Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny
Oper in drei Akten
von Kurt Weill (1900-1950) und Bertolt Brecht (1898-1956)
In deutscher Sprache mit deutscher und englischer Übertitelung. Dauer 2 Std. 45 Min. inkl. Pause nach dem 1. Akt nach ca. 1 Std.
Einführungsmatinee am 22 Okt 2017.
Mit freundlicher Unterstützung der Freunde der Oper Zürich
Vergangene Termine
November 2017
05
Nov19.00
Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny
Oper von Kurt Weill und Bertolt Brecht, Premiere, Premieren-Abo A
09
Nov19.00
Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny
Oper von Kurt Weill und Bertolt Brecht, Premieren-Abo B
12
Nov14.00
Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny
Oper von Kurt Weill und Bertolt Brecht, Sonntag-Abo A
14
Nov19.00
Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny
Oper von Kurt Weill und Bertolt Brecht, Dienstag-Abo D, Modern-Abo, Opernhaustag
17
Nov19.00
Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny
Oper von Kurt Weill und Bertolt Brecht, Freitag-Abo B
19
Nov20.00
Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny
Oper von Kurt Weill und Bertolt Brecht, Sonntag-Abo C
22
Nov19.00
Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny
Oper von Kurt Weill und Bertolt Brecht, Mittwoch-Abo B, Deutsche Oper-Abo
Gut zu wissen
Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny
Kurzgefasst
Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny
Wer in Mahagonny keinen Spass hat, dem ist nicht zu helfen. Denn in der Paradiesstadt, die in der Oper von Bertolt Brecht und Kurt Weill errichtet wird, ist alles erlaubt. Genuss ohne Grenzen, Rausch bis zum Exzess. Fressen, Boxen, Saufen, Liebe machen – alles geht. Nur eines ist streng verboten: Am Ende nicht zahlen zu können. Diese Erfahrung macht der Glückssucher Paul Ackermann und kommt dafür auf den elektrischen Stuhl. Die Mahagonny-Oper von Brecht/Weill ist ein grossformatiger Bilderreigen aus der Werkstatt des epischen Musik-Theaters: anarchisch rumorend und gesellschaftskritisch ätzend. Kurt Weills scheinbar simple, aber immer doppelbödige Musik etabliert zwischen eingängigen Songs, hohem Opernton, Shimmy- und Foxtrott Adaptionen und Choralpersiflagen einen schrägen Schwung beim Tanz über dem Abgrund. Die Oper sei kulinarisch, schrieb Brecht, aber sie stelle das Kulinarische auch zur Diskussion. Sie greife die Gesellschaft an, die solche Opern benötige. Sie ist Oper und Anti-Oper zugleich und endet mit dem Untergang des «Du darfst»-Paradieses: Es erstickt an sich selbst. Seit der Uraufführung im Jahr 1930, die zu einem der grössten Skandale der Operngeschichte geriet, hat Mahagonny nichts von seiner Aktualität eingebüsst.Die Gesetze der menschlichen Glückseligkeit, die Paul Ackermann im Moment einer grossen Krise findet, lesen sich heute wie ein Hohelied auf den Turbokapitalismus des 21. Jahrhundert: «Nimm dir das Geld, du darfst es!»
Unsere Neuproduktion wird vom Brecht-erfahrenen Regisseur Sebastian Baumgarten in Szene gesetzt, der vor zwei Jahren am Opernhaus Zürich mit Wolfgang Rihms Hamletmaschine einen grossen künstlerischen Erfolg verzeichnete. Kann es für die schillernde Charakterrolle der Witwe Begbick eine attraktivere Besetzung geben als den Sopranstar Karita Mattila? Die finnische Grande Dame singt zum ersten Mal in einer Opernproduktion am Opernhaus Zürich und debütiert in der Partie der resoluten Stadtgründerin und Puffmutter. Die grossartige deutsche Sopranistin Annette Dasch gibt ihr Rollendebüt als Hure Jenny. Fabio Luisi dirigiert eines seiner Wunschstücke.
Gespräch
Wenn man alles dürfen darf
Kurt Weill und Bertolt Brechts Oper «Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny» gehört zu den bedeutendsten Musiktheaterwerken des 20. Jahrhunderts und hat bis heute nichts von ihrer Brisanz eingebüsst. Ein Gespräch mit Regisseur Sebastian Baumgarten vor der Premiere 2017 über Spass, Wollust, Gewalt und Anarchie und wie man das auf die Bühne bringt.
Wo liegt Mahagonny, und was ist das für eine Stadt, von der die Oper von Kurt Weill und Bertolt Brecht handelt?
Sie wird in einer Art Niemandsland gegründet von einer Kriminellenbande, angeführt von der ehemaligen Prostituierten Leokadja Begbick. Es ist eine künstliche Stadt, die aus dem Nichts entsteht. Sie erinnert an die biblischen Orte Babylon und Sodom und Gomorrha, aber weist natürlich Parallelen zur Glücksspielerstadt Las Vegas auf. Brecht und Weill wollten das Stück allerdings ganz bewusst von Cowboy und WesternAssoziationen absetzen, deshalb haben sie die ursprünglich englischen Rollenbezeichnungen in deutsche abgeändert, um einen Widerspruch zu erzeugen zwischen den Figuren und der Landschaft.
Wie real ist dieses Mahagonny?
Es ist real und nicht real zugleich, aber kein Ort, der Heimat bietet. Die Stadt steht für temporäres Vergnügen. In ihr ist nichts von Dauer. Sie ist ein transitorischer Ort, der nie eine feste Gestalt annimmt. Der permanente Umbruch von Recht und Ordnung, der in Mahagonny stattfindet, erzeugt das Unbehauste und Entfrem dete, das für das Stück so zentral ist.
Spiegeln sich darin Brechts eigene Grossstadterfahrungen?
Die Oper ist in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstanden, als Brecht in Berlin lebte. Da hat er die Stadt als Dschungel erfahren. Leben, Unterhaltung, Alkohol, Sex und Kunst konzentrierten sich an diesem einen Ort und bedeuteten Üppigkeit und Gefahr in gleichem Masse. Ein frühes Theaterstück von Brecht heisst nicht umsonst Im Dickicht der Städte.
Wie vollzieht sich der immerwährende Umbruch, in dem sich Mahagonny befindet?
Es gibt mehrere, aufeinanderfolgende Phasen. Nach der Gründung der Stadt und der Ankunft von Prostituierten und Gästen etabliert die Begbick eine Art SpiesserGlück. Alles ist reizvoll, aber langweilig, billig und durchreguliert. Dagegen begehrt der Held der Oper, Paul Ackermann, auf. Angesichts eines drohenden Taifuns propagiert er eine neue, entfesselte «Du darfst»Phase, in der alles erlaubt ist, in der man «alles dürfen darf». Diese wiederum mündet in die finale Phase der Selbstzerstörung der Stadt.
Mahagonny ist ein Sehnsuchtsort. Welches Versprechen birgt er?
Dass man als Mensch glücklich wird. Sieben Tage ohne Arbeit, Spass, Wollust, Alkohol – davon spricht Leokadja Begbick in der ersten Szene. Mahagonny ist ein Konstrukt, das, wie jede Ware, ein fiktives Versprechen birgt. Dahinter steckt natürlich der Druck, mit der Ware Geld zu verdienen.
Das ist die klassische Wahrnehmung des Stücks: Es führt die sinnentleerten Mechanismen der kapitalistischen Warengesellschaft vor und stellt sie bloss. Ist das auch für dich das zentrale Thema?
Ein Werk wie Mahagonny öffnet natürlich sehr viele, verschiedene Themenfelder. Für mich stand der Anspruch auf unbedingten Genuss im Zentrum, auf den Paul Ackermann pocht, und mit dem er das protestantische Verbots und Regelsystem, das Leokadja Begbick etabliert hat, aushebelt. Zügelloser Genuss ist eine starke Energie im Stück.
Saufen, Fressen, Dauersex und Sport bis zum Mord werden in der «Du-darfst»-Phase des zweiten Akts exzessiv durchgespielt.
Die anarchische Lust, die sich da Bahn bricht, ist ein Ausdruck von grosser Vitalität, weil sie alles ideologisch Festgefahrene aufmischt. Sie greift um sich und scheint die Welt verändern zu können.
Der Theaterwissenschaftler Hans-Thies Lehmann hat diesen Aspekt in seinem aktuellen Buch über Brecht betont: «Mahagonny», schreibt er, «sei zwar in manchem ein Abbild der kapitalistischen Gesellschaft, zugleich jedoch ein Anderswo: Name und Ort für die Illusion und Utopie der absoluten Freiheit, den Genuss in seiner radikalen Asozialität.»
Genau. Zunächst ist der anarchische Genuss gegen die protestantische Lebensverengung eine positive Energie. Später dann wird er zu einer zerstörerischen Kraft. Beides wird im Stück vorgeführt.
«Wozu Türme bauen wie der Himalaya, wenn man sie nicht umwerfen kann, damit es ein Gelächter gibt», singt Paul Ackermann.
Die Energie richtet sich gegen das Eingeklemmte und Verklemmte der Verhältnisse, aber im zweiten Teil des Stückes erlebt der Anarchist den Umschlag dieser Energie gegen sich selbst. Die anarchische Lust wird dann absolut gesetzt und kippt ins Zerstörerische.
Von Brecht sagt man, er sei Nihilist gewesen. Was ist damit im Hinblick auf Mahagonny gemeint?
Er geht wie die Philosophen Walter Benjamin und Adorno von der Vorstellung aus, dass das Nihil, das Nichts, notwendig ist, um neu beginnen zu können. Voraussetzung für Veränderung ist, dass erst einmal alles in die Luft fliegen muss. Denn sobald man aus bestehenden Verhältnissen heraus versucht, die Gesellschaft zu verändern, sind die alten Krankheiten im Kommenden weiterhin enthalten und brechen erneut aus.
Walter Benjamin spricht in einer Analyse der Hauspostille, das ist die Gedichtsammlung, in der die Mahagonny-Gesänge zuerst veröffentlicht wurden, von der «asozialen Haltung» Brechts. Wenn Anarchie Trumpf ist, so denke der Dichter Brecht, soll sie wenigstens beim Namen genannt werden. Die Konsequenz aus asozialen Verhältnissen sei, «ohne falsche und ohne echte Scham» davon zu sprechen.
Das ist genau das Thema in Mahagonny.
Etwa, wenn Paul Ackermann singt «Denn wie man sich bettet, so liegt man. Es deckt einen keiner dazu. Und wenn einer tritt, dann bin ich es, und wenn einer getreten wird, bist du’s.» Das ist der Song, in dem der Raubtierkapitalismus auf den Punkt gebracht wird.
Die Unverschämtheit liegt da weniger in dem Gedanken, der im Grunde jedem klar ist, als in der Tatsache, dass er formuliert wird. Er wird ausgesprochen! Alle wissen es, aber keiner redet drüber. Paul Ackermann tut es.
Bei Brechts Kapitalismuskritik hat heute mancher das Gefühl, das sei die ewiggleiche alte Leier.
Ich finde, wir müssen aufpassen, dass wir in der Dekadenz unserer heutigen euro-zentristischen Weltbetrachtung die entscheidenden Fragen nicht aus den Augen verlieren. Man kann natürlich sagen, die Kapitalismuskritik bei Brecht sei kalter Kaffee. Da würde ich immer dagegen halten und behaupten: Wir diskutieren uns die Köpfe heiss über Migration, Umweltschutz, Genderfragen usw. Diese Themen sind alle auch sehr berechtigt, aber die Grundfrage nach dem kapitalistischen System stellen wir nicht mehr, die nach der Dominanz des Geldes in unserem Wertekanon fragt. Als sei es die Lösung, wenn wir von einem besseren, veganen Kapitalismus träumen. Brecht und Weill stellen die Grundfrage in Mahagonny aber sehr wohl und zwar auf dialektische Weise. Man neigt heute dazu, die BrechtTexte zu unterschätzen. Brecht benennt Probleme und wirft Fragen auf, die ich mir als Zuschauer dann schon selbst beantworten muss.
