt Paris führt.
Am 18. September ist der Ring geschlossen, die 1,8-Millionen-Stadt mit ihren elf Bahnhöfen von aller Versorgung abgeschnitten wie auch von der Telegrafie. Im Oktober wird selbst Pferdefleisch zur Delikatesse, im Dezember werden die beiden Elefanten des Zoos geschlachtet, man mariniert inzwischen auch Ratten. Die Deutschen feuern täglich bis zu 400 Geschosse auf die Stadt. Im Januar verschwinden nach den Bäumen des Bois de Boulogne und der Boulevards auch die Ulmen der Champs-Élysées als Brennholz in den Pariser Öfen. Derweil lässt sich, mit teutonischem Feingefühl, ausgerechnet im Spiegelsaal von Versailles Wilhelm I. zum Kaiser des neugründeten deutschen Reichs ausrufen – eine Demütigung, der am 28. Januar der Waffenstillstand folgt, die Kapitulation von Paris, und am 1. März 1871 das Defilee der deutschen Truppen auf den Champs-Élysées. Mit dabei gewesen sein muss Georges Bizet, der als begeisterter Republikaner schon im September der Nationalgarde der neuen, Dritten Republik beitrat. «Wir haben bei dieser traurigen Gelegenheit unsere Pflicht getan. Mit dem ersten Trommelschlag um 8 Uhr morgens nahmen wir unsere Gewehre und formierten uns zum cordon sanitaire um unsere Feinde.» Aber es sind – schon am nächsten Tag verschwinden die Deutschen wieder aus der Stadt – nicht nur diese Feinde, denen sich das folgende Inferno verdankt.
Die Wahlen zur Nationalversammlung haben im Februar 1871 Frankreichs monarchistische Rechte an die Macht gebracht, während die Pariser mehrheitlich republikanisch gesinnt sind und den Waffenstillstand als Verrat sehen. Die Nationalversammlung nimmt ihren Sitz vorerst in Versailles, wo der 73-jährige Regierungschef Adolphe Thiers mit harten Erlässen viele Pariser in die Armut treibt und dazu noch beschliesst, die 227 Kanonen abtransportieren zu lassen, die auf dem Hügel von Montmartre stehen. Kanonen, die aus dem Westen der Stadt von den Parisern – ohne Pferde! – hierher geschleppt wurden, um sie vor der Beschlagnahme durch die Deutschen zu sichern. So, wie sie jetzt stehen, haben sie nur symbolischen Wert. Aber auf den kommt es Thiers an. «Damit», notiert Victor Hugo, «hat er den Funken aufs Pulver geworfen.»
Die Abholung der Kanonen am 18. März scheitert, die Regierungssoldaten fraternisieren mit der aufgebrachten Menge, zwei Generäle werden erschossen, man baut Barrikaden. Bizet ist indessen entsetzt von der Zurückhaltung der Nationalgarden. Seinem Brief vom 20. März zufolge gehört er zu jenen 5.000 von 300.000 Nationalgardisten, die bereit wären, für Ordnung zu sorgen, zugleich begrüsst er den Rückzug der Armee. Die Mehrzahl der Pariser – Arbeiter und Handwerker – wählt am 26. März eine linke Stadtregierung, die von nun an praktisch gegen Versailles regiert. In der «Commune», so heisst das Gemeinwesen nun, werden zur Linderung der Not vorübergehend die Mieten aufgehoben, es soll kostenlosen Grundschulunterricht geben, eine Berufsschule für Mädchen eröffnet werden, die Gleichberechtigung der Frauen wird diskutiert. Grossbürger und Unternehmer verlassen die Stadt, auch die Bizets. So bleibt ihnen die «blutige Woche» erspart. Mit 100.000 zusätzlichen Soldaten, die Bismarck rechtzeitig aus der Kriegsgefangenschaft entlassen hat, gelingt den Versailler Truppen am 21. Mai der Durchbruch in die Stadt. Paris ist umgeben von jenem Mauerring, den Thiers selbst als Ministerpräsident der Julimonarchie bis 1844 errichten liess und innerhalb dessen die Ringeisenbahn verläuft. Dann beginnt, Barrikade um Barrikade, ein Kampf um Paris, der auf Seiten der Eroberer in ein Gemetzel umschlägt. Gefangene Nationalgardisten werden von den Regierungssoldaten erschossen, mit Säbeln zerhackt, totgeschlagen. Bald wird jeder umgebracht, der irgendwie auffällt. In ihrer Verzweiflung ermorden die Kommunarden 85 Geiseln, darunter den Erzbischof von Paris.
Die Vergeltung ist umso schlimmer. Es kommt zu Massenhinrichtungen, nach Schätzungen sind es bis zu 30.000 Tote. Manche Strassen sind wegen der Leichenberge unpassierbar. Der Gestank der Verwesung mischt sich mit dem Rauch der Brände. Um die Angreifer zu stoppen, haben die Kommunarden ganze Häuserzeilen eingeäschert, viele prominente Gebäude fallen der Zerstörungswut beider Seiten zum Opfer oder dem Artilleriebeschuss. «Der letzte Kanonenschuss ist am gestrigen Sonntag abgefeuert worden, um halb drei», schreibt Bizet am 29. Mai an seine Schwiegermutter in Bordeaux, Hannah Léonie Halévy, im selben Brief kritisiert er Presseberichte über Gräueltaten der Kommunarden als Erfindung einer «abscheulichen Brut von Journalisten». Er und Geneviève befinden sich noch in Le Vésinet, zwölf Kilometer westlich von Paris, wo der Vater des Komponisten zwei kleine Sommerhäuser besitzt. Am selben Tag notiert Émile Zola in Paris: «Man befürchtet Pest und Cholera, selbst wenn all diese Leichen auf den bereits bestehenden Friedhöfen beerdigt würden. Man sagte mir sogar, dass an mehreren Stellen auf den Boulevards und in allen Avenuen, die man aufreissen konnte, Tote begraben wurden. Ich weiss nicht, ob diese Leichen dort bleiben werden, unter den Füssen der Spaziergänger, deren fröhliche Stimmen sie an den öffentlichen Feiertagen über ihren Köpfen hören würden.»
Indessen geht die Vergeltung weiter: 43.000 Männer, Frauen und Kinder werden inhaftiert, tausende verurteilt (der Vater von Claude Debussy bleibt bis 1875 im Gefängnis) und in entfernteste Kolonien deportiert. Bizet stellt erleichtert fest: «Unser Haus hat eine Menge Kugeln abbekommen, aber unsere Wohnung ist völlig unversehrt.» Sehr fröhlich sind die Pariser nicht im Sommer nach dem Blutbad, wie Gustave Flaubert beobachtet: «Die eine Hälfte der Bevölkerung hat Lust, die andere zu erwürgen, welche denselben Wunsch hegt. Das ist klar in den Augen der Passanten zu lesen.» Bizet, der nichts so fürchtet wie eine katholische Monarchie, klammert sich «mit der Energie der Verzweiflung» an Adolphe Thiers, diesen «energischen kleinen alten Mann. Er allein kann zugleich die Kommunarden und die Reaktionäre scheitern lassen.» Tatsächlich wird Thiers erster Präsident der Dritten Republik, während in Paris die «Normalität» in einem Tempo wiederhergestellt wird, als habe man nur einen bedauerlichen Zwischenfall hinter sich. Für Kontinuität bürgt schon der unter Napoleon III. begonnene Umbau der Stadt nach den Plänen Haussmanns, der nun fortgesetzt wird, ergänzt durch Reparatur, Abriss oder Neuerrichtung der niedergebrannten Gebäude. Während Kohorten von englischen Touristen anreisen, um die Ruinen zu bestaunen, fasst der New Paris Guide das Geschehen ganz im Sinne der regierungstreuen «Geschichtssschreibung» zusammen: «Paris hat schwer gelitten durch die überwältigenden Ereignisse von 1870 und mehr noch durch die Grausamkeiten der Commune. Dennoch hat die Stadt in unglaublich kurzer Zeit ihre Verluste wieder wettgemacht.»
Ganz so einfach ist es für Georges Bizet nicht. Die Opéra Comique beauftragt ihn nicht, wie vor dem Krieg geplant, mit einer abendfüllenden Oper – es wäre seine dritte nach den Perlenfischern und der Schönen von Perth, beides keine Erfolge für einen, der als Wunderkind begann und als Komponist alle verfügbaren Preise abräumte, und man einigt sich auf den Einakter Djamileh. Das Stück knüpft an den seit Jahrzehnten beliebten Orientalismus an, lässt eine Sklavin in Liebe zu ihrem Gebieter entbrennen und bringt es bis 1875 doch nur auf elf Vorstellungen. Bizet verdient sein Geld mit Arrangements, Gelegenheitskompositionen und Kurzzeitjobs und erhält seine nächste Bühnenchance als Zulieferer für ein Theaterstück von Alphonse Daudet.
Obwohl man auch hier auf Exotismus setzt – für Pariser ist die Provence als Schauplatz «fast so fremdartig wie Spanien und Ägypten» (Winton Dean) – wird L’Arlesienne im Oktober 1872 ein Fiasko, und Daudet schreibt fortan nur noch Romane. Die Bühnenmusik aber, die Bizet für das 26-köpfige Orchesterchen des Théâtre du Vaudeville komponiert hat, lässt so aufhorchen, dass Jules Pasdeloup die Stücke, zur Suite verbunden, im Cirque d’Hiver mit grossem Orchester realisiert – dieser Kuppelbau im 11. Arrondissement hat 3.900 Plätze. Es folgen weitere Aufführungen, die einschlagen. Es ist, als habe der 33-jährige Komponist einen neuen, unmittelbaren Ton gerade deswegen gefunden, weil er frei von dem Druck war, ein Meisterwerk schaffen zu müssen.
Für diesen neuen Sound haben die beiden Manager der Opéra Comique einen Sinn, so verschieden sie sind. Adolphe de Leuven, 72 Jahre alt, leitet das Haus schon seit 1862, seit 1870 ist der halb so alte Camille du Locle an seiner Seite, und nun wollen sie es doch mit einer grossen Oper von Bizet riskieren. Dabei spielen wie immer und überall und besonders in Paris Beziehungen eine Rolle. Als Librettisten schlägt du Locle seinen Freund Ludovic Halévy vor, der zugleich der Neffe von Bizets Schwiegervater und Kompositionslehrer Fromental Halévy ist und der vor allem, zusammen mit Henri Meilhac, das erfolgreichste Autorenduo des Operettenkönigs Jacques Offenbach bildet – von La Belle Hélène über La Grande-Duchesse de Gérolstein bis zu La Périchole. Gerade haben sie La Vie parisienne von 1866 wieder aufgewärmt, aber es zeichnet sich 1872 schon ab, was Halévy drei Jahre später diagnostiziert: «Offenbach, Meilhac und ich – wir sind am Ende, das ist die Wahrheit… Es fällt uns nichts mehr ein.» Offenbachs grosse Zeit ist mit dem Kaiserreich dahingegangen. Es fehlt mit Napoleon III. das schillernde Zentrum der Macht, das die Spottlust inspiriert, und der Pariser Sinn für Ironie lässt sich nach dem Blutbad nicht neu aufbauen wie das niedergebrannte Rathaus. Es reizt die beiden Autoren, mit Bizet, einem fähigen Komponisten aus ihrer eigenen Generation, den 1830ern, etwas Neues auf die Beine zu stellen. Aber was?
In der Liebe der Pariser zu exotischen Schauplätzen hat Spanien schon seit langem einen Platz, aber Mitte der 1870er, so Orlando Figes, «erreichte das französische kulturelle Interesse an Spanien seinen Höhepunkt», nicht zuletzt als Abwendung von den Deutschen. Und in der Mitte des musikalischen Interesses am südwestlichen Nachbarland befindet sich der Salon von Pauline Viardot in der rue de Douai 50, wenige Schritte von der Nummer 22 entfernt, in der Georges und Geneviève Bizet wohnen und wo im Sommer 1872 ihr Sohn Jacques zur Welt gekommen ist; im selben Haus wohnt auch Ludovic Halévy, der künftige Carmen-Librettist. Auch bei den Viardots erwies sich alles als unbeschädigt, als sie aus London zurückkehrten, wo sie die Ereignisse abgewartet hatten. Im Dachgeschoss ihres zweistöckigen Baus erhielt nun Iwan Turgenew zwei Zimmer, der russische Romancier, der mit Pauline und ihrem um 20 Jahre älteren Ehemann Louis schon lange in einer ménage à trois lebt. Auch Bizet besucht die Donnerstagabende, an denen Pauline, geborene García, Tochter spanischer Sänger, Mezzosopranistin, Komponistin, Kosmopolitin, nahezu allen in Paris tätigen Komponisten seit Rossini verbunden, neue oder rare Musik aufführen lässt und selbst singt. Was bei ihr an spanischer Folklore wie auch Kunstmusik zu hören ist, inspiriert Édouard Lalo und Camille Saint-Saëns; Bizet ist besonders von einer Habanera beeindruckt, «El arreglito», aus der er Carmens Arie «L’amourest un oiseau rebelle» machen wird. Aber wie kommt er auf Carmen, die Novelle von Prosper Mérimée, die seit 1847 in mehreren Auflagen erfolgreich war? Ludovic Halévy erinnert sich, Bizet sei selbst darauf gekommen. Doch von Émile Zola wissen wir, dass Turgenew seinen Kollegen Mérimée bewunderte und ihn sogar gegen Flauberts Geringschätzung verteidigte. Gut möglich, dass er Bizet den Tipp gab.
«Carmen! Die Carmen von Mérimée! Die von ihrem Geliebten ermordet wird? Und dieses Milieu der Diebe, der Zigeunerinnen, der Zigarettenarbeiterinnen! An der Opéra Comique, dem Theater der Familien!» Adolphe de Leuven, der ältere der beiden Theaterchefs, ist entsetzt, als Librettist Halévy mit seinem Vorschlag kommt. An jedem Abend, erklärt er ihm, seien fünf bis sechs Logen reserviert für Treffen junger Damen und Herren, die eine Ehe erwägen. Die Hälfte aller Logen verfügt über einen eigenen kleinen Salon fürs Private zwischen den Akten, die kosten acht Francs (was etwa 50 Euro entspricht), sämtliche Logen sind wie zu Kaisers Zeiten mit einer Klingelschnur versehen, damit man sich Erfrischungen bringen lassen kann. Wie eh und je dürfen im Parkett nur Herren sitzen. Und in so einem Haus soll nun die Titelheldin von ihrem Ex-Lover abgestochen werden, anstatt wenigstens den üblichen gewaltfreien Opfertod zu erleiden, so wie Juliette oder Violetta!
Der jüngere Opernchef Camille du Locle ist risikofreudiger, setzt sich durch und leitet ab 1873 das Haus allein. Er will die Lücke ausnutzen, die das Théâtre Lyrique hinterlassen hat, das Opernhaus nahe dem Hôtel de Ville, das bei den Kämpfen im März 1871 ebenfalls in Flammen aufging und zuvor mit gewagten Novitäten auffiel, von Berlioz’ Troyens über Gounods Roméo et Juliette bis zu Bizets Perlenfischern. Für die Musikgeschichte ist es fast ein Glück, dass in einer Oktobernacht 1873 gleich das nächste Opernhaus abbrennt, die prestigeträchtige Salle Le Peletier, zuständig für Grand Opéra, historische Stoffe, Staatsbesuche. Ursache des Brandes ist möglicherweise die einst so innovative Gasbeleuchtung. Eine Folge ist, dass Georges Bizet die Arbeit an einer Oper abbricht, mit der ihn dieses Haus beauftragt hatte und die seiner Arbeit an Carmen im Weg war – wobei er Don Rodrigue wichtiger fand.