Das Stück hat also deiner Meinung nach hundert Jahre nach seiner Entstehung nichts von seiner Brisanz verloren?
Eine Welt, die knallhart auf Geld gründet, bringt auch heute noch die Themen hervor, die in dieser Oper behandelt werden. Die Menschen gehen doch im Moment nicht ohne Not aus Afrika weg. Die kapitalistische Ordnung produziert Armut und Ungerechtigkeit, und die Menschen folgen dem Versprechen des Geldes, wie sie es auch in Mahagonny tun. Der eigentliche Grund der Entwicklungen in Afrika liegt doch im Kolonialismus. Auch da gibt es eine Parallele zur Oper: Die Gründung der Stadt durch die Begbick und ihre Komplizen ist eine kapitalistische Landnahme, eine Art kolonialer Aneignung von zweifelhafter Legitimität.
Brecht wird heute gerne als linker Moralisierer abgetan, als der Theatermacher mit dem belehrenden, erhobenen Zeigefinger. Ist das ein Missverständnis?
Das ist halt die verallgemeinernde Wahrnehmung von Brecht, die schon deshalb falsch ist, weil es den einen Brecht gar nicht gibt. Sein Schaffen vollzieht sich in verschiedenen Phasen. Als er gemeinsam mit Weill die MahagonnyOper in den zwanziger Jahren schrieb, hat er die aktuellen Kunstentwicklungen vom Expressionismus bis zum Dadaismus aufgesaugt. Und er hat sich dem Medium Musik geöffnet. Das heisst, er hat an allen Formaten des Theaters experimentiert. Es scheint, als würde sich der Blick auf die Welt für Brecht noch einmal komplett ändern. Ideologie stand da überhaupt nicht im Vordergrund. Ich sehe in Mahagonny nicht die eine zentrale politische Botschaft. Das wäre zu einfach. Mahagonny ist von einer starken Ambivalenz des Denkens geprägt, es führt uns dialektische Widersprüche vor, um uns als Zuschauer zu Entscheidungen herauszufordern. Wenn aus heutiger Sicht über den ach so moralischen Brecht geschimpft wird, kann ich nur sagen: Gegenwärtig hat doch gerade das betreute Theater Konjunktur, das uns mit einem pädagogischen Ansatz erklärt, was wir in Bezug auf unsere Gegenwart zu denken und wie wir es zu sagen haben.
Die Oper handelt im zweiten Teil von Masslosigkeit. Es wird gehurt in Ma hagonny. Ein apokalyptischer Hurrikan bedroht die Stadt. Herr Jakob Schmidt frisst sich zu Tode. Alaskawolfjoe wird in einem Boxkampf erschlagen. Wie bringt man das auf die Bühne?
Wenn man das realistisch darstellen will, kommt man nicht hinterher. Man muss das übersetzen. Theater bedeutet für mich immer Abstraktion von Realität und damit auch formale Abgrenzung. Die tritt in einen Widerspruch zu der Haltlosigkeit, die später Gegenstand des Stücks ist. Brecht und Weill wussten genau, dass sich Anarchie und Zügellosigkeit nicht einfach abbilden lassen und führen Mittel der Form ein, um Formlosigkeit darstellbar zu machen. Das ist in der Praxis immer eine grosse Herausforderung.
Brecht beschreibt in seinen Anmerkungen zu Mahagonny die Grundzüge des epischen Theaters. Er propagiert für die Oper die Abkehr von Identifikation, Einfühlung, und Gefühlsrausch und fordert die berühmte Trennung der Elemente Wort, Musik und Darstellung. Was heisst das für die Spielweise, in der man das Stück auf die Bühne bringen muss?
Bei Mahagonny ist das gar nicht so kompliziert, weil die Partitur in einer Oper die Form stark vorgibt. Die Szenen sind scharf geschnitten und kontrastierend voneinander abgegrenzt. Der Sänger kann die Identifikation mit der Figur daher nicht den ganzen Abend durchziehen. Die Nummern zwingen ihn, immer wieder in das Spiel ein und auszusteigen, um in der Unterbrechung etwa nach vorne zu gehen und einen Kommentar über das Erlebte zu machen. Die szenische Darstellung muss sich zu einem möglichst klar gesetzten Nacheinander fügen und nicht in der Gleichzeitigkeit.
Kann das nicht zu einer, gerade im Opernkontext, als sehr kalt empfundenen Darstellungsweise führen?
Im Song, im Chor, in der Szene selbst sollen Identifikation, Psychologie und Emotionalität schon greifen, aber eben abgegrenzt und im scharfen Kontrast vom Vorhergehenden und dem Folgenden. Was in der Frage mitschwingt, ist aber vielleicht etwas anderes. Verfremdung entfremdet natürlich immer auch vom Material. Ich komme als Zuschauer in die Haltung des Betrachters und soll den Kopf einsetzen und reflektieren. Ich persönlich erlebe aber gerade in der jungen Generation der Theatermacherinnen und der Theatermacher ein ganz starkes Bedürfnis nach Gefühl, das durch Brechts Theater nicht gedeckt wird. Brecht hat seine Methode zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Kampf gegen Faschismus und Irrationalismus und die Kirche in Anschlag gebracht. Wir befinden uns heute im 21. Jahrhundert und an einem anderen Punkt, die Rationalität der Moderne hat uns stark geprägt, auch negativ. Wie Heiner Müller sagt: «Aufklärung ist eine negative Kraft.» Von daher kann ich die Skepsis nachvollziehen, die Brecht heute mitunter entgegen gebracht wird.
Du bist ein Regisseur, der in seinen Inszenierungen gerne in die Vollen geht und mit aufwendigen Bühnenbildern, Video, Film, Choreografie usw. arbeitet. Der spektakulär unterhaltsame Abend könnte aber gerade bei Mahagonny auch zum Problem werden, denn Brecht und Weill wollten mit diesem Werk Kritik an der «kulinarischen» Form der Oper üben. Wie gehst du damit um?
Zunächst mal: Ein üppiger, praller, lustvoller Abend entspricht genau meinen sinnlichen Vorstellungen von Theater. Weglassen und Reduktion ist nicht so mein Ding. Wichtig ist, zu verstehen, wie die Oper funktioniert. Die Musik ist ja alles andere als üppig und ausschweifend in ihrer Machart. Die Texte sind auf den Punkt geschrieben. Es ist die Menge an Szenen, kleinen, griffigen Elementen und Kontrasten, die das Stück so reich und voll machen. Dem muss man Rechnung tragen. Was das konkret in Bezug auf unsere Produktion bedeutet, kann ich im Moment noch gar nicht beantworten. Der Versuch wird sein, das Kulinarische aufzugreifen und in dem Moment, wo es da ist, zu kontrastieren. Was mich im Moment ganz stark trägt und fasziniert, ist die Qualität der Musik. Ich habe vor ein paar Jahren die Dreigroschenoper in Stuttgart gemacht und bin im Vergleich dazu komplett begeistert von der MahagonnyPartitur. Die Musik ist vielschichtig, in ihrem Eklektizismus unfassbar gut gebaut und verwoben und kommentiert den Text auf einer ganz eigenständigen Ebene.
Das Mahagonny-Songspiel wurde 1927 in Baden-Baden bei einem Avantgarde-Festival uraufgeführt und als avantgardistisch gefeiert. Das darf man nicht vergessen, wenn man heute etwa den Alabama-Song nur noch als erfolgreichen Popsong wahrnimmt, der von den Doors bis David Bowie adaptiert wurde.
Die Eingängigkeit der Musik ist das eine, aber ihr stehen kompositorische Sachen entgegen, die ihrer Zeit weit voraus waren. Es ist unglaublich, was Kurt Weill da veranstaltet. Wir haben gerade die Szene geprobt, in der Jakob Schmidt sich zu Tode frisst. Die Musik ist surreal instrumentiert für Banjo und Zither und so melancholisch und nihilistisch, von Anfang an. Grossartig! Die Szene selber kommt mir vor wie ein Moment bei Ingmar Bergman: Die Sinnlosigkeit des Tuns gibt sich in jedem Moment und wird auf allen Ebenen erkennbar, der Musik, dem Text, der Szene. Das ist für Brecht eigentlich untypisch, weil es in den dialektischen Prozessen immer darum geht, dass eine Figur erstmals an etwas glauben muss, um dann desillusioniert zu werden. Das ist in der JakobSchmidtSzene ganz anders und filmisch gedacht: In die Szene schneiden die Autoren erst im letzten Moment rein, als würde man nur das Auslaufen des Blutes nach einem Selbstmord zeigen.
Das Gespräch führte Claus Spahn.
Dieser Artikel ist erschienen in MAG 53, Oktober 2017.
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Essay
Es ist ein ruhiger Morgen auf der Opernhaus-Probebühne am Escher-Wyss-Platz. Sebastian Baumgarten, der Regisseur der Neuproduktion Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny, ist schon da und bespricht mit seinen Assistenten Details der Szenen, die heute auf dem Plan stehen. Nach und nach füllt sich der Raum, mit Sängern, einer Korrepetitorin und einem ganzen Stab von Produktionsassistenten. Aber die Stimmen bleiben gedämpft, man reibt sich den Schlaf aus den Augen und wartet noch ein bisschen.
Punkt halb Elf fliegt die Tür auf und Leokadja Begbick stürmt in den Raum. Laut singend, in der einen Hand eine Tasse Kaffee haltend, in der anderen eine vollgestopfte orangefarbene Handtasche, kniehohe Lederstiefel, getönte Brille im Retrolook, um den Hals ein knallbuntes Tuch. Auf einen Schlag ist die schläfrige Morgenstimmung dahin. Während die Frau, deren Auftritt keinem im Raum entgangen ist, ihre Tasche abstellt und die Kollegen mit Küsschen begrüsst, wird ihr ein rosa Cowboyhütchen auf den Kopf montiert. Und dann steht sie mitten auf der Bühne und singt: «Darum lasst uns hier eine Stadt gründen, und sie nennen Mahagonny.» Die Frau heisst Karita Mattila. Aber darum geht es in diesem Moment nicht, denn die Probe zu Mahagonny, dem Stück, in dem sie die Partie der Witwe Begbick singt, hat mit ihrem Auftritt durch die Probebühnentür begonnen. Und die stürmische Energie, mit der sie begonnen hat, hält nun an. Zwei Stunden. Ohne Pause.
«In einer öden Gegend» beginnt die erste Szene aus der Oper von Bertolt Brecht und Kurt Weill; auf der Probebühne ist ein Truck angedeutet, Kisten mit Alkohol stehen drauf. Die Witwe Begbick – die weibliche Anführerin des ganzen Unternehmens – ist mit Willy und dem Dreieinigkeitsmoses hier gestrandet. Das Ganoven-Trio befindet sich auf der Flucht, es wird nach ihnen gefahndet. Jetzt sitzen sie fest, können nicht vor noch zurück. Auf Gold-Scheffeln haben sie keine Lust. Aber die anderen haben ja das Gold. Also beschliessen sie eine Stadt zu gründen. Eine profitable Stadt soll es werden, denn: «Ihr bekommt leichter das Geld von Männern als von Flüssen», so Leokadja Begbick. Die Idee scheint genial.
«So eine Rolle habe ich noch nie gesungen», sagt Karita Mattila nach der Probe und schüttelt ein bisschen den Kopf, «dieses Stück ist keine gewöhnliche Oper!». Gesanglich findet sie die Partie zwar keine grosse Herausforderung. Das kann man nachvollziehen, hat sie doch in den letzten Monaten Wagners Kundry und Sieglinde gesungen – dramatische Sopranpartien also, die der Stimme alles abfordern. Verglichen damit sind die Songs von Kurt Weill ein Kinderspiel. Aber damit ist es nicht getan. Die Brechtschen Figuren sind komplex und erfordern grosses schauspielerisches Know-How und präzises Studium. «Glücklicherweise bin ich eine gute Schauspielerin», sagt Mattila, «und durfte in meiner Karriere viel von fantastischen Regisseuren lernen» – eine ganze Reihe zählt sie auf, darunter Otto Schenk, Luc Bondy, Peter Stein, Lew Dodin, Christof Loy, Jürgen Flimm und Olivier Tambosi. Grosse Disziplin erfordert auch das Lernen der Brechtschen Texte, die selbst für einen deutschen Muttersprachler nicht leicht sind. Und es ist viel Text, den Leokadja Begbick in diesem Stück zu sprechen hat, oft in blitzartigem Wechsel mit gesungenen Abschnitten, nicht selten zeitlich genau festgelegt über rhythmische Muster des Orchesters.