Noch ein Ausfall, der zum Glücksfall wird: Die ursprünglich vorgesehene Marie Roze lehnt die Partie einer Titelheldin ab, die am Ende ermordet wird, und so wird schon Ende 1873 Célestine Galli-Marié verpflichtet, 35 Jahre alt, ein Liebling des Pariser Publikums und in ihrer Abenteuerlust der Carmen so ähnlich, dass der Komponist ihr während der Arbeit wohl ähnlich nahe kommt wie zu gleicher Zeit seine Frau dem schillernden Klaviervirtuosen Élie-Miriam Delaborde, dem Sohn des eigensinnigen Chopin-Vertrauten Charles Valentin Alkan. Aber auch die Entschlossenheit Carmens bringt ihre Darstellerin mit. Als Opernchef du Locle auf den letzten Metern doch noch kalte Füsse bekommt und auf einem unblutigen Schluss besteht, droht Galli-Marié – gemeinsam mit dem Sänger des Don José –, die ganze Produktion platzen zu lassen. Das wirkt.
Das offizielle Opernhauptereignis des Jahres 1875 findet am 5. Januar statt. Im prachtvollen Palais Garnier, nach vierzehn Jahren Bauzeit fertiggestellt, drängen sich «die Begünstigten und Begüterten, für die dieser Palast geschaffen war». Eine einfache Loge kostet an diesem Abend 120 Francs. In der Hofloge, ursprünglich für Napoleon III. bestimmt, nimmt Marschall Mac-Mahon Platz, als Präsident der Dritten Republik Nachfolger von Adolphe Thiers. Er ist jener Monarchist, der 1871 die Truppen von Versailles bei der Vernichtung der Commune befehligt hatte. Man wohnt einem Galaabend mit bewährten Szenen aus Werken von Meyerbeer und Delibes bei. Das wahre Opernereignis zwei Monate später, am 3. März in der Opéra Comique, ist zuerst ein Flop, wenngleich ein prominent besuchter. Natürlich sind die Viardots und Turgenew gekommen, aber auch Jacques Offenbach und seine Stardarstellerin Hortense Schneider, die Komponisten Gounod und Massenet, Alexandre Dumas der Jüngere und noch zwei Dutzend Kulturzelebritäten. Im ersten Akt von Carmen sind die Leute noch begeistert, im vierten Akt herrscht eisige Ablehnung, so erinnert sich Ludovic Halévy, der den traurigen Komponisten nach Hause begleitet, 20 Minuten bis zur rue de Douai, zu Fuss und schweigend.
«Der krankhafte Zustand dieser Unglücklichen, die ohne Unterlass und ohne Gnade der Glut des Fleisches ausgesetzt ist, ist ein glücklicherweise sehr seltener Fall, der eher die Sorge der Ärzte weckt als das Interesse ehrbarer Zuschauer, die mit ihren Frauen und Töchtern in die Opéra Comique gekommen sind.» Was am 8. März 1875 in Le siècle zu lesen ist, wo der 54-jährige Oscar Commetant den Komponisten auf bedauerlichem Irrweg sieht, das entspricht dem Mainstream der bürgerlichen Presse – aber es hält die Leute keineswegs vom Besuch der neuen Oper ab. Carmen füllt das Haus, und schon bis Ende Mai gibt es 33 Vorstellungen. Dann erleidet der 36-jährige Georges Bizet, der sich von Probenstress und Enttäuschung nicht erholt hat, in seinem Sommerhaus in Bougival, dort, wo er Carmen vollendete, einen tödlichen Herzanfall.
Keine zwei Wochen später wird der Grundstein für Sacré-Cœur gelegt, für dieses Monument eines katholischen, reaktionären Frankreich, und zwar genau dort, wo der Aufstand der Pariser am 18. März 1871 begann, als die 227 Kanonen abgeholt werden sollten. Und genau dort, wo im Mai jenes Jahres «neunundvierzig Menschen, darunter drei Frauen und vier Kinder, zusammengetrieben und am Todesort der beiden Generäle kniend erschossen» wurden. In langen Jahrzehnten wächst dann dieser gewaltige Zuckerstöpsel auf einem Meer von Blut in die Höhe. Weitaus schneller aber wächst der Ruhm von Carmen, dieser Oper, die fern der besseren Gesellschaft spielt und keinen in die Illusion entlässt, es sei doch noch alles gut gegangen. Eine Oper, die in all ihrer Intensität nur in diesen Jahren nach 1871 entstehen konnte.
Dieser Artikel ist erschienen in MAG 110, April 2024.
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Fragebogen
Natalia Tanasii
Natalia Tanasii singt die Micaëla in unserer Neuproduktion der «Carmen». Von 2017 bis 2019 gehörte sie zum Internationalen Opernstudio in Zürich. Seither sang sie an wichtigen europäischen Bühnen wie den Salzburger Festspielen, La Monnaie oder dem Teatro Real in Madrid. Jüngst verkörperte sie an der Staatsoper Hamburg sowie am Prager Nationaltheater die Mimì in «La bohème».
Worauf freust du dich bei unserer Carmen-Produktion am meisten?
Momentan geniesse ich vor allem den Probenprozess. Für mich bedeutet er genauso viel wie die Vorstellungen vor Publikum. Den Charakter und die Geschichte zu entwickeln, den Blickwinkel zu verändern, den musikalischen Rahmen Schritt für Schritt zu erweitern und das Ergebnis dann mit dem Publikum zu teilen, das ist ein komplexer, langer Prozess, der mir aber grossen Spass macht. Natürlich habe ich mich auch darauf gefreut, mit Andreas Homoki zu arbeiten. Ich liebe den detaillierten Ansatz, den er uns vermittelt.
Kannst du dich mit der Rolle der Micaëla identifizieren?
Nun, ich sehe sie jedenfalls keineswegs als langweilige, sondern als mutige Figur. Ich mag sie, und trotz der Tradition, sie als schüchtern und ängstlich zu bezeichnen, denke ich, dass sie im Namen ihrer Liebe handelt und ein klares Ziel hat, nämlich José zu finden und mit ihm zusammenzusein. Aber sie ist nicht blind, und die Veränderungen, die bei ihm später eintreten werden, sind nicht schön.
Welche Erfahrung in deiner Ausbildung war für dich am wichtigsten?
Ich hatte das grosse Glück, in meinem Heimatland Moldawien eine gute Ausbildung zu erhalten, in einem speziellen Musiklyzeum namens «Ciprian Porumbescu», in das ich sogar erst recht spät, mit 13 Jahren, nach einer einfachen Musikschule in meiner Stadt eintrat. Dann die Akademie für Musik, Theater und bildende Kunst in Chişinău. Einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen wird das IOS hier am Opernhaus Zürich haben, das für mich weit mehr war als eine Opernschule, vielmehr eine Schule des Opernlebens.
Welches Buch würdest du niemals weggeben wollen?
Die Bibel.
Mit welchem Künstler, welcher Künstlerin würdest du gerne einmal zu Abend essen, und worüber würdet ihr sprechen?
Wenn ich in der Zeit reisen könnte, würde ich gerne die grosse Sopranistin Mirella Freni treffen und mit ihr nicht nur über die Stimme, sondern auch über das Leben sprechen wollen.
In welche Epoche würdest du gerne reisen?
Ins 19. Jahrhundert, als die schönsten Werke entstanden – aber nicht für lange, denn ich mag den Komfort unserer Zeit sehr!
Welches künstlerische Projekt in der Zukunft, das dir viel bedeutet, bereitest du gerade vor?
Alle kleinen und grossen Projekte sind mir wichtig. Momentan bin ich dabei, meinen ersten Gedichtband fertig zu stellen, der hoffentlich in den nächsten sechs bis acht Monaten erscheinen wird, und als musikalisches Projekt freue ich mich sehr darauf, in einem Jahr die Rolle der Gorislava in Glinkas Ruslan und Ludmila an der Hamburgischen Staatsoper zu singen.
Wie wird die Welt in 100 Jahren aussehen?
Ich hoffe, dass sie immer noch ein Ort für Menschen sein wird, die es verstehen zu lieben, zu beten, den Frieden zu schätzen und freundlich zu bleiben!
Dieser Artikel ist erschienen in MAG 110, April 2024.