Die deutsche Sprache ist für die gebürtige Finnin Karita Mattila aber kein Problem. Auch im Gespräch nach der Probe switcht sie nur hin und wieder ins Englische, wenn ihr der passende Ausdruck in dieser Sprache grad leichter einfällt; so zum Beispiel, wenn sie dankbar und zufrieden davon erzählt, dass sie nach fünfunddreissig Spielzeiten «still going strong», noch immer gut in Form, sei. Auch Deutsch hat Mattila im Lauf dieser atemberaubend langen und erfolgreichen Karriere gelernt, in der stetigen Arbeit an Partien des deutschsprachigen Repertoires, so zum Beispiel mit den dramatischen Rollen von Richard Strauss. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg war es, als Claudio Abbado sie 1995 als Chrysothemis in Strauss’ Elektra zu den Salzburger Festspielen holte. Seither wurde sie auch als Salome in Paris und an der Metropolitan Opera gefeiert und gab 2014 am Londoner Covent Garden schliesslich ihr umjubeltes Debüt mit der Titelpartie in Ariadne auf Naxos. Aber auch Beethovens Leonore und Wagner-Partien wie Elsa und Eva gehören zu den Höhepunkten ihrer glanzvollen Karriere im deutschsprachigen Fach.
Gearbeitet hat Karita Mattila in den vielen Jahren mit den bedeutendsten Künstlern ihrer Zeit – und manchmal, wenn man beispielsweise die Aufnahme von Wagners Meistersingern unter der Leitung von Sir Georg Solti in den Hän-den hält, auf der sie eine überragende Eva singt, beschleicht einen das seltsame Gefühl, in eine vergangene Ära zurückzublicken, zu der diese Sopranistin, die in voller Frische vor einem sitzt, mit Haut und Haar dazugehört hat. Und wenn man Mattila auf den vor wenigen Jahren verstorbenen Dirigenten Claudio Abbado anspricht, der zu ihren wichtigsten musikalischen Partnern gehörte, wird die sonst so fröhlich und mit kräftiger Stimme er-zählende Sängerin ein bisschen leise und wehmütig.
Der Rückblick auf Karita Mattilas Werdegang zeigt, dass sie ihre Partien stets mit Sorgfalt ausgewählt hat. Ihr erster grosser Erfolg gelang ihr als 26-Jährige im lyrischen Sopranfach, mit dem Debüt als Fiordiligi in Mozarts Così fan tutte in London. Neben den bereits erwähnten Partien sind im Lauf der Jahre Auftritte als Elisabetta in Verdis Don Carlo, Amelia in dessen Ballo in maschera, Puccinis Tosca und – als ihre Paraderolle – Janáčeks Jenůfa dazugekommen. «Die Partien kommen zum Glück fast immer zur richtigen Zeit», sagt die Sängerin. Strauss’ Ariadne beispielsweise empfand sie als furchtbar langweiligen Charakter, bis sie im Alter war, dieser tiefbetrübt in die Vergangenheit blickenden Figur mit einem gewissen Verständnis zu begegnen. «Und die Witwe Begbick will man auch nicht als 25-Jährige singen», sagt sie lachend. Und jetzt ist es Zeit für neue Herausforderungen: Nach zahlreichen gefeierten Auftritten als Jenůfa hat sie 2016 die Rolle innerhalb dieses Stücks gewechselt und singt nun deren Stiefmutter, die Küsterin. Und auch in Strauss’ Elektra möchte sie gerne die Mutterrolle, die Klytämnestra, übernehmen.
Auf ihr bevorstehendes Debüt am Opernhaus Zürich hat Karita Mattila in der vergangenen Spielzeit bereits einen kleinen Vorgeschmack gegeben: Nach dem zweiten Teil ihres Liederabends, mit ergreifend interpretierten Liedern von Alban Berg und Richard Strauss, stimmte sie als Zugabe einen Tango an. Keinen finnischen zwar, wie man erwartet hätte, dafür den berühmten «Berliner Tango» Eine kleine Sehnsucht von Friedrich Hollaender. Schmunzelnde Gesichter und eine beschwingte Atmosphäre im Saal bewiesen, dass die Sängerin, die stets dem Jazz und der Volksmusik zugetan war, auch im deutschen Repertoire der 20er-Jahre den richtigen Ton trifft.
Auf der Probebühne in Escher-Wyss ist man unterdessen bei Szene 7 angekommen. «Alle Unternehmungen haben ihre Krisen», hat Brecht als Motto drüber geschrieben. Mit dem Aufstieg der Stadt Mahagonny will es nicht so recht klappen. «Frustrierend ist das!», findet Mattila, und meint damit die Situation im Stück. Denn die Szene klappt schon ganz gut: Als Sebastian Baumgarten ihr eine szenische Anweisung gibt, meint sie «Das kann ich machen! Jetzt wo der Text besser geht, habe ich ja mehr Zeit», und grinst.
Woher sie eigentlich diese ganze Energie nimmt, immer wieder neue Partien und lange Texte auswendig zu lernen? «Es ist harte Arbeit», sagt sie, «und das Schrecklichste an diesem Beruf ist es, ständig weg von zuhause zu sein und in gemieteten Hotels und Wohnungen zu sitzen. Wenn die grosse Liebe zur Musik nicht da wäre, dann würde ich das alles nicht schaffen.»
Zum Unterwegssein hat Karita Mattila eine Geschichte zu erzählen. Und diese passt erstaunlich gut zum Stück, das hier geprobt wird: Je weiter man in der Mahagonny-Partitur blättert, desto mehr breitet sich die Krise aus. Die Stadt, in der die Witwe Begbick penibel für «Ruhe und Eintracht» sorgen wollte, verkommt zu einem einzigen Freudenhaus, in dem alles erlaubt ist – solange man dafür bezahlen kann. Dieser Wandel wird im Stück durch eine Szene eingeleitet, in der überraschend ein Hurrikan aufzieht und Mahagonny zu zerstören droht. Inspiration für diese Szene lieferte Bertolt Brecht der Bericht über einen Wirbelsturm, der am 20. September 1926 mit katastrophalen Folgen über Florida hinwegbrauste.Und in Florida lebt heute Karita Mattila. Dort steht ihr Haus. Zum Glück nicht am Meer. Als der Wirbelsturm «Irma» Anfang September 2017 auf das amerikanische Festland trifft, ist die Sängerin in San Francisco. «Von Überschwemmungen war unser Haus zum Glück nicht betroffen», erzählt sie, «aber es sind Palmen umgefallen und haben den Weg versperrt. Es gab kein Wasser, keine Elektrizität. Ich konnte nicht nach Hause.» Statt, wie ursprünglich geplant, dort mit ihrem Pianisten zu proben, ist sie zu ihm nach Washington geflogen. Dann ging es direkt weiter, über Miami und Lissabon nach Zürich. Und nach der Mahagonny-Produktion ist die nächste Station Skandinavien. «Und das alles mit zwei Koffern!» ruft sie aus, «zum Glück ist mein lieber Mann zuhause und kümmert sich dort um die Dinge. Wenn er nicht wäre, hätte ich hier alles abgesagt und wäre nach Hause gefahren!» Sie habe aber schon sehr früh realisiert, dass man in diesem Beruf nicht viel Zeit hat, sich um das Alltägliche zu kümmern: «‹The show must go on›, heisst die Devise. Und die wirkliche Bedeutung dieses Satzes verstehen viele Leute nicht. Es steckt etwas Tragisches drin.»
Doch für heute ist bald Schluss. Die Probe neigt sich dem Ende zu. Noch einmal wiederholt Karita Mattila eine längere Textstelle und den dazugehörigen Gang vorne an der Bühnenkante. «Weniger, Karita, du musst das ökonomisch machen», sagt Regisseur Baumgarten. «Ökonomisch? Dieses Wort kenne ich nicht!», lautet die Antwort. – Irgendwie stimmt das. Wenn Karita Mattila auf der Bühne steht, gibt sie alles. Stimmlich und körperlich. Andererseits: Wie sollte man nach fünfunddreissig Spielzeiten noch so energiegeladen auf der Bühne stehen kön-nen, wenn man nicht höchst ökonomisch mit seinen Ressourcen umgehen würde? Nach der Probe verabschiedet sich die 57-Jährige jedenfalls ins Fitnessstudio.
Fabio Dietsche, Dramaturg am Opernhaus Zürich.
Dieser Artikel ist erschienen in MAG 53, Oktober 2017.
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Essay
Eigentlich ist alles gut in der Paradiesstadt Mahagonny. Es gibt Ruhe, Eintracht, Gin und Mädchen, und die Freunde geniessen die schönen Gespräche «der Männer unter sich». Aber dem einfachen Holzfäller Paul Ackermann gefällt es in Mahagonny nicht. Er hat ein Schild gesehen, auf dem steht: «Hier ist verboten!», und das lässt ihn das Messer zücken. Er hat keine Lust mehr auf Ordnung und Verbote. So verkündet er in einer Nacht, in der die Stadt von der Zerstörung durch einen Hurrikan bedroht ist, das Gesetz der menschlichen Glückseligkeit. Es lautet: «Du darfst!» Und weil der Hurrikan die Stadt auf wundersame Weise verschont, ist in Mahagonny fortan alles erlaubt – Fressen, Saufen, käuflicher Sex, Ausbeutung, Korruption, Totschlag. «Denn man achte scharf darauf, dass man alles dürfen darf» singen die Menschen von Mahagonny.
Was Kurt Weill und Bertolt Brecht 1930 in ihrer Oper auf die Bühne gebracht haben, springt uns heute sofort als ein pervertiertes Freiheitsversprechen ins Auge. Wir erkennen in Paul Ackermanns Vision von einer Welt ohne Verbote die Exzesse einer egoistischen Lust und Spassgesellschaft. Das Gesetz der menschlichen Glückseligkeit trägt durch und durch zynische Züge, denn die Freiheit in Mahagonny ist an eine entscheidende Bedingung geknüpft: Man muss Geld haben und bezahlen können, um alles zu dürfen. Die performative Macht des Geldes durchdringt die Paradiesstadt bis in den letzten Winkel. Mahagonny ist ein Ort totaler Käuflichkeit: Alle Vergnügungen haben Warencharakter, alle menschlichen Beziehungen sind zu Tauschgeschäften herabgewürdigt. Und Paul Ackermann, der Vordenker und Barrikadenkämpfer für diese «Glückseligkeit», wird ihr prominentestes Opfer: Weil er eine Gardinenstange und drei Flaschen Whiskey nicht bezahlen kann, landet er vor Gericht – ein verlogener Schauprozess, in dem der Mörder Tobby Higgins freigesprochen, Paul Ackermann aber zum Tode verurteilt wird, «wegen des Mangels an Geld, was das grösste Verbrechen ist, das auf dem Erdenrund vorkommt.»
Die grelle Kapitalismuskritik, die in der Oper Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny angelegt ist, hat überzeitliche Qualität: Wie in einem Zerrspiegel scheint sie auch die AbzockerAuswüchse unserer Gesellschaft im 21. Jahrhundert vorzuführen. Im «Nie genug»Rausch, in den sich die Oper in ihrem zweiten Teil steigert, wirkt die Gier des losgelassenen Finanzkapitalismus, wie wir ihn vor der grossen Bankenkrise im Jahr 2008 erlebt haben, gut getroffen. Wie die Hymne der verantwortungslosen Finanzhasardeure, die am liebsten Gewinne privatisieren und Verluste sozialisieren, klingt der Song, den Paul Ackermann in der Nacht der Erkenntnis singt: «Nimm dir das Geld, du darfst es!»
Aber die ätzende Kritik an den materialistischen Verhältnissen ist nur eine Seite in Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny. Brecht und Weill ging es nicht allein um fratzenhafte Polemik. Das Glücksversprechen, um das die Oper kreist, ist nicht nur als lachhafte Provokation gedacht, sondern auch als wahrhaftig schöne Vorstellung. Den Autoren ist es durchaus ernst mit dem Spass und der Paradiesvision von den sieben Tagen ohne Arbeit, die Leokadja Begbick in ihrer Gründungsansprache auf Mahagonny verspricht. Brecht schreibt in seinen «Anmerkungen» zur Oper: «Was den Inhalt dieser Oper betrifft – ihr Inhalt ist der Genuss. Spass also nicht nur als Form, sondern auch als Gegenstand. Das Vergnügen sollte wenigstens Gegenstand der Untersuchung sein, wenn schon die Untersuchung Gegenstand des Vergnügens ist.»
Brecht und Weill präsentieren den Genuss in Mahagonny in dialektischer Ambivalenz: Er ist Ausdruck von Verkommenheit, aber auch eine umstürzlerische Kraft. Genuss und Tabubruch durch Lust gehören von jeher zu den revolutionstreibenden Energien der Linken. Georges Danton war als Protagonist der französischen Revolution Liebhaber der Huren und ein Hedonist. Berühmt ist das Foto der RAFTerroristen Andreas Baader und Gudrun Ensslin im Prozess zu den Kaufhausbrandstiftungen, auf dem sie sich auf der Anklagebank ostentativ ein Buch mit den Schriften von Marquis de Sade zustecken. Auch Bertolt Brecht gibt seinem Helden Paul Ackermann eine masslose anarchische Lust mit auf den Weg, wenn er singt: «Was ist der Taifun an Schrecken gegen den Menschen, wenn er seinen Spass haben will». Und Spass haben, bedeutet: «Was eben ist, das muss krumm werden, und was hoch ragt, das muss in den Staub.»
Wo Genuss zur radikalen Grenzüberschreitung wird, bleibt Zerstörung nicht aus. Der Theaterwissenschaftler HansThies Lehmann hat in einem Essay zu Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny über das Motiv des Genusses bei Brecht reflektiert und diesen Zusammenhang am Beispiel der Oper aufgezeigt. Das Moment des Destruktiven und Gewaltsamen, des alle sozialen Regeln brechenden Ausbruchs, ist notwendiger Bestandteil der Lust. «Das Leben und der Genuss sind nur zum Preis der Verausgabung und des Todes zu haben. Alle in Mahagonny wussten um diesen Preis und lebten danach, dass ihre Lust Zerstörung und Selbstzerstörung einschliesst», schreibt Lehmann. Am Ende der geniesserischen «Du darfst»Phase bleibt in Mahagonny kein Stein mehr auf dem anderen.
Genau diese Form von Lebens und Untergangslust, die uns Brecht und Weill in Mahagonny in ihrer ganzen Zwiespältigkeit vor Augen führen, steht allerdings im Kontrast zu den Formen des Genusses, die die Lebenswirklichkeit unserer Gegenwart prägen. Die nämlich sind vor allem an Mässigung und Selbstkontrolle gebunden. Wir geniessen, was uns nicht schadet. Wir gönnen uns, was dem Erhalt unserer Leistungsfähigkeit zuträglich ist. Es gibt eine kalorienreduzierte Produktlinie eines grossen Lebens mittelkonzerns, die «Du darfst» heisst, genau wie Paul Ackermanns Gesetz der menschlichen Glückseligkeit, sie bezeichnet aber dessen Gegenteil, nämlich diätisches Masshalten statt lustvolle Verausgabung. Der Philosoph Slavoj Žižek hat dazu bereits vor fünfzehn Jahren das passende Zitat geliefert: «Auf dem heutigen Markt finden wir eine ganze Reihe von Produkten, die ihrer schädlichen Eigenschaften beraubt sind: Kaffee ohne Koffein, Sahne ohne Fett, Bier ohne Alkohol und so weiter. Und was ist mit virtuellem Sex ohne Sex? Alles ist erlaubt, man kann alles geniessen – unter der Bedingung, dass es seiner Substanz beraubt ist, die es gefährlich macht.» Eine solche Art zu leben, ist nicht Ausdruck eines entfesselten Genusses, sondern eines gezähmten. Sie überschreitet nicht die Grenzen des Erlaubten, sondern bestätigt sie. Wellness und Fitness gönnen sich die Menschen als aktuelle Formen des Genusses, um in den Zwängen der modernen Welt zu bestehen und nicht, um sie aus den Angeln zu heben.
Der österreichische Philosoph und Kulturwissenschaftler Robert Pfaller hat vor sechs Jahren ein vielbeachtetes Buch mit dem Titel Wofür es sich zu leben lohnt geschrieben, in dem er das gestörte Verhältnis der modernen Gesellschaft zum Genuss thematisiert. Ökonomischer Effizienzwahn , ausgeprägtes Gesundheits und Sicherheitsdenken, Ermahnungen zu Nachhaltigkeit und Political Correctness hätten den Blick auf das verstellt, was «das gute Leben» sei. Er zeichnet das Bild vom Gegenwartsmenschen, der das Leben als Sparguthaben betrachte und eifersüchtig darauf achte, dass niemand etwas davon abknapse. Diesem Kleinsparertum des Lebens stellt er eine Kultur der verschwenderischen Verausgabung entgegen, in der gerade das Ungute und Schädliche und in letzter Konsequenz die Akzeptanz des Todes den Genuss «zur Quelle triumphaler Lust» werden lasse und damit zu dem, wofür es sich zu leben lohne.
«Wer immer nur Mass hält mit allem», schrieb der deutsche Philosoph Walter Benjamin, «kommt nie zu wahrer Welterfahrung – denn ein tiefes Eintauchen in das Wesen der Dinge ist allein dem Gierigen vorbehalten.» Dieser Dynamik folgt die Oper Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny, und sie wird von Bertolt Brecht und Kurt Weill an ihren extremsten Punkt getrieben – in die totale Zerstörung. Aber die Weltwahrnehmung auf dem Weg dorthin könnte für uns Zuschauer genussvoller und erhellender, apokalyptischer und lebenspraller kaum ausfallen.
Text von Claus Spahn.
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Pressestimmen
«Es wird nicht moralisiert hier, aber auch nicht entmoralisiert. Das Premierenpublikum fand das grossartig.»
Tagesanzeiger vom 06. November 2017
Volker Hagedorn trifft...
Er war damals Narraboth, 29 Jahre jung. Täppisch, verliebt, respektvoll zugleich versuchte er die Prinzessin Salome vom Propheten Jochanaan fernzuhalten, der junge Hauptmann der Wache, zwischen steilen Betonwänden eines Parkdecks, wo Nikolaus Lehnhoff die Oper von Richard Strauss spielen liess. «Sprich nicht solche Worte zu ihm. Ich kann es nicht ertragen…» Narraboths Verzweiflung drang bewegend in jeden Ton, den Christopher Ventris sang. Ich erlebte einen grossen Abend in Leipzig und hätte nicht im Traum gedacht, dass mir Ventris gut 23 Jahre später auf der Probebühne der Oper Zürich gegenübersitzen würde, in den Aufbauten zu Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny, 1930 in Leipzig uraufgeführt.
«I remember everything very well», sagt er. «Anja Silja als Herodias, der junge Falk Struckmann als Jochanaan, wir haben später Parsifal zusammen gesungen, er den Amfortas…» Auch für Christopher Ventris war es ein grosser Abend, nämlich der Beginn seiner internationalen Karriere, mitten in einer maroden, grauen Stadt kurz nach der Wende. «Das Leipzig von 1994 war nicht das von heute. Not so colourful… Wir waren da ein bisschen eingesperrt, teils ohne Telefon, Handy und Internet gab es ja nicht. Nur CNN.» Aber wenn die richtigen Leute in der Nähe sind, ist es fast egal, wo jemand gut singt, der Buschfunk der Oper ist eines der schnellsten Kommunikationsmittel der Welt. Schon 1998 debütierte der junge Brite als Parsifal in Antwerpen.
Als Londoner Schuljunge kam er zuerst auf den Geschmack, im Chor einer Amateur-Operntruppe, deren Solisten Studenten von der Royal Academy waren. «Sänger können sehr charming sein», sagt er mit seiner warmen Stimme, eher baritonal als tenoral, entspannt, aber melodiös, in der Färbung die Worte spiegelnd. «Und wenn du vierzehn oder fünfzehn bist und eine 25-jährige Sopranistin erlebst… haahh… ich verliebte mich ziemlich oft, mit dem Herzen jedenfalls, anyway.» Das wurde seine Welt, während sein Vater als Ingenieur bei British Aerospace an Senkrechtstartern arbeitete und seine Mutter sich mit Kostümschmuck befasste, «aber nicht fürs Theater». Als es dem Sohn immer ernster wurde mit dem Singen, «sagten sie nicht nein. Sie hatten sich einen Sinn für Träume bewahrt, ich bin auch ein Träumer – ich glaube an das Gute im Menschen». Über die jungen Solisten geriet er an die Gesangslehrerin Joy Mammen und sang ihr als Bariton vor, «rauf zum f und wieder runter».
Sie machte ein paar Übungen mit ihm. «Auf einmal kam ich bis zum a, und nach einer halben Stunde sagte sie: Du bist ein Tenor. Schöne Überraschung!» Im vorigen Sommer kam Joy Mammen, mittlerweile achtzig Jahre alt, nach Bayreuth, um ihren Schüler als Siegmund in Wagners Walküre zu hören. «Sie muss unglaublich stolz gewesen sein», sagt er, und es klingt, als freue er sich vor allem für sie. Seinen Lieblingskomponisten Wagner entdeckte Christopher nicht etwa an der Royal Academy of Music, an der er ab 1983 Gesang studierte, auch nicht in der Oper, sondern im Fernsehen: Die BBC sendete zehn Wochen lang den Ring in Chéreaus legendärer Inszenierung. «Ich guckte mir das jeden Sonntag an. Es war neue Musik für mich und ich kannte die Sprache nicht. Es war etwas Spezielles, die Musik eines Outsiders, die meiner Seele gut tat.»
Aber noch musste Wagner warten. Erstmal gehörte Christopher zu den «understudies», die sich beim Opernfestival Glyndebourne als Einspringer bereit halten durften. Da überzeugte er in The Rake’s Progress, lernte den Regisseur Nikolaus Lehnhoff kennen und Lothar Zagrosek, den Leipziger GMD, dadurch ergab sich der Weg nach Leipzig und zum Rest der Welt. «Und jetzt», sagt der Sänger amüsiert, «werde ich selbst schon Teil der Geschichte und treffe hier junge Sänger, die neu in der Welt der Oper sind». Neben den mythischen Wagnerhelden, deren Interpretation ihn berühmt machte, Parsifal, Lohengrin, Siegmund, ist der Paul Ackermann in Mahagonny eine sehr realistische Gestalt, in die er sich auch im Gespräch jäh verwandelt. Er lässt den Kopf nach vorn und zwischen die Schultern sinken, späht im Raum herum: «Ich bin als Paul ein misstrauischer Typ, höre allen zu. Und dann explodiere ich...»
Dieser Holzfäller, sagt er, «hat seit sieben Jahren keine Frau gesehen, findet eine, die er sich leisten kann, hat für eine Weile seinen Spass, findet dann aber alle in der Stadt Mahagonny ein bisschen depressiv und denkt, das Leben könnte besser sein. Ich habe so hart gearbeitet, und hier sieht alles so billig aus, provisorisch. Das ist wie in der Gesellschaft heute, nichts ist auf Dauer ausgerichtet.» Er sieht nachdenklich aus, wieder ganz er selbst, der er übrigens im Auftritt gar nicht sein mag. «I don’t like being me so much. Mit ein bisschen Schminke und Kostüm kann ich sonstwer sein, ich brauche die Hilfe der Bühne, um Musik zu machen. Deswegen habe ich nie ein Liedrepertoire erarbeitet. Hätte ich wohl tun sollen, wenn ich so darüber nachdenke. Aber es braucht schon so viel Zeit, um Neues zu lernen!»