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Auf dem Pult
Das Englischhorn, dessen Timbre stark an die Farbe des Violoncellos erinnert, wird in der Musik des 19. Jahrhunderts sehr oft als Schwanengesang oder in besonders dramatischen Momenten eingesetzt: Man denke nur an das grosse Englischhornsolo im dritten Akt von Richard Wagners Tristan und Isolde. Das ist auch die Welt, aus der das markante Schicksalsmotiv in Bizets Oper Carmen entstammt. Das Leitmotiv, das in der Ouvertüre zum ersten Mal erklingt, ist zunächst sehr frei, bis zwei unerbittliche, perkussive Schläge – manchmal im Schlagzeug, manchmal in den Streichern als Pizzicato – den melodischen Fluss unterbrechen. Wenn ich das Motiv auf dem Englischhorn spiele, leitet das Solo ausgerechnet Don Josés sogenannte Blumenarie im zweiten Akt ein («La fleur que tu m’avais jetée»), die eine sehr ambivalente, nostalgische Liebeserklärung an Carmen ist. Don José vergegenwärtigt sich hier rückblickend einen Moment im Gefängnis: Die Blume, die ihm Carmen zuvor geschenkt hat und die er auch im Gefängnis bei sich trägt, ist bereits verwelkt. Don José versucht sich an ihren Duft zu erinnern und damit an Carmen, die ihm zwar wie ein böser Dämon vorkommt, die er aber trotzdem wiedersehen und sich ihrer bemächtigen möchte, wie er sagt. Dass Carmen und Don José nie wirklich zueinanderfinden werden, ist für mich in dieser Arie jedenfalls bereits angelegt. Carmen zu spielen bedeutet für mich sehr viel. Ich lernte die Oper als Kind kennen und war damals besonders von ihrem «spanischen» Kolorit fasziniert. Heute interessieren mich ganz andere Aspekte an Carmen: etwa die Frage, wer denn nun Opfer und wer Täter am Ende ist (heute würde man von einem Femizid sprechen), oder der Freiheitsgedanke von Carmen, die sich, koste es, was wolle, ihre eigenen Gesetze verleiht.
—Clément Noël
Biografien
Gianandrea Noseda, Musikalische Leitung
Gianandrea Noseda
Gianandrea Noseda ist seit der Spielzeit 2021/22 Generalmusikdirektor des Opernhauses Zürich. Zudem ist er Musikdirektor des National Symphony Orchestra und Erster Gastdirigent des London Symphony Orchestra. 2019 wurde er Musikdirektor des neu gegründeten Tsinandali Festivals und des georgischen Pan-Caucasian Youth Orchestra. 2007 bis 2018 amtierte Noseda als Generalmusikdirektor des Teatro Regio di Torino und hat das Opernhaus während dieser Zeit künstlerisch neu ausgerichtet. Noseda hat die wichtigsten internationalen Orchester (Berliner Philharmoniker, Chicago Symphony, Concertgebouw Orchestra, Wiener Philharmoniker) sowie an den bedeutendsten Opernhäusern (La Scala, Metropolitan Opera, Royal Opera House) und Festivals (BBC Proms, Edinburgh, Salzburg und Verbier) dirigiert. Er hat leitende Funktionen u.a. beim BBC Philharmonic (Chefdirigent), Israel Philharmonic Orchestra (Erster Gastdirigent), Mariinsky Theater (Erster Gastdirigent) sowie beim Stresa Festival (Künstlerischer Leiter) innegehabt. Seine Diskografie umfasst mehr als 70 CDs – einen besonderen Platz nimmt das Projekt «Musica Italiana» mit vernachlässigtem italienischem Repertoire des 20. Jahrhunderts ein. Der in Mailand geborene Noseda ist Commendatore al Merito della Repubblica Italiana. Im Jahr 2015 wurde er als «Musical America’s Conductor of the Year» geehrt, bei den International Opera Awards 2016 zum «Dirigenten des Jahres» ernannt und erhielt 2023 den Puccini-Preis. Im selben Jahr zeichneten die Oper!Awards Noseda als «Besten Dirigenten», wobei insbesondere seine Interpretationen der ersten beiden Ring-Opern am Opernhaus Zürich hervorgehoben wurden.
Andreas Homoki, Inszenierung
Andreas Homoki
Andreas Homoki wurde als Sohn einer ungarischen Musikerfamilie 1960 in Deutschland geboren und studierte Schulmusik und Germanistik in Berlin (West). 1987 ging Andreas Homoki als Regieassistent und Abendspielleiter an die Kölner Oper, wo er bis 1993 engagiert war. In den Jahren 1988 bis 1992 war er ausserdem Lehrbeauftragter für szenischen Unterricht an der Opernschule der Musikhochschule Köln. Hier entstanden erste eigene Inszenierungen. 1992 führte ihn seine erste Gastinszenierung nach Genf, wo seine Deutung der Frau ohne Schatten internationale Beachtung fand. Die Inszenierung, die später auch am Pariser Théâtre du Châtelet gezeigt wurde, erhielt den französischen Kritikerpreis des Jahres 1994. Von 1993 bis 2002 war Andreas Homoki als freier Opernregisseur tätig und inszenierte u. a. in Köln, Hamburg, Genf, Lyon, Leipzig, Basel, Berlin, Amsterdam und München. Bereits 1996 debütierte er an der Komischen Oper Berlin mit Falstaff, es folgten Die Liebe zu drei Orangen (1998) sowie im Jahre 2000 Die lustige Witwe. 2002 wurde Andreas Homoki als Nachfolger von Harry Kupfer zum Chefregisseur der Komischen Oper Berlin berufen, deren Intendant er 2004 wurde. Neben seinen Regiearbeiten an der Komischen Oper Berlin inszenierte er u. a. am Théâtre du Châtelet in Paris, an der Bayerischen Staatsoper München, am New National Theatre Tokyo, an der Sächsischen Staatsoper Dresden und der Hamburgischen Staatsoper. Im Juli 2012 inszenierte er unter der musikalischen Leitung von William Christie David et Jonathas von Marc-Antoine Charpentier für das Festival in Aix-en-Provence – eine Produktion, die später auch u. a. in Edinburgh, Paris und New York gezeigt wurde. Seit Beginn der Spielzeit 2012/13 ist Andreas Homoki Intendant des Opernhaus Zürich und inszenierte hier u. a. Der fliegende Holländer (Koproduktion mit der Mailänder Scala und der Norwegischen Staatsoper Oslo), Fidelio, Juliette, Lohengrin (Koproduktion mit der Wiener Staatsoper), Luisa Miller (Hamburgische Staatsoper), Wozzeck, My Fair Lady (Komische Oper Berlin), I puritani, Medée, Lunea (von der Zeitschrift Opernwelt zur «Uraufführung des Jahres 2017/18» gekürt), Iphigénie en Tauride, Nabucco, Simon Boccanegra, Les Contes d’Hoffmann, Salome, den Ring des Nibelungen und Carmen. Andreas Homoki ist seit 1999 Mitglied der Akademie der Künste Berlin.
Arturo Gama, Co-Regie, Choreografie
Arturo Gama
Arturo Gama studierte Schauspiel und Theaterwissenschaft an der Universität in Mexiko City und absolvierte gleichzeitig eine Ausbildung in Ballett und Modernem Tanz am Instituto Nacional de Bellas Artes. Nach einem Gastengagement als Tänzer beim London City Ballet wurde er Mitglied des Tanztheaters der Komischen Oper Berlin, wo er ab 1996 als Solotänzer engagiert war. Seine Tänzerkarriere beendete er 2001 und wurde zunächst persönlicher Mitarbeiter von Harry Kupfer, u. a. bei dessen Inszenierung von Schoecks Penthesilea am Teatro del Maggio Musicale Fiorentino. Danach folgte ein Festengagement als Regieassistent und Abendspielleiter an der Komischen Oper Berlin unter der Intendanz von Andreas Homoki. Hier arbeitete er mit Harry Kupfer, Willy Decker, David Alden, Calixto Bieito, Peter Konwitschny und Hans Neuenfels. Sein Regiedebüt gab er 2003 mit L’Histoire du soldat von Igor Strawinsky an der Komischen Oper Berlin. 2005 wurde er Oberspielleiter am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin. Dort inszenierte er u. a. Tosca, Gianni Schicchi, Madama Butterfly, Roméo et Juliette, Die Grossherzogin von Gérolstein, Hänsel und Gretel, Lucia di Lammermoor, Così fan tutte, Die Zauberflöte, Herzog Blaubarts Burg, Der fliegende Holländer und Tannhäuser. Seit 2012 ist er freischaffender Regisseur und Choreograf. Als Gastregisseur arbeitete er am Petersburger Mariinsky Theater, Teatro Colón in Buenos Aires und Teatro Nacional de Bellas Artes in Mexiko City. Mit Andreas Homoki erarbeitete er als Choreograf My Fair Lady an der Komischen Oper Berlin und in Zürich Das Land des Lächelns, Salome und Carmen. Seit 2020/21 ist er Spielleiter am Opernhaus Zürich.
Paul Zoller, Bühnenbild
Paul Zoller
Nach einem Architekturstudium an der Hochschule der bildenden Künste Wien, der University of Michigan und der UDK Berlin gründete der 1966 in Innsbruck geborene Paul Zoller die Architektengruppe «the poor boys enterprise», mit der einige Ausstellungen und performative Architekturprojekte entstanden. Ab 1992 absolvierte er ein Bühnenbildstudium an der Akademie der bildenden Künste Wien bei Erich Wonder mit Diplom und Förderpreis des Kulturministeriums Österreich und Teilnahme an den internationalen Kursen für Opernregie von Ruth Berghaus. Es folgten Assistenzen bei Heiner Goebbels, The Wooster Group in New York, George Tabori, Achim Freyer und Bernhard Kleber. Seit 1996 ist Paul Zoller als Bühnen- und Kostümbildner tätig, u. a. in Produktionen von Andreas Homoki, David Hermann, Lorenzo Fioroni, Thilo Reinhardt, Jetske Mijnssen und Jan Richard Kehl an der Deutschen Oper und der Komischen Oper Berlin, den Opernhäusern in Zürich, Basel, Leipzig, Essen, Kassel, Weimar, Dortmund, Kiel und Ulm, bei der Münchner Musikbiennale, an der Opéra Comique Paris, am BAM New York, am Staatstheater am Gärtnerplatz in München, Akademietheater Wien, Teatro Real Madrid, am Hebbeltheater Berlin sowie bei den Festivals in Aix-en-Provence und Edinburgh. Neben seiner Tätigkeit als Bühnenbildner arbeitet Paul Zoller als Bildender Künstler und ist Dozent an der TU Berlin. 2012 und 2014 wurde er für den Deutschen Theaterpreis «Der Faust» nominiert. 2024 folgte von den Oper!Awards die Auszeichnung für das «Beste Bühnenbild», u.a. für die Neuproduktion von Jules Massenets Hérodiade an der Deutschen Oper am Rhein.
Gideon Davey, Kostüme
Gideon Davey
Gideon Davey, geboren in Bristol, ist Kostüm- und Bühnenbildner für Theater, Film und Fernsehen. Eine enge Zusammenarbeit verbindet ihn mit den Regisseuren David Alden und Robert Carsen. Zudem wirkte er u.a. in Produktionsteams von Andreas Homoki, Jetske Mijnssen, Floris Visser, Stephen Lawless und Jasmina Hadziahmetovic mit. Seine Kostüme für David Aldens Inszenierung von Il ritorno d’Ulisse in patria an der Staatsoper in München brachten ihm die Auszeichnung «Kostümbildner des Jahres 2005» der Zeitschrift Opernwelt ein. Zu seinen Arbeiten gehören Wozzeck, Agrippina und Platée am Theater an der Wien mit Robert Carsen, Luisa Miller an der Staatsoper Hamburg mit Andreas Homoki, Semele bei den Händel-Festspielen Karlsruhe mit Floris Visser, Alfredo Catalanis Loreley am Theater St. Gallen und Pique Dame an der English National Opera mit David Alden sowie Luigi Rossis Orfeo an der Opéra national de Lorraine mit Jetske Mijnssen. Am Opernhaus Zürich entwarf er bisher das Kostüm- bzw. Bühnenbild für Das Gespenst von Canterville, Robin Hood, Der Zauberer von Oz, Idomeneo, Arabella, Hippolyte et Aricie, Maria Stuarda, Hänsel und Gretel, Anna Bolena, Dialogues des Carmélites und Roberto Devereux. Er schuf die Kostüme für Aldens Lohengrin am Royal Opera House London, Bühne und Kostüme für Carsens Giulio Cesare an der Scala in Mailand und 2021 Bühne und Kostüme für Il trionfo del Tempo e del Disinganno bei den Salzburger Festspielen. Jüngst war er an der Mailänder Scala für Peter Grimes, an der Deutschen Oper Berlin für Anna Bolena, an der Oper Halle für Il barbiere di Siviglia sowie an der Oper Köln für Idomeneo engagiert.
Franck Evin, Lichtgestaltung
Franck Evin
Franck Evin, geboren in Nantes, ging mit 19 Jahren nach Paris, um Klavier zu studieren. Nachts begleitete er Sänger im Café Théâtre Le Connetable und begann sich auch für Beleuchtung zu interessieren. Schliesslich entschied er sich für die Kombination aus Musik und Technik. Dank eines Stipendiums des französischen Kulturministeriums wurde er 1983 Assistent des Beleuchtungschefs an der Opéra de Lyon. Hier arbeitete er u. a. mit Ken Russel und Robert Wilson zusammen. Am Düsseldorfer Schauspielhaus begann er 1986 als selbstständiger Lichtdesigner zu arbeiten und legte 1993 die Beleuchtungsmeisterprüfung ab. Besonders eng war in dieser Zeit die Zusammenarbeit mit Werner Schröter und mit dem Dirigenten Eberhard Kloke. Es folgten Produktionen u. a. in Nantes, Strassburg, Paris, Lyon, Wien, Bonn, Brüssel und Los Angeles. Von 1995 bis 2012 war er Künstlerischer Leiter der Beleuchtungsabteilung der Komischen Oper Berlin und dort verantwortlich für alle Neuproduktionen. Hier wurden besonders Andreas Homoki, Barrie Kosky, Calixto Bieto und Hans Neuenfels wichtige Partner für ihn. Im März 2006 wurde Franck Evin mit dem «OPUS» in der Kategorie Lichtdesign ausgezeichnet. Seit Sommer 2012 arbeitet er als künstlerischer Leiter der Beleuchtungsabteilung an der Oper Zürich. Franck Evin wirkt neben seiner Tätigkeit in Zürich weiterhin als Gast in internationalen Produktionen mit, etwa an den Opernhäusern von Oslo, Stockholm, Tokio, Amsterdam, München, Graz sowie der Opéra Bastille, der Mailänder Scala, dem Teatro La Fenice, der Vlaamse Opera und bei den Bayreuther Festspielen.
Janko Kastelic, Choreinstudierung
Janko Kastelic
Janko Kastelic ist ein kanadisch-slowenischer Dirigent, Chorleiter, Pianist und Organist. Er begann seine musikalische Ausbildung in Kanada am Royal/Western Conservatory of Music und der St. Michael‘s Choir School. Er hat einen Abschluss in Dirigieren, Komposition und Musiktheorie von der Universität Toronto und setzte sein Studium an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Wien fort. Seit 2017 ist er Chordirektor am Opernhaus Zürich. Er war einer der Kapellmeister der Wiener Hofmusikkapelle, Studienleiter des JET-Programms für junge Sänger am Theater an der Wien und Assistent bei den Bayreuther Festspielen sowie Gastchordirektor an der Hamburgischen Staatsoper. Zu den Positionen, die er im Lauf seiner Karriere bekleidet hat, gehört auch die Stelle des Generalmusikdirektors und Operndirektors am Slowenischen Nationaltheater Maribor, des Zweiten Chordirektors an der Wiener Staatsoper sowie des Korrepetitors an der Opéra National de Paris. Er war Assistenzprofessor an der Universität Ljubljana und Mentor an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien. Seine künstlerischen Leistungen sind dokumentiert auf mehreren Live-Aufnahmen, darunter Tschaikowskis Pique Dame und Schönbergs Moses und Aron. Er arrangierte und dirigierte auch Werke für die Feierlichkeiten zum Mozartjahr 2006. Zu seinen Arbeiten beim Klangbogen-Festival in Wien gehört die europäische Erstaufführung von Blochs Macbeth. Janko Kastelic ist auch ein engagierter Pädagoge, der sich der Förderung der nächsten Generation von Musikerinnen und Musikern verschrieben hat.