Er klopft auf den dicken Klavierauszug vor sich: Tristan. Sein Traum seit langem, in Brüssel soll er demnächst wahr werden, frühere Anfragen hat Christopher abgewiesen. «Hätte ich Tristan vor zehn Jahren gemacht, wäre ich jetzt schon am Ende. Zur falschen Zeit ist das eine gefährliche Rolle. Es gibt keine höhere Lage in meinem Repertoire, damit stosse ich bei mir an die Decke.» Mit der Stimme müsse man gut umgehen, «das ist keine Geige in ihrem Kasten, das bist du selbst, the voice. Und die ganze Zeit wirst du beurteilt. Wenn Zweifel aufkommen, nimmt man andere, es ist ein Haifischgeschäft.» Damit es seinem unersetzlichen Instrument gut geht, trainiert er. «Der Körper hält das kleine Ding hier, die Stimme. Ich darf auch nicht dick werden. Auch hier in Mahagonny gibt’s eine Menge hübscher Kerle, da muss ich mithalten.»
Und alle zwei, drei Monate kommt die Stimme in die Werkstatt. Wie so viele Sänger von Klaus Florian Vogt bis Georg Nigl ist auch Christopher Ventris seiner alten Gesangslehrerin treu geblieben. Von der jetzt 80-jährigen Joy Mammen lässt er sich die Stimme auseinandernehmen, «es ist wie checking the car. Wir zerlegen die Stimme. Hoohoo, nur die Basis, Huhuhu, Falsett, verschiedene Farben, Singübungen, Atemübungen, und dann wird das wieder zusammengemischt. Es dauert eine Stunde, danach bin ich sehr müde. Es ist gut gegen die dauernde Anspannung der Stimme, vierter Gang, fünfter Gang… Es hilft mir, meine jugendliche Qualität zu bewahren. Ich habe ja immer noch das Funkeln, es wird nicht wabbelig.» Ein strapaziöses Dasein, oder? «Es hat seine Vorzüge, Tenor zu sein. Es gibt nicht so viele davon im Bereich der German singers. Ich bin auf einer Liste von vielleicht zehn Namen, bei den Baritonen sind es fünfzig, die natürlichere Lage. Und zum Glück haben wir Jonas Kaufmann. Er nimmt viel Druck von uns, weil er sich herumschlägt mit Publicity und Aufmerksamkeit, er will alles tun, und er kann es. Ich habe ein sehr schönes Leben in der Mitte, darf mit tollen Leuten in schönen Städten arbeiten… aber natürlich haben wir alle unsere Familienprobleme.» Er wird wieder nachdenklich. «Viel Reisen ist nie einfach mit zwei kleinen Kindern. Jetzt sind sie grösser und gehen zur Schule, aber die ersten Jahre waren wirklich hart.» Das Reisen lässt derweil nicht nach – weil es in England wenige grosse Bühnen gibt.
«Ich habe seit zehn Jahren nicht mehr in England gesungen! Wir britischen Sänger brauchen Europa sehr. Hier wird für die Kunst noch Geld ausgegeben.» Und der Brexit? «Ich war entsetzt! Ich war auch geschockt von einigen Freunden, die so wählten. Wegen der EU-Bananenstandards? Es ist nicht schön, dass meine Kinder nicht Europäer sein können, so wie ich es in den letzten vierzig Jahren war. Ich hoffe, der Übergang dauert Jahre, wir müssen zusammenhalten in dieser unsicheren Welt.» Christopher blickt auf die provisorische Holzfassade auf der Probebühne, die jetzt, verglichen mit dem Rest der Welt, erstaunlich stabil wirkt. «Ich frage mich, was wir am Ende des Stückes denken sollen, wenn die Stadt verbrennt. Vielleicht, dass auch mit Geld die Dinge nicht besser werden. Dass es nichts bringt, immer mehr zu wollen.»
Text von Volker Hagedorn.
Foto von Tanja Niemann.
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Die geniale Stelle
Ein wahrlich bedeutender Satz ist es, den die Hure Jenny da ausspricht: «Ein Mensch ist kein Tier.» In äusserster Knappheit wirft er die ganz grossen philosophischen Fragen nach dem Wesen des Menschen und des Menschlichen auf. Fragen, die nicht zufällig an dem Punkt der Handlung auftauchen, wo sich der Untergang des Helden abzeichnet.
Denn Paul Ackermann hat sich fatal geirrt. Als er die Gesetze der menschlichen Glückseligkeit entdeckte und mit dem fundamentalen Postulat «du darfst» verkündete, entging ihm ein wichtiges Detail: Zu dem von ihm aufgestellten einzigen Gebot, das alle Verbote aufhebt, gehört nämlich der Zusatz «…wenn du es bezahlen kannst». Wer das nicht kann, zum Beispiel, weil er allzu grosszügig die Männer von Mahagonny zum Saufen eingeladen hat, darf gar nichts mehr, weil Mangel an Geld «das grösste Verbrechen ist, das auf dem Erdenrund vorkommt».
Aber lässt sich da nichts machen? Was ist denn mit der Liebe? Alles schaut auf Jenny, Pauls Mädchen, mit dem er zusammenlebt. Sie wird ihm doch die paar Dollar geben, die ihm den Gang zum Schafott ersparen. Warum sie es nicht tun wird, erklärt sie in einer grossen, unwiderlegbar argumentierenden Rede, die Kurt Weill in Form eines melancholischen Blues komponiert hat: In Mahagonny hat niemand etwas zu verschenken, nicht einmal Liebe kann man gratis weggeben. Wer das nicht bedenkt, wird sehr bald dem Tod ins Auge sehen. Wenn die Mahagonny-Leute von ihr erwarten, dass sie diese Gefahr auf sich nimmt, handeln sie also zutiefst unmenschlich. Aber «ein Mensch ist kein Tier» und kann also eine menschliche Behandlung verlangen.
Dieser Satz, der den Zielpunkt von Jennys Plädoyer bildet, hat einen ironischen Hintersinn, der dem Hörer leicht entgehen kann: «Ein Mensch» kann nämlich grammatikalisch sowohl ein Maskulinum als auch ein Neutrum sein. «Der Mensch» – das ist das höchste Wesen für den Menschen, die Krone der Schöpfung. «Das Mensch» aber ist eine (heute kaum noch gebräuchliche) abfällige Bezeichnung für ein niedriges, verächtliches Wesen, eine Frau nämlich oder auch eine Prostituierte. Und eben das ist Jenny: In der marktkonformen Anarchie, die Paul Ackermann ausgerufen hat, kommt auch die Liebe nur als Ware, die Geliebte nur als Prostituierte vor. Liebe wird bezahlt, Menschlichkeit aber nicht. Drum ist es ganz unangemessen, von «dem Mensch» humanes Verhalten zu verlangen.
Jenny hat recht, sie kann Paul nicht helfen, und es ist nicht ihre Schuld. Und die heimliche Trauer, die in Weills Vertonung hörbar wird, ist nicht gelogen. Jenny handelt, wie sie handeln muss, wie es der kapitalistische Verwertungszwang erfordert. Ihr scheinbar unmoralisches Verhalten ist zutiefst moralisch, denn es ist die Moral, die die Profitmaximierung zum höchsten Gut macht, die den Menschen zum Neutrum, seine Liebesfähigkeit zur Ware erniedrigt.
Indem Brecht das grosse Wort «Mensch» auf solch doppeldeutige und hintersinnige Weise in seinen Text einführt, drängt er den Kerngedanken der Oper in eine einzige Silbe zusammen: In der Welt, die dieses Stück vorführt (gleicht sie der unseren nicht aufs Haar?) müssen Appelle an die Menschlichkeit zwangsläufig verpuffen und objektiv zur Lüge werden. Aber die Ambivalenz des grossen Wortes «Mensch» enthält auch den Keim der Hoffnung, der Hoffnung darauf, dass das in den Schmutz gezogene Humanum sich daraus erheben und eine Welt schaffen könnte, in der solche Zweideutigkeit für immer verschwunden ist.
Text von Werner Hintze.
Dieser Artikel ist erschienen im MAG 53, Oktober 2017.
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Wie machen Sie das, Herr Bogatu?
Wasser und Feuer sind einfach
Ein Blick hinter die Kulissen und in die Welt der Bühnentechnik von «Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny». Der technische Direktor am Opernhaus Zürich, Sebastian Bogatu, gibt Auskunft über geheizte Swimmingpools, heisse Flammen und Wände, die als einfache Konstruktion erscheinen mögen, aber eigentlich eine Meisterleistung sind.
Es ist für mich immer wieder spannend, dass die für uns theatertechnisch schwierigsten Knacknüsse von unseren Zuschauerinnen und Zuschauern oft nicht als solche wahrgenommen werden: Zum Kompliziertesten gehört es beispielsweise, eine grosse, stabile Wand ohne Teilungen zu konstruieren. Wenn wir eine solche auf die Bühne stellen, wird so gut wie niemand im Publikum ehrfurchtsvoll diese Leistung bewundern.
Aber es gibt zum Glück auch den gegensätzlichen Fall: In unserer Produktion der WeillOper Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny haben wir nicht nur einen grossen Swimmingpool, sondern am Ende der Inszenierung auch recht viel Feuer auf der Bühne. Bei diesen Effekten wiederum werden wir natürlich immer wieder gefragt, wie wir das wohl gemacht haben: Ist das echtes Feuer? Ist das nicht gefährlich? Wie kann man einen Pool mitten auf der Bühne installieren? Ist er geheizt?
Feuer und Wasser sind viel einfacher, weil diese Elemente echt sind: Der Pool wird von einem Poolinstallateur gebaut, weil der es am besten kann: Echt ist einfach. Wir geben die Abmessungen an, der Pool wird aus Kunststoff hergestellt, und wir bauen diesen in ein stabiles Metallgestell mit Rollen ein, damit wir den Pool verschieben können. Der Poolbauer installiert auch die Anschlüsse für die Wasserleitungen: Eine zum Befüllen vom Hydranten, zwei um den Pool mittels einer gemieteten Warmwasserzentrale zu beheizen. Und ganz wichtig: eine zum Leeren des Pools. Das dauert übrigens genauso lange wie das Auffüllen, etwa zwanzig Minuten. Die Kunst besteht hauptsächlich darin, den richtigen Zeitpunkt zu finden, wann man mit dem Heizen anfängt und aufhört. Ansonsten frieren unsere Künstler im Pool, oder sie werden gegart.
Das Feuer wiederum ist Handwerk der Requisite. In Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny kommen vor allem ein Meter lange Blechwannen zum Einsatz. Sie sind fünf Zentimeter tief und zehn Zentimeter breit. Diese Wannen werden mit einem nicht brennbaren Gewebe gefüllt und dann mit einer brennbaren Flüssigkeit (ein Alkohol, ähnlich der Brennpaste beim Fondue, nicht jedoch wie der Kirsch) getränkt. Angezündet werden diese Wannen entweder mit einem Zündholz, einer schon brennenden Fackel oder mittels Fernzündung (auch ganz einfach: Ein Draht wird in die Wanne gelegt, durch einen Stromimpuls wird dieser heiss, glüht und entzündet die Brennpaste). Hier besteht die Herausforderung darin, möglichst nichts Brennbares in der Nähe des Feuers zu haben – sonst wird es zu echt... Aber das lässt sich durch Abstände und die Auswahl von entsprechenden Materialien auch recht einfach lösen. Eine kleine Kunst ist es allerdings zu verhindern, dass der Alkohol im Laufe der Inszenierung verdunstet! Der Feuereffekt am Ende der Inszenierung würde nämlich sonst entweder sehr mager oder womöglich auch komplett ausfallen. Deshalb wickeln wir die Wannen in einer rückstandsfrei verbrennenden Folie ein: Diese hält die Brennpaste sozusagen frisch.
Die grosse Kunst würde übrigens darin bestehen, das Feuer auf Kommando unsichtbar zum Erlöschen zu bringen. Doch da kommt uns die Inszenierung zu Hilfe: Es brennt im Schlussbild bis zum Applaus und dann, solang es Brennpaste gibt, noch beim Abbau...