Kathrin Brunner, Dramaturgie
Kathrin Brunner
Kathrin Brunner wurde in Zürich geboren. Sie studierte in ihrer Heimatstadt sowie an der Humboldt-Universität Berlin Germanistik, Musikwissenschaft und Französisch. Nach diversen Regiehospitanzen (u.a. Die Dreigroschenoper am Luzerner Theater; Regie: Vera Nemirova) und Dramaturgiehospitanzen ist sie seit 2008 Dramaturgin am Opernhaus Zürich. Hier arbeitete sie u.a. mit Regisseur:innen wie Achim Freyer (Moses und Aron), Harry Kupfer (Die Meistersinger von Nürnberg, Tannhäuser), Stephan Müller, Guy Joosten, Damiano Michieletto, Christof Loy (La straniera, Alcina, I Capuleti e i Montecchi, Don Pasquale, La rondine), Willy Decker (Il ritorno d'Ulisse in patria, The Turn of the Screw), Andreas Homoki (Wozzeck, Das Land des Lächelns, La forza del destino), Christoph Marthaler (Il viaggio a Reims, Orphée et Euridice), Barrie Kosky (Die Gezeichneten, Boris Godunow), Nadja Loschky, Nina Russi, Jan Essinger und Jetske Mijnssen (Idomeneo, Hippolyte et Aricie, Platée). Bei den Salzburger Festspielen 2012 erarbeitete sie La bohème mit Damiano Michieletto. Während der Corona-Pandemie war sie Co-Gründerin der Konzertreihe Altchemie live in der Alten Chemie Uetikon (https://www.altchemie.live).
Marina Viotti, Carmen
Marina Viotti
Marina Viotti wurde in der Schweiz geboren und wuchs in Frankreich auf. Sie studierte zunächst Querflöte, experimentierte mit Jazz, Gospel und Heavy Metal und erwarb einen Master-Abschluss in Philosophie und Literatur, bevor sie in Wien und Lausanne ein Gesangsstudium absolvierte. Im April 2019 wurde sie bei den renommierten International Opera Awards in London mit dem Mazars Young Singer Award als «Beste junge Sängerin» ausgezeichnet. Erste Engagements führten sie nach dem Studium an die Oper Lausanne, an das Luzerner Theater und als Teil des jungen Ensembles an das Grand Théâtre de Genève. Inzwischen gastiert sie an den renommiertesten Opernbühnen. So war sie bereits an der Bayerischen Staatsoper als Maddalena (Rigoletto) und an der Mailänder Scala als Stéphano in Romeo und Julia zu hören. Sie sang u.a. Rosina (Il barbiere di Siviglia) an den Opern in Dresden, Barcelona und Moskau, Melibea (Il viaggio a Reims) in Valencia, Nicklausse und Muse (Hoffmanns Erzählungen) am Liceu in Barcelona und an der Mailänder Scala und die Titelrolle in Glucks Alceste am Teatro dell’Opera in Rom. Unter Daniel Barenboim debütierte sie an der Staatsoper Berlin als Dorabella in Così fan tutte und stand in der Titelpartie von La Périchole am Théâtre des Champs-Elysées in Paris auf der Bühne. Aktuell kehrt sie als Rosina an die Staatsoper Berlin zurück und singt die Titelpartie in Rossinis La Cenerentola an der Semperoper Dresden. Zuletzt führten sie mehrere Konzertengagements u.a. zum Gulbenkian-Orchester nach Lissabon, ans Concertgebouw in Amsterdam, ans Grand Théâtre de Génève und nach Grafenegg.
Natalia Tanasii, Micaëla
Natalia Tanasii
Die moldawische Sopranistin Natalia Tanasii ist Gewinnerin des 2. Preises beim begehrten Wettbewerb «Neue Stimmen» und debütierte bereits auf wichtigen europäischen Bühnen wie den Salzburger Festspielen, dem Opernhaus Zürich, La Monnaie, der Hamburgischen Staatsoper und dem Teatro Real in Madrid. 2014 wurde sie Mitglied im Jungen Ensemble der Oper Oslo, wo sie Micaëla in Bieitos Carmen sang, und trat im Southbank Centre London in Brittens War Requiem unter Marin Alsop auf. 2015/16 nahm sie als Jerwood Young Artist am Glyndebourne Festival teil und war dort als Füchslein und Chocholka in Janáčeks Das schlaue Füchslein zu erleben. 2016/17 sang sie in Bieitos War Requiem an der Oper Oslo und am Teatro Arriaga in Bilbao und gab ihr Debüt als Fiordiligi (Così fan tutte). In ihrer Heimat tritt sie regelmässig in Konzerten und Rezitalen auf und wurde mit einem «National Award for Outstanding Achievement in Arts» ausgezeichnet. Von 2017 bis 2019 gehörte sie zum Internationalen Opernstudio in Zürich und sang hier u.a. Ein Sklave (Salome), Undis/Wilddrude (Ronja Räubertochter), Kate Pinkerton (Madama Butterfly), Arminda (La finta giardiniera), Sandmännchen (Hänsel und Gretel), Javotte (Manon) und die 5. Magd in Elektra. Sie gastierte ausserdem in Lissabon und sang dort Mimì in La bohème sowie im Sommer 2020 bei den Salzburger Festspielen die 5. Magd (Elektra) unter Franz Welser-Möst. Jüngst sang sie an der Staatsoper Hamburg sowie am Prager Nationaltheater die Mimì in La bohème.
Niamh O'Sullivan, Mercédès
Niamh O'Sullivan
Die irische Mezzosopranistin Niamh O'Sullivan studierte an der Royal Irish Academy of Music in Dublin bei Veronica Dunne. Im Anschluss an ihr Studium war sie von 2016 bis 2018 Mitglied des Opernstudios an der Bayerischen Staatsoper. Dort sang sie Hänsel (Hänsel und Gretel), Kate Pinkerton (Madama Butterfly), die Sekretärin in Menottis Der Konsul, Flora (La traviata) und Barena (Jenůfa). Ausserdem reiste sie mit dem Ensemble zu einer konzertanten Aufführung von Der Rosenkavalier in der Carnegie Hall, New York, unter der Leitung von Kirill Petrenko. Im Rahmen der Münchner Festspiele führte sie im Juli 2019 Elgars Sea Pictures auf und sang mit der Münchner Hofkantorei sowohl Mozarts Requiem als auch Händels Messias. Ausserdem übernahm sie die Hauptrolle des Kain in Scarlattis Oratorium Il Primo Omicidio mit dem Orchester Jakobsplatz und sang in Coussers The Applause of Mount Parnassus in der Wigmore Hall mit dem Ensemble Marsyas. Kürzliche Engagements führten sie als Charlotte (Werther) an die Irish National Opera, Mirza (Lalla-Roukh) an die Wexford Festival Opera, Mercédès (Carmen) an die English National Opera und als zweite Hure in Händels Solomon zum English Concert. Ausserdem nahm sie an der Académie du Festival d'Aix-en-Provence teil. In der Spielzeit 2023/24 singt sie die Wellgunde in Barrie Koskys Neuinszenierung von Das Rheingold am Royal Opera House Covent Garden und die Wellgunde in Götterdämmerung und Das Rheingold sowie die Mercédès (Carmen) am Opernhaus Zürich. Ausserdem gibt sie ihr Rollendebüt als Carmen beim Buxton Festival. Für die Spielzeiten 2023 bis 2025 wurde Niamh O'Sullivan zum BBC New Generation Artist ernannt. In dieser Zeit wird sie Gelegenheit haben, in grossen Konzertsälen zu debütieren und an mehreren CD-Aufnahmeprojekten mitzuwirken.