Und um zur am Anfang beschriebenen Wand zurückzukommen: Nicht eine, nicht zwei, sondern sogar drei grosse, weisse Wände ohne Teilungen (!) zaubern wir in Madama Butterfly auf die Bühne. Wehe, Sie bewundern diese nicht ehrfürchtig!
Text von Sebastian Bogatu.
Illustration von Anita Allemann.
Dieser Artikel ist erschienen in MAG 54, November 2017.
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Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny
Synopsis
Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny
Zwei Männer und eine Frau, auf der Flucht vor den Konstablern, bleiben in einer öden Gegend stecken. Sie beschliessen, eine Stadt zu gründen, in der den Männern, die von der Goldküste her vorüberkommen, ihre Bedürfnisse erfüllt werden sollen. In dieser «Paradiesstadt», die hier entsteht, führt man ein beschauliches, idyllisches Leben. Das kann aber die Männer von der Goldküste auf die Dauer nicht befriedigen. Es herrscht Unzufriedenheit. Die Preise sinken. In der Nacht des Taifuns, der gegen die Stadt heranzieht, erfindet Paul Ackermann das neue Gesetz der Stadt. Dieses Gesetz lautet: «Du darfst alles». Der Taifun biegt ab. Man lebt weiter nach den neuen Gesetzen. Die Stadt blüht auf. Die Bedürfnisse steigen – und mit ihnen die Preise. Denn: man darf zwar alles – aber nur, wenn man es bezahlen kann. Paul Ackermann selbst wird, als ihm das Geld ausgeht, zum Tode verurteilt. Seine Hinrichtung wird zum Anlass einer riesigen Demonstration gegen die Teuerung, die das Ende der Stadt ankündigt.
Biografien
Fabio Luisi, Musikalische Leitung
Fabio Luisi
Fabio Luisi stammt aus Genua. Er ist Generalmusikdirektor des Opernhauses Zürich, Music Director des Dallas Symphony Orchestra und Chefdirigent des Danish National Symphony Orchestra. Von 2011 bis 2017 war Fabio Luisi Principal Conductor der Metropolitan Opera in New York, zuvor Chefdirigent der Wiener Symphoniker (2005-2013), Generalmusikdirektor der Staatskapelle Dresden und der Sächsischen Staatsoper (2007-2010), Künstlerischer Leiter und Chefdirigent des MDR Sinfonieorchesters Leipzig (1999-2007) und Musikdirektor des Orchestre de la Suisse Romande (1997-2002), mit dem er zahlreiche CDs aufnahm (Poulenc, Respighi, Mahler, Liszt, eine Gesamtaufnahme der sinfonischen Werke von Arthur Honegger und Verdis Jérusalem und Alzira). Er ist Musikdirektor des «Festival della Valle d’Itria» in Martina Franca (Apulien) und Gastdirigent renommierter Klangkörper, darunter das Philadelphia Orchestra, das Cleveland Orchestra, das NHK Tokio, die Münchener Philharmoniker, die Filarmonica della Scala, das London Symphony Orchestra, das Concertgebouw Orkest Amsterdam, das Saito Kinen Orchester sowie zahlreiche namhafte Opernorchester. Bei den Salzburger Festspielen trat er mit Richard Strauss’ Die Liebe der Danae und Die Ägyptische Helena hervor. Zu seinen bedeutendsten Dirigaten am Opernhaus Zürich zählen bisher u.a. die Neuproduktionen von drei Bellini-Opern sowie Rigoletto, Fidelio, Wozzeck und Verdis Messa da Requiem. Wichtige CD-Aufnahmen sind Verdis Aroldo, Bellinis I puritani und I Capuleti e i Montecchi, sämtliche Sinfonien von Robert Schumann sowie die Sinfonien und das Oratorium Das Buch mit sieben Siegeln des vergessenen österreichischen Komponisten Franz Schmidt. Ausserdem liegen verschiedene sinfonische Dichtungen von Richard Strauss und eine hochgelobte Aufnahme von Bruckners 9. Sinfonie mit der Staatskapelle Dresden vor. Für die Einspielungen von Siegfried und Götterdämmerung mit dem Orchester der Met erhielt er einen Grammy, 2013 wurde ihm der begehrte italienische Kritikerpreis Premio Franco Abbiati und 2014 der Grifo d’Oro der Stadt Genua verliehen. Er ist Träger des Bruckner-Ringes der Wiener Symphoniker sowie Cavaliere und Commendatore der italienischen Republik. Im 2015 neu gegründeten Label «Philharmonia Records» der Philharmonia Zürich erschienen unter seiner Leitung bisher Werke von Berlioz, Wagner, Verdi, Rachmaninow, Bruckner, Schubert, Rimski-Korsakow und Frank Martin sowie die DVDs zu Rigoletto (Regie: Tatjana Gürbaca), Wozzeck (Regie: Andreas Homoki), I Capuleti e i Montecchi (Regie: Christof Loy), die Messa da Requiem (Regie/Choreografie: Christian Spuck) und Das Land des Lächelns (Regie: Andreas Homoki).
Sebastian Baumgarten, Inszenierung
Sebastian Baumgarten
Sebastian Baumgarten, geboren in Ost-Berlin, studierte Musiktheaterregie an der Hochschule für Musik «Hanns Eisler» in Berlin. 1999-2002 war er Oberspielleiter am Staatstheater Kassel, 2003-2005 Chefregisseur des Meininger Theaters. Als Regisseur sowohl im Schauspiel als auch im Musiktheater wurde er mehrfach ausgezeichnet: 2002 erhielt er für seine Inszenierung von Tosca am Staatstheater Kassel den Götz-Friedrich-Preis; für seine Produktion von Händels Orest an der Komischen Oper Berlin wurde er 2006 von den Kritikern der Zeitschrift «Opernwelt» zum Regisseur des Jahres gewählt. 2011 eröffnete er mit Tannhäuser die 100. Bayreuther Festspiele und 2013 war seine Zürcher Inszenierung von Brechts Die heilige Johanna der Schlachthöfe zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Zu seinen Inszenierungen der letzten Jahre gehören u.a. Mozarts Requiem, Im weissen Rössl und Carmen an der Komischen Oper Berlin, Amerika am Maxim Gorki Theater, La Fabbrica (nach Luigi Nono und György Ligeti) am HAU Berlin, Die Affäre Rue de Lourcine, Schuld und Sühne sowie Herr Puntila und sein Knecht Matti am Schauspielhaus Zürich, Der fliegende Holländer am Theater Bremen, La forza del destino und Al gran sole carico d’amore am Theater Basel, Gas-Trilogie am Staatsschauspiel Dresden, Der Würgeengel am Volkstheater Wien, Peer Gynt am Residenztheater München sowie Don Giovanni, Wolfgang Rihms Hamletmaschine, Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny, Belshazzar, Turandot und Amerika am Opernhaus Zürich. Seit 2013 leitet Sebastian Baumgarten den Studiengang Regie an der Theaterakademie «August Everding» in München.
Barbara Ehnes, Bühnenbild
Barbara Ehnes
Barbara Ehnes studierte Freie Kunst und Bühnenbild bei Wilfried Minks und Marina Abramovic an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg und in Amsterdam sowie Literaturwissenschaft an der Universität Hamburg. Seither entwirft sie Bühnenbilder u.a. für das Deutsche Schauspielhaus Hamburg, die Münchner Kammerspiele, das Schauspielhaus Zürich, das Theater Basel, die Volksbühne Berlin, das Thalia Theater Hamburg, das Burgtheater Wien, Het Muziektheater Amsterdam, die Salzburger Festspiele und die Staatsoper Berlin. Seit 2000 arbeitet sie regelmässig mit den Regisseuren Stefan Pucher, Jossi Wieler/Sergio Morabito, Calixto Bieito, Schorsch Kamerun, die Choreografin Meg Stuart und Sebastian Baumgarten (u.a.Don Giovanni und Die Hamletmaschine am Opernhaus Zürich). In den vergangenen Jahren entstanden zudem eigene performative Installationen (u.a. Istanbul Transgelinler, Die schwarze Botin – remastered and remistressed bei den Wiener Festwochen 2013). Während der Intendanz Frank Baumbauers (2001–2009) gehörte Barbara Ehnes zum künstlerischen Leitungsteam der Münchner Kammerspiele. 2005 erhielt sie den deutschen Bühnenpreis «Opus» und 2012 wurde ihr gemeinsam mit Chris Kondek der Deutsche Theaterpreis «Faust» für Quijote. Trip zwischen Welten am Thalia Theater Hamburg verliehen. Seit 2011 ist sie Professorin für Bühnenbild an der Hochschule für Bildende Künste Dresden. 2015 ist im Verlag Theater der Zeit die Monographie Barbara Ehnes – Starting Over erschienen. 2020 erschuf sie das Bühnenbild zur Uraufführung von Fujikuras A Dream of Armageddon am New National Theatre Tokyo (Regie: Lydia Steier) und 2023 führte sie Regie bei Alcina am Luzerner Theater.
Joki Tewes, Kostüme
Joki Tewes
Jana Findeklee und Joki Tewes sind seit 2007 ein Bildnerteam in den Bereichen Bühne, Kostüm und Video für Schauspiel und Oper. Im Bereich Kostüm prägten sie die gemeinsamen Inszenierungen mit Frank Castorf am Schauspielhaus Zürich, an der Volksbühne Berlin, bei den Wiener Festwochen und zuletzt am Residenztheater München (Kasimir und Karoline). Eine kontinuierliche Zusammenarbeit verbindet sie mit den Regisseuren Stefan Bachmann, Dani Levy, Christian Weise, Christoph Frick und Paul-Georg Dittrich. Mit Sebastian Baumgarten arbeiten sie bereits seit 2012 u.a. für das Staatstheater Stuttgart, das Maxim Gorki Theater Berlin, die Schauspielhäuser Düsseldorf, Hamburg und Zürich. Die heilige Johanna der Schlachthöfe von Bertold Brecht wurde zum Theatertreffen 2013 nach Berlin eingeladen. Ihre letzte Produktion am Opernhaus Zürich war Orlando Paladino in der Regie von Jetske Mijnssen.
Jana Findeklee, Kostüme
Jana Findeklee
Jana Findeklee und Joki Tewes sind seit 2007 ein Bildnerteam in den Bereichen Bühne, Kostüm und Video für Schauspiel und Oper. Im Bereich Kostüm prägten sie die gemeinsamen Inszenierungen mit Frank Castorf am Schauspielhaus Zürich, an der Volksbühne Berlin, bei den Wiener Festwochen und zuletzt am Residenztheater München (Kasimir und Karoline). Eine kontinuierliche Zusammenarbeit verbindet sie mit den Regisseuren Stefan Bachmann, Dani Levy, Christian Weise, Christoph Frick und Paul-Georg Dittrich. Mit Sebastian Baumgarten arbeiten sie bereits seit 2012 u.a. für das Staatstheater Stuttgart, das Maxim Gorki Theater Berlin, die Schauspielhäuser Düsseldorf, Hamburg und Zürich. Die heilige Johanna der Schlachthöfe von Bertold Brecht wurde zum Theatertreffen 2013 nach Berlin eingeladen. Ihre letzte Produktion am Opernhaus Zürich war Orlando Paladino in der Regie von Jetske Mijnssen.
Elfried Roller, Lichtgestaltung
Elfried Roller
Elfried Roller stammt aus Stuttgart. Schon während des Studiums der Elektrotechnik arbeitete er nebenher in einem Privattheater in Karlsruhe. Es folgte die Meisterausbildung am Opernhaus Stuttgart. Von dort wechselte er ans Staatstheater Kassel und kreierte Lichtdesigns u.a. für Armin Petras, Volker Schmalör, Schirin Khodadadian und Hans Henning Paar. Seit 2008 ist Elfried Roller am Opernhaus Zürich beschäftigt. Hier entstand u.a. das Licht für La finta giardiniera in der Regie von Tatjana Gürbaca, Donizettis Roberto Devereux von David Alden sowie für Sebastian Baumgartens Produktionen Hamletmaschine, Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny, Belshazzar, Turandot und Amerika. Jüngst führte ihn mit Donizettis Anna Bolena von David Alden ein Gastengagement an die Deutsche Oper Berlin.
Chris Kondek, Video-Design
Chris Kondek
Chris Kondek, geboren in Boston und aufgewachsen in New York, produziert seit 20 Jahren Videos für Theater und Performances. 1990 begann seine Arbeit mit The Wooster Group in New York. 1999 zog er nach Berlin, wo er mit der Choreografin Meg Stuart zu arbeiten begann. Eine kontinuierliche Zusammenarbeit verbindet ihn auch mit dem Regisseur Stefan Pucher. Ausserdem gestaltet Chris Kondek Videos für Produktionen von Armin Petras, Sebastian Baumgarten, Hans-Werner Kroesinger, René Pollesch, Michael Nyman, Rimini Protokoll, Jossi Wieler und Falk Richter. In letzter Zeit erarbeitete er u.a. Videodesigns für Don Giovanni und Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny am Opernhaus Zürich, Ariodante und Al gran sole carico d’amore am Theater Basel, Situation Rooms an der Ruhrtriennale, Elektra am Deutsche Theater Berlin und Der Freischütz, op. 77 Am Theater an der Wien. Seit 2004 entwickelt Chris Kondek eigene Theaterarbeiten, zumeist gemeinsam mit Christiane Kühl. Das erste Projekt, Dead Cat Bounce, wurde beim Festival Politik im Freien Theater 2005 vom Goethe-Institut und ZDF-theaterkanal ausgezeichnet. Es folgten u.a. Loan Shark am Hebbel am Ufer Berlin, Stuff am Theater Neumarkt in Zürich, Übermorgen ist zweifelhaft // 2012 an den Münchner Kammerspielen, Money: It Came From Outer Space am HAU, das ebenfalls vom Goethe-Institut ausgezeichnet wurde, sowie Anonymous P. (2014) in der Gessnerallee Zürich. 2012 erhielt Chris Kondek gemeinsam mit der Bühnenbildnerin Barbara Ehnes den Theaterpreis «Der Faust» für die Arbeit an Stefan Puchers Produktion Don Quixote am Thalia-Theater Hamburg. Am Opernhaus Zürich führte er Regie bei der Uraufführung Last Call von Michael Pelzel.
Kinsun Chan, Choreographische Mitarbeit
Kinsun Chan
Der schweizerisch-kanadische Choreograf und Designer Kinsun Chan studierte Kunst, Grafikdesign und Tanz in den USA. Als Tänzer war er u.a. Mitglied des Balletts Zürich unter Heinz Spoerli sowie des Balletts Basel unter Richard Wherlock, wo er als Solist in Choreografien von Jiří Kylián, William Forsythe, Nacho Duato, Heinz Spoerli, Hans van Manen, Richard Wherlock und Ed Wubbe zu erleben war. Seine ersten eigenen Choreografien entstanden für die Reihe «Junge Choreografen» des Balletts Zürich sowie im Rahmen der Noverre-Gesellschaft am Stuttgarter Ballett. Kinsun Chans Arbeiten wurden seither vom Ballett Basel, dem Singapore Dance Theatre, dem Ballett der Staatsoper Hannover, der Royal Ballet School Antwerpen, der John Cranko Ballet School, der Hong Kong Academy of Performing Arts, der Ballett Akademie München, der Tanz Akademie Zürich sowie am Tiroler Landestheater, am Staatstheater Kassel und am Luzerner Theater aufgeführt. Die Choreografie Black on Black, kreiert für das Hong Kong Ballet, wurde zum Jacobs Pillow Dance Festival (USA) und zum Festival des Arts de Saint Sauveur (Kanada) eingeladen. Zwei seiner Variationen wurden beim Prix de Lausanne 2021 und 2022 aufgeführt (Echo und Rain). Kinsun Chan ist zudem als Choreograf für Opern tätig. Dabei arbeitete er u.a. mit Jens-Daniel Herzog, Michael Sturminger, Götz Friedrich, Dominique Mentha, Bernd Mottl, Frank Hilbrich, Tatjana Gürbaca, Sebastian Baumgarten und Andreas Homoki. Kinsun Chan ist seit Beginn der Spielzeit 2019/20 Leiter der Tanzkompanie am Theater St. Gallen und wird ab 2024/25 Künstlerischer Leiter des Semperoper Balletts.
Janko Kastelic, Choreinstudierung
Janko Kastelic
Janko Kastelic ist ein kanadisch-slowenischer Dirigent, Chorleiter, Pianist und Organist. Er begann seine musikalische Ausbildung in Kanada am Royal/Western Conservatory of Music und der St. Michael‘s Choir School. Er hat einen Abschluss in Dirigieren, Komposition und Musiktheorie von der Universität Toronto und setzte sein Studium an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Wien fort. Seit 2017 ist er Chordirektor am Opernhaus Zürich. Er war einer der Kapellmeister der Wiener Hofmusikkapelle, Studienleiter des JET-Programms für junge Sänger am Theater an der Wien und Assistent bei den Bayreuther Festspielen sowie Gastchordirektor an der Hamburgischen Staatsoper. Zu den Positionen, die er im Lauf seiner Karriere bekleidet hat, gehört auch die Stelle des Generalmusikdirektors und Operndirektors am Slowenischen Nationaltheater Maribor, des Zweiten Chordirektors an der Wiener Staatsoper sowie des Korrepetitors an der Opéra National de Paris. Er war Assistenzprofessor an der Universität Ljubljana und Mentor an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien. Seine künstlerischen Leistungen sind dokumentiert auf mehreren Live-Aufnahmen, darunter Tschaikowskis Pique Dame und Schönbergs Moses und Aron. Er arrangierte und dirigierte auch Werke für die Feierlichkeiten zum Mozartjahr 2006. Zu seinen Arbeiten beim Klangbogen-Festival in Wien gehört die europäische Erstaufführung von Blochs Macbeth. Janko Kastelic ist auch ein engagierter Pädagoge, der sich der Förderung der nächsten Generation von Musikerinnen und Musikern verschrieben hat.
Claus Spahn, Dramaturgie
Claus Spahn
Claus Spahn ist seit 2012 Chefdramaturg am Opernhaus Zürich. In dieser Funktion ist er massgeblich an der Spielplangestaltung des Hauses beteiligt. Er ist als Produktionsdramaturg tätig und verantwortet die zentralen Publikationen des Opernhauses wie Programmbücher, das monatliche Magazin MAG, Podcasts und Werkeinführungen. Sein Interesse gilt vor allem der modernen und zeitgenössischen Musik, dem Opernrepertoire des Barock und der Entwicklung neuer musiktheatralischer Konzepte. Er hat am Opernhaus Zürich Musiktheaterprojekte von Wolfgang Rihm, Helmut Lachenmann, George Benjamin, Roman Haubenstock-Ramati und Uraufführungen von Heinz Holliger, Christian Jost und Stefan Wirth betreut Als Produktionsdramaturg hat er für die Regisseure Sebastian Baumgarten, Herbert Fritsch, Jan Philipp Gloger, Tatjana Gürbaca, Andreas Homoki, Barrie Kosky, Nadja Loschky, David Marton und Evgeni Titov gearbeitet. Eine enge künstlerische Partnerschaft verbindet ihn ausserdem mit dem Choreografen und ehemaligen Direktor des Balletts Zürich, Christian Spuck. Für Christian Spuck war er in Zürich stückentwickelnd an den Produktionen Anna Karenina, Nussknacker und Mausekönig und Monteverdi beteiligt und hat Libretti für die Ballette Orlando nach Virginia Woolf (Uraufführung 2021 am Moskauer Bolshoi-Ballett) und Bovary nach Gustave Flaubert (Uraufführung 2023 am Berliner Staatsballett) geschrieben. Ausserdem ist er Librettist der Kammeroper Der Traum von Dir des Schweizer Komponisten Xavier Dayer, die 2017 am Opernhaus Zürich uraufgeführt wurde.
Bevor er ans Opernhaus Zürich wechselte, war Claus Spahn 14 Jahre lang Feuilletonredakteur bei der deutschen Wochenzeitung DIE ZEIT und dort verantwortlich für das Fachressort Musik. Von 1990-1997 war er als freier Musikjournalist vor allem für die Süddeutsche Zeitung und den Bayerischen Rundfunk tätig. In seiner Funktion als Journalist hat er die Entwicklungen des internationalen Kultur-, Musik- und Opernbetriebs über Jahrzehnte hinweg beobachtet und kommentiert, war Radio-Moderator, Juror bei Internationalen Musikwettbewerben und Workshopleiter für kulturjournalistisches Schreiben. Claus Spahn ist in Deutschland geboren, hat in Freiburg im Breisgau klassische Gitarre studiert und eine Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule in München absolviert.
Karita Mattila, Leokadja Begbick
Karita Mattila
Karita Mattila, im finnischen Somero geboren, gehört zu den gefragtesten dramatischen Sopranistinnen der heutigen Zeit. 1986 gab sie ihr Operndebüt als Fiordiligi (Così fan tutte) am Royal Opera House Covent Garden. Seither ist sie an allen bedeutenden Bühnen der Welt mit einem Repertoire aufgetreten, das die grossen Sopranpartien von Mozart, Richard Strauss, Tschaikowski, Verdi, Puccini, Wagner und Janáček wie auch Uraufführungen von Kaija Saariahos Werken umfasst. Ihre Bühnenpräsenz entfaltet sich in der Zusammenarbeit mit Regisseuren wie Luc Bondy (Verdis Don Carlo in Paris, London und Edinburgh), Peter Stein (Simon Boccanegra in Salzburg und Don Giovanni in Chicago) oder Jürgen Flimm (Fidelio an der Metroplitan Opera). Höhepunkte der letzten Zeit waren Kostelnička (Jenůfa) in New York, San Francisco und München, Emilia Marty (Věc Makropulos) an der Met, der Finnischen Nationaloper und bei den BBC Proms, die Titelrolle in Ariadne auf Naxos in Paris, München und London sowie ihr Rollendebüt als Kundry (Parsifal) bei den Musikfestspielen in Turku. Aufnahmen umfassen u.a. Die Meistersinger von Nürnberg mit Sir Georg Solti und Jenůfa mit Bernhard Haitink, die beide mit einem «Grammy» ausgezeichnet wurden, wie auch Strauss’ Vier letzte Lieder, Schönbergs Gurrelieder und Schostakowitschs 14. Sinfonie. Für ihre Rollenportraits wurde Karita Mattila mit zahlreichen Preisen bedacht, darunter mehrere Nominierungen für den «Laurence Olivier Award», der Chevalier des Arts et des Lettres, «Musician of the year» (Musical America) und der «Royal Philharmonic Society Award». Seit Beginn ihrer Laufbahn widmet sich Karita Mattila auch der Liedkunst und gestaltet regelmässig Rezitale.
Michael Laurenz, Willy, der Prokurist
Michael Laurenz
Michael Laurenz begann seine Gesangskarriere als Tamino bei den Schlossfestspielen Wernigerode. Es folgten Engagements mit den Stuttgarter Philharmonikern und an der Kammeroper München. Als Mitglied des Internationalen Opernstudios Zürich (2008–2010) sang er u.a. die Titelpartie in Offenbachs BarbeBleue und Siegfried in Oscar Straus’ Die lustigen Nibelungen. 2010 wurde er ans Opernhaus Zürich engagiert und war hier u.a. als Arbace (Idomeneo), Lindoro (Haydns La fedeltà premiata), Dr. Cajus (Falstaff), Tanzmeister (Ariadne auf Naxos), Valzacchi (Der Rosenka
valier), Iwan (Die Nase), Abdisu (Palestrina), Pedrillo (Die Entführung aus dem Serail), Der Schäbige (Lady Macbeth von Mzensk), David (Die Meistersinger von Nürnberg), Aegisth (Elektra), Monostatos (Die Zauberflöte), Pirzel (Die Soldaten) und in der Titelrolle von Robin Hood zu hören. Michael Laurenz gastiert regelmässig an den grossen Opernhäusern und Festivals Europas, darunter die Bregenzer Festspiele, die Pariser Oper, die Salzburger Festspiele
und die Bayerische Staatsoper. Höhepunkte der letzten Zeit waren Valzacchi (Der Rosenkavalier) in Amsterdam, Andres (Wozzeck) an der Mailänder Scala, Meckie Messer beim Kurt Weill-Fest in Dessau, Aegisth (Elektra) sowie Albert Gregor (Die Sache Makropulos) an der Vlaamse Opera, Tanzmeister (Ariadne auf Naxos) in Glyndebourne, Willy (Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny) in Zürich, Basilio (Le nozze di Figaro) an der Oper Köln und Flute (A Midsummer Night’s) am Theater an der Wien. Er ist Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper und war dort zuletzt in Arabella, Die Zauberflöte für Kinder, Les Contes d’Hoffmann und Orest zu hören.