Uliana Alexyuk, Frasquita
Uliana Alexyuk
Uliana Alexyuk wurde in der Ukraine geboren und war von 2009 bis 2011 Mitglied im Opernstudio des Moskauer Bolschoi-Theater, wo sie 2010 als Erste Dame in der Zauberflöte debütierte. Es folgten Auftritte als u.a. Brigitta in Tschaikowskis Iolanta, Frasquita in Carmen, Marfa in Rimski-Korsakows Zarenbraut, Adele in Die Fledermaus sowie die Titelpartien in Glinkas Ruslan und Ludmilla und Bellinis La sonnambula. Anschliessend ging sie 2013/14 als Opernstudio-Mitglied an die Houston Grand Oper. Dort sang sie u.a. Gilda in Rigoletto und Ivette in Weinbergs Passagierin. Gastengagements führten sie an die Pariser Opéra, die Semperoper Dresden, das Teatro Petruzzelli in Bari, das Lincoln Center Festival in New York und als Zerbinetta in Ariadne auf Naxos zum Glyndebourne Festival, wofür sie mit dem John Christie-Preis ausgezeichnet wurde. Seit der Spielzeit 2015/16 gehört sie dem Ensemble des Staatstheaters Karlsruhe an, wo sie u.a. als Musetta, Nannetta (Falstaff), Giulietta (I Capuleti e i Montecchi), Blonde, Frasquita, Adina (L’elisir d’amore), Iris (Semele), Waldvogel (Siegfried), in den Titelrollen von Roméo et Juliette und Das schlaue Füchslein, als Violetta (La traviata), Lauretta (Gianni Schicchi), Pamina, Gretel und Norina (Don Pasquale) zu erleben war. Neben den Verpflichtungen an ihrem Stammhaus sang sie Frasquita mit dem Kammerorchester Basel beim Gstaad Menuhin Festival, den Waldvogel am Grand Théâtre de Genève, gemeinsam mit den Wiener Symphonikern unter der Leitung von Kiril Karabits in Mendelssohns Ein Sommernachtstraum im Wiener Musikverein, Woglinde in Das Rheingold am Opernhaus Zürich und Beethovens 9. Sinfonie mit dem Orchestra Sinfonica Nazionale della RAI in Turin.
Saimir Pirgu, Don José
Saimir Pirgu
Saimir Pirgu wurde in Albanien geboren und studierte am Konservatorium «Claudio Monteverdi» in Bozen bei Vito Brunetti. Claudio Abbado holte den damals 22-Jährigen als Ferrando (Così fan tutte) nach Ferrara – 2004 debütierte er mit dieser Partie bei den Salzburger Festspielen. Er arbeitete mit Dirigenten wie Riccardo Muti, Lorin Maazel, Mariss Jansons, Seiji Ozawa, Antonio Pappano, Franz Welser-Möst, Fabio Luisi und Daniele Gatti und trat im Konzert u.a. im Concertgebouw Amsterdam mit den Wiener Philharmonikern, im Auditorium Santa Cecilia in Rom und im Musikverein Wien auf. Mittlerweile ist er an den bedeutendsten Opernhäusern der Welt engagiert. Er sang die Titelrolle in Ernani bei den Bregenzer Festspielen, Don José in Carmen unter der Leitung von Zubin Mehta in Bangkok und die Titelrollen in Les Contes d'Hoffmann am Opernhaus Zürich, in Werther am Tokyo New National Theatre sowie in La damnation de Faust am Bolschoi-Theater in Moskau. Ausserdem sang er in Zürich den Pinkerton in Madama Butterfly, in Rom den Lenskij in Eugen Onegin, die Titelrolle in Faust am Sydney Opera House und am Opernhaus Zürich, Chevalier Des Grieux in Manon am Théâtre des Champs-Élysées in Paris, Gabriele Adorno in Simon Boccanegra am Teatro di San Carlo in Neapel, Shepherd in Król Roger am Royal Opera House London und Riccardo in Un ballo in maschera mit dem Israel Philharmonic Orchestra. 2016 erschien sein Soloalbum Il Mio Canto bei Opus Arte. Er präsentierte die CD im Rahmen einer Welttournee, die ihn nach Paris, Wien, Berlin, Tokio, New York, Florenz und Tirana führte. Sein erstes Arien-Album Angelo casto e bel nahm er 2004 bei Universal Music auf.
Edgaras Montvidas, Don José
Edgaras Montvidas
Edgaras Montvidas wurde in Litauen geboren, studierte an der Musik- und Theaterakademie Vilnius und sammelte erste Bühnenerfahrungen an der Litauischen Nationaloper. Nach seinem Studium war er Mitglied des Royal Opera House Covent Garden Young Artists Programme und sang dort u. a. Alfredo Germont (La traviata) und Fenton (Falstaff). Gastengagements führten ihn in jüngerer Zeit u. a. in der Titelrolle von Werther an die Opéra Nationale de Lorraine in Nancy und nach Bergen, als Anatol in Barbers Vanessa zum Glyndebourne Festival, als Alfred (Die Fledermaus) an die Bayerische Staatsoper, als Don Ottavio (Don Giovanni) und als Sir Edgardo di Ravenswood (Lucia di Lammermoor) an die Semperoper Dresden, in der Titelrolle von Faust, als Lensky (Jewgeni Onegin), Alfredo (La traviata) und Pinkerton (Madama Butterfly) nach Vilnius, als Conrad in Saint-Saëns Le Timbre d’argent an die Opéra Comique in Paris und als Pastore in einer konzertanten Aufführung von Szymanowskis Re Ruggero zur Accademia Nazionale di Santa Cecilia in Rom unter der Leitung von Antonio Pappano. In der Spielzeit 2019/20 war er als Pinkerton in Nancy, als Boris Grigorjewitsch (Katja Kabanova) an der Staatsoper Hamburg und in der Titelrolle der Uraufführung Egmont von Christian Jost am Theater an der Wien zu erleben. Auch auf der Konzertbühne ist Edgaras Montvidas zu Hause; er konzertierte u.a. als Fischer (Le Rossignol) mit den Berliner Philharmonikern unter der musikalischen Leitung von Pierre Boulez, mit dem Boston Symphony Orchestra unter Charles Dutoit (Król Roger und L’Enfant et les sortilèges) sowie für Radio France mit Benjamin Godards Dante und Éduard Lalos La Jacquerie. Jüngst sang er zudem Faust an der Vilnius City Opera, Pinkerton und Alfredo an der Litauischen Nationaloper, Tito (La clemenza di Tito) am ROH London und Lensky an der Norske Opera Oslo. Am Opernhaus Zürich debütierte er 2020 als Grigori Otrepjew/Prätendent in Boris Godunov.
Łukasz Goliński, Escamillo
Łukasz Goliński
Der Bassbariton Łukasz Goliński wurde 2013 beim Internationalen Stanisław-Moniusko-Gesangswettbewerb als «Bester polnischer Sänger» ausgezeichnet. Jüngst gab er als Escamillo (Carmen) sein Debüt an der Niederländischen Nationaloper in Amsterdam und kehrte als Marcello (La bohème) ans Royal Opera House Covent Garden, als Escamillo ans Prager Nationaltheater, als Jochanaan (Salome) an die Oper in Stockholm und in der Titelrolle von Szymanowskis Król Roger an die Polnische Nationaloper in Warschau zurück. Nach seinem Salzburger Festspieldebüt als Fotis (The Greek Passion) debütierte er auch beim Glyndebourne Festival. Er sang ausserdem den Oberpriester des Dagon (Samson et Dalila) und Marcello an Covent Garden, Graf Tomski (Pique Dame) am Teatre del Liceu in Barcelona, Escamillo beim Opernfestival Savonlinna, Escamillo und Giorgio Germont (La traviata) am Prager Nationaltheater, Sonora (La fanciulla del West) an der Berliner Staatsoper und Scarpia an der Schwedischen Oper. Als Escamillo wurde er an der Staatsoper Hamburg, der Oper Frankfurt und der Opera Australia gefeiert und singt die Rolle in dieser Spielzeit auch am Opernhaus Zürich. Sein Debüt in der Berliner Philharmonie gab er als Janusz in einer konzertanten Aufführung von Moniuszkos Halka. Weitere wichtige Engagements waren Gajolo in Antônio Carlos Gomes’ Fosca am Theatro Municipal de São Paulo sowie Mathias Wissmann und Schankwirt (Der feurige Engel) beim Festival d’Aix-en-Provence. Die letzten beiden Rollen sang er auch in Mariusz Trelińskis Neuinszenierung von Prokofjews Oper unter Kazushi Ono an der Polnischen Nationaloper, wo Łukasz Goliński regelmässig auftritt.