Christopher Purves, Dreieinigkeitsmoses
Christopher Purves
Der britische Bariton Christopher Purves war Student und Chorschüler am King’s College in Cambridge sowie Mitglied der experimentellen Rockband Harvey and the Wallbangers. Heute tritt er mit einem breit gefächerten Repertoire auf allen internationalen Bühnen auf. Höhepunkte waren u.a. die Titelrollen in Barrie Koskys Inszenierungen von Falstaff in Aix-en-Provence und von Händels Saul in Glyndebourne und beim Adelaide Festival, Balstrode (Peter Grimes) in Madrid und beim Edinburgh Festival, Alberich (Götterdämmerung) an der Houston Grand Opera und an der Bayerischen Staatsoper, der Förster (Das schlaue Füchslein) und Méphistophélès (La damnation de Faust) in Glyndebourne, sein Debüt an der Pariser Oper in Romeo Castelluccis Inszenierung von Schönbergs Moses und Aron, The Protector (Written on Skin) in Covent Garden, Madrid und Barcelona, Schönbergs Gurrelieder bei den BBC Proms mit dem London Symphony Orchestra und Sir Simon Rattle sowie eine Europa-Tournée mit Händels Messiah mit Emmanuelle Haïm und Le Concert d’Astrée. Seine Affinität zu zeitgenössischen Kompositionen zeigte er zudem in seiner Interpretation von Walt Disney in der Uraufführung von Philip Glass’ The Perfect American in Madrid und an der English National Opera sowie in diversen Werken von Sir James Macmillan. Zu seiner Diskografie gehören das Solo-Album Handel’s Finest Arias for Base Voice, Written on Skin mit George Benjamin und dem Mahler Chamber Orchestra wie auch Donizettis Maria di Rohan mit dem Orchestra of the Age of Enlightenment und Mark Elder. In Zürich sang er zuletzt Dreieinigkeitsmoses (Mahagonny), Herzog Antoniotto Adorno / Capitaneo di giustizia (Die Gezeichneten) und Alberich (Rheingold und Siegfried).
Annette Dasch, Jenny Hill
Annette Dasch
Die Berlinerin Annette Dasch studierte u.a. an der Hochschule für Musik in München. 2014 wurde sie mit dem «Bundesverdienstkreuz am Bande» ausgezeichnet. Zu ihren vergangenen Engagements zählen Marschallin (Der Rosenkavalier; New National Theatre Tokyo), die Titelrollen in Katia Kabanova (Komische Oper Berlin) und Jenůfa (Nederlandse Opera Amsterdam) sowie Elsa (Lohengrin; Bayreuther Festspiele, Mailänder Scala, Bayerische Staatsoper München, Wiener Staatsoper, Oper Frankfurt, Gran Teatre del Liceu Barcelona, Oper Frankfurt), Jenny (Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny; Aix- en-Provence, Opernhaus Zürich) und Donna Elvira (Don Giovanni; Mailänder Scala, Berliner Staatsoper, Bayerische Staatsoper München). Im Konzert arbeitet sie mit Orchestern wie den Berliner und Wiener Philharmonikern, dem Orchestre de Paris, dem Mozarteum Orchester Salzburg oder der Akademie für Alte Musik sowie mit Dirigenten wie Daniel Barenboim, Ivor Bolton, Sir Colin Davis, Gustavo Dudamel, Adam Fischer, Daniele Gatti, Nikolaus Harnoncourt, Paavo Järvi, Marek Janowski, Fabio Luisi, Kent Nagano, Andris Nelsons, Seiji Ozawa, Sir Simon Rattle oder Esa-Pekka Salonen. Liederabende führen sie regelmässig zur Schubertiade Schwarzenberg, in den Wiener Musikverein, das Wiener Konzerthaus, zum Concertgebouw Amsterdam, in das Konzerthaus Dortmund und die Wigmore Hall London sowie die Philharmonien von Köln und Essen. Ihre Debüt-CD Armida wurde mit dem ECHO für die «Beste Operneinspielung» ausgezeichnet. In dieser Spielzeit ist sie u.a. in Jan Philipp Glogers Inszenierungen Die Dubarry an der Volksoper Wien zu erleben.
Christopher Ventris, Paul Ackermann
Christopher Ventris
Christopher Ventris gehört seit seinen Debüts in Glyndebourne, an der Opera North und an der English National Opera zu den führenden Tenören seines Faches. In den vergangenen Jahren lag der Fokus seiner Karriere vor allem auf Wagner-Partien. So gab er als Parsifal sein erfolgreiches Debüt bei den Bayreuther Festspielen 2008 und begeisterte mit derselben Partie unter Bernard Haitink am Opernhaus Zürich in der Spielzeit 2006/07, unter Christian Thielemann und später in der Regie von Alvis Hermanis an der Wiener Staatsoper, unter Kent Nagano an der Bayerischen Staatsoper, unter Lorin Maazel in Valencia, unter Marc Albrecht in Amsterdam sowie u.a. in London, Paris, Barcelona und San Francisco. Siegmund (Die Walküre) verkörperte er u.a. in Wien, Bayreuth, Washington, Venedig, Amsterdam, Budapest und bei seinem Debüt an der Semperoper Dresden. Lohengrin sang er in Bologna, Genf, Madrid und Dallas. Er gab seine Rollendebüts als Tannhäuser in Paris sowie als Erik (Der fliegende Holländer) in San Francisco und sang die Titelrolle in Rienzi bei den Salzburger Festspielen. Weitere zentrale Partien seines Repertoires sind Laca (Jenůfa), den Christopher Ventris an der Spielzeiteröffnung 2012/13 in Zürich sang, wie auch die Rolle des Steva in derselben Oper, mit der er u.a. an der Metropolitan Opera debütierte, zudem die Titelrolle in Peter Grimes (Opernhaus Zürich, Deutsche Oper Berlin), Florestan in Fidelio (Washington National Opera), Max in Der Freischütz (Opernhaus Zürich, Deutsche Oper Berlin, Teatro alla Scala) und Andrei Chowanski in Chowanschtschina (Bayerische Staatsoper, BBC Proms). Geplant sind u.a. Parsifal, Siegmund und Lohengrin an der Wiener Staatsoper.
Iain Milne, Jakob Schmidt
Iain Milne
Iain Milne stammt aus Aberdeenshire/Schottland. Er schloss sein Studium an der Royal Academy of Music in London mit Auszeichnung ab, war Mitglied des National Opera Studio in London und des Internationalen Opernstudios in Zürich. Sein Operndebüt gab er in der Titelrolle von Mozarts La clemenza di Tito. Seither sang er u.a. in Peter Maxwell Davies’ The Lighthouse an der Royal Academy und Tamino an der Hampstead Garden Opera. Engagements als Solist in Oratorien führten ihn zudem nach Hamburg (Händels Messiah), nach Aberdeen (Haydns Schöpfung) und in die Fairfield Halls in Croydon (Elgars Dream of Gerontius). Als Mitglied des Internationalen Opernstudios in Zürich war er u.a. als Orlando (Haydns Orlando paladino), als Erster Priester (Die Zauberflöte), Brighella (Ariadne auf Naxos) sowie in Lohengrin, Fälle, Elektra, Il viaggo a Reims, Le Comte Ory und Der Zauberer von Oz zu hören. Seit der Spielzeit 2016/17 gehört er zum Ensemble des Opernhauses Zürich und sang hier u.a. Normanno in Lucia di Lammermoor, Roderigo in Otello, Jakob Glock in Prokofjews Der feurige Engel, Jack in Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny, Pong in Turandot, Gastone in La traviata, Menaldo Negroni in Die Gezeichneten, The Beadle in Sweeney Todd, Mister Bobo / Ander-Bobo in Coraline, Walther von der Vogelweide in Tannhäuser und Misail in Boris Godunov. Ausserdem sang er den 1. Juden in Salome, Van Ruijven in Girl with a Pearl Earring, Normanno in Lucia di Lammermoor, Cajus in Falstaff und Pang in Turandot. Jüngst übernahm er an De Nationale Opera Jack / Tobby Higgins in Weills Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny.
Paul Curievici, Jakob Schmidt
Paul Curievici
Paul Curievici studierte Gesang an der Guildhall School of Music and Drama in London. Sein Debüt gab er am Royal Opera House Covent Garden als Jack Worthing in Gerald Barrys The Importance of Being Ernest und kehrte später als Eames (The Virtues of Things), als Titorelli/Flogger/Student in der Uraufführung von Philip Glass’ The Trial und als Zweiter Jude in Salome dorthin zurück. Als Jack Worthing war er auch am Barbican und am Lincoln Center mit den New Yorker Philharmonikern zu erleben. Weitere Rollen in modernen und zeitgenössischen Werken waren Painter in Olga Neuwirths American Lulu mit der Opera Group am Young Vic, in Bregenz und beim Edinburgh Festival sowie Sam Kaplan (Street Scene) mit The Opera Group im Liceu Barcelona und am Théâtre du Châtelet in Paris. In den vergangenen Jahren war er u. a. als Pedrillo (Die Entführung aus dem Serail) am Grange Festival in Northington, in der Titelrolle von Candide an der Komischen Oper Berlin, als Melot (Tristan und Isolde) und Flute (A Midsummer Night’s Dream) in Montpellier, in der Uraufführung Diodati. Unendlich am Theater Basel sowie an der Royal Danish Opera als Melot und Adolfo Pirelli (Sweeney Todd) zu erleben. Zu seinen aktuellen Rollen gehören Karl Rossmann (Haubenstock-Ramatis Amerika) am Opernhaus Zürich, Zinoviy (Lady Macbeth von Mzensk) am Hessischen Staatstheater Wiesbaden, High Priest of Amon (Akhnaten) an der English National Opera sowie Erster Jude (Salome) am Royal Opera House. In Zürich sang er 2017 bereits Jakob Schmidt in Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny, 2018 Guidobald Usodimare in Die Gezeichneten sowie 2020 Graf Elemer in Arabella.
Cheyne Davidson, Heinrich, genannt Sparbüchsenbill
Cheyne Davidson
Cheyne Davidson erhielt seine musikalische Ausbildung an der Case Western Reserve University, dem Cleveland Institute of Music und der Manhattan School of Music. Unmittelbar nach seinem Studium wurde er eingeladen, als Escamillo mit Peter Brooks Tragédie de Carmen auf Europa-, Japan- und Israel-Tournee zu gehen. Nach Auftritten in den USA und Europa war er ein Jahr lang Mitglied des IOS. Seit 1992/93 gehört er zum Ensemble des Opernhauses Zürich, wo er u.a. als Marcello, Schaunard und Benoît (La bohème), Escamillo (Carmen), Silvio (Pagliacci), Amfortas (Parsifal), Paolo Albiani (Simon Boccanegra), Donner und Gunther (Der Ring des Nibelungen), Alfio (Cavalleria rusticana), Faninal (Rosenkavalier), Lescaut (Manon Lescaut), Marco (Gianni Schicchi), Barone Douphol (La traviata), Enrico (Lucia di Lammermoor), Werschinski (Drei Schwestern), Eisenhardt (Die Soldaten), Chang (Das Land des Lächelns), als Le Bailli in Massenets Werther, Bill (Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny), Jonas Fogg (Sweeney Todd), Eurylochos (Die Odyssee) und als Benoît (La bohème) auftrat. Gastverträge