Spencer Lang, Le Remendado
Spencer Lang
Spencer Lang stammt aus Sandy/Oregon und studierte an der Juilliard School in New York sowie am Curtis Institute of Music in Philadelphia. Am Curtis Opera Theatre interpretierte er u. a. Nemorino (L’elisir d’amore), Goffredo (Rinaldo), Lechmere in Brittens Owen Wingrave und Monostatos (Die Zauberflöte). Zu hören war er ausserdem am Opera Theatre of St. Louis als Liederverkäufer (Puccinis Il tabarro), sang Flute / Thisbe in Brittens A Midsummer Night’s Dream am Aspen Opera Theatre und trat als Solist mit dem Juilliard Orchestra, Juilliard 415, und der Northwest Sinfonietta auf. Von 2014-2016 war er Mitglied des Internationalen Opernstudios in Zürich und war hier zunächst als Daniel (Robin Hood), Hirt (Tristan und Isolde), Fay-Pu (Rote Laterne) sowie in Lohengrin, Luisa Miller und Fälle von Oscar Strasnoy zu erleben. 2015/16 sang er Monsieur Vogelsang (Der Schauspieldirektor), Don Luigino (Il viaggio a Reims) und Medoro (Orlando paladino). 2015 war er Finalist in der Wigmore International Song Competition in London. Spencer Lang gehörte zum Ensemble des Opernhauses Zürich und sang hier u. a. Pedrillo (Die Entführung aus dem Serail), Arcas (Médée), Graf Gustav (Das Land des Lächelns), Jaquino (Fidelio), Mister Bobo/Ander-Bobo (Coraline), Tobias Ragg in der Musical-Neuproduktion Sweeney Todd, Tisiphone/Seconde Parque in Hippolyte et Aricie, Graf Boni (Die Csárdásfürstin), Andrès / Cochenille / Frantz / Pitichinaccio in Les Contes d’Hoffmann, Basilio in Le nozze di Figaro sowie Le Remendado in Carmen.
Jean-Luc Ballestra, Le Dancaïre
Jean-Luc Ballestra
Der französische Bariton Jean-Luc Ballestra stammt aus Nizza und studierte in Marseille. Sein Debüt an der Opéra national de Paris gab er 2004, wo er seitdem regelmässig zu Gast ist: Er sang dort Partien wie Pantalon (L'Amour des Trois Oranges), Steuermann (Tristan und Isolde), Silvano (Un ballo in maschera), Moralès (Carmen), Marco (Gianni Schicchi) und Doc (Bernsteins A Quiet Place). Ausserhalb von Paris war an der Opéra de Nice als Lescaut in Massenets Manon und in Puccinis Manon Lescaut sowie als Conte Almaviva (Le nozze di in Figaro), Mercutio (Roméo et Juliette), Musikmeister (Ariadne auf Naxos) und Ping (Turandot) zu erleben. Er war auch in Rollen wie Schaunard (La bohème) in Nancy und Marseille sowie als Escamillo (Carmen) in Lille und als Marullo (Rigoletto) beim Festival d'Aix-en-Provence zu hören. Bei den Salzburger Festspielen sang er Gregorio (Roméo et Juliette), an der Mailänder Scala sowie in Rom L'horloge comptoise/Le chat im Doppelabend L’Heure espagnole/L’Enfant et les sortilèges und u.a. Marullo sowie Masetto (Don Giovanni) in Brüssel. Sein amerikanisches Debüt gab er in L'Heure espagnole mit dem San Francisco Symphony Orchestra und anschliessend in Boston und Los Angeles. Unter der Leitung von Marek Janowski sang er in Monte-Carlo den Silvano für die San Francisco Classical Recording Company. Jüngst war er in Erfurt als Méphistophélès (La damnation de Faust) sowie in Nizza als Nilakantha (Lakmé) zu hören.
Aksel Daveyan, Moralès
Aksel Daveyan
Aksel Daveyan studierte am Yerevan State Conservatory, Armenien, bei Anna Mousayelyan und Arnold Kocharyan. Am Yerevan Opera Studio sang er 2021 Malatesta in Don Pasquale. Ausserdem war er in mehreren Konzerten zu hören, darunter am Opera and Ballet Theatre of Yerevan und am Teatro Politeama. 2017 gewann er den dritten Preis der Renaissance International Competition, 2019 den ersten Preis der «Gohar Gasparyan» Pan-Armenian Competition und 2021 den dritten Preis der Opera Crown Tbilisi International Voice Competition. 2020 wurde ihm der «Boghossian Youth Prize» verliehen und 2023 war er Preisträger der Queen Sonja Singing Competition in Oslo. Seit der Spielzeit 2022/23 ist der Bariton Mitglied des IOS am Opernhaus Zürich und war bisher in Eliogabalo, Tosca, Roberto Devereux und Viva la mamma zu erleben.
Gregory Feldmann, Moralès
Gregory Feldmann
Gregory Feldmann studierte an der Juilliard School bei Elizabeth Bishop, Randall Scarlata und Sanford Sylvan. An der Juilliard Opera trat er als Belcore in L’elisir d’amore, als Virgil T. in The Mother of Us All und als Guglielmo in Così fan tutte auf. Am Opera Theatre of San Louis sang er Almaviva in Le nozze di Figaro. Als Solist war er in Faurés Requiem sowie in Händels Israel in Egypt und Messiah zu hören. Mit dem Pianisten Nathaniel LaNasa verbindet ihn eine enge Zusammenarbeit. 2019 gewann er den ersten Preis der «Joy in Singing» International Song Competition sowie 2021 den ersten Preis der «Gerda Lissner» Song/Lieder Competition. 2022 war er «Young Artist» beim Glimmerglass Festival. Von 2022 bis 2024 war er Mitglied des IOS am Opernhaus Zürich und war hier u.a. in Roberto Devereux, Don Pasquale, Serse, Jakob Lenz, Sweeney Todd, A Midsummer Night’s Dream und Carmen zu erleben. Zusammen mit dem Pianisten Nathaniel LaNasa gab er Liederabende in der Wigmore Hall in London, beim September Festival: Royaumont in Viarmes (FR) und im Musée d’Orsay in Paris.
Stanislav Vorobyov, Zuniga
Stanislav Vorobyov
Stanislav Vorobyov stammt aus Russland und studierte am Moskauer Konservatorium. Er war Mitglied des Internationalen Opernstudios (IOS) und ist seit der Spielzeit 2018/19 Ensemblemitglied am Opernhaus Zürich. Er war hier u.a. als Colline (La bohème), Alidoro (La Cenerentola), Oberpriester (Nabucco), Notar (Der Rosenkavalier), Reinmar von Zweter (Tannhäuser), Faust (Der feurige Engel), Zaretsky (Eugen Onegin), Cesare Angelotti (Tosca), Fünfter Jude und 1. Nazarener (Salome), Lord Rochefort (Anna Bolena), Dottor Grenvil (La traviata), Prospero Salsapariglia (Viva la mamma), Crébillon (La rondine) und Zuniga (Carmen) sowie als Roberto (I vespri siciliani) und Roucher (Andrea Chénier) zu hören. Ausserdem sang er Don Basilio (Il barbiere di Siviglia) bei den Bregenzer Festspielen, Nourabad (Les Pêcheurs de perles) an der Oper Vlaandern und in Luxemburg sowie Ombra di Nino (Semiramide) im Concertgebouw Amsterdam. An den Bregenzer Festspielen 2022 war er als Onkel Bonzo in Madama Butterfly und als Il capitano/L’ispettore in Umberto Giordanos Siberia zu erleben. 2023 kehrte er erneut als Onkel Bonzo nach Bregenz zurück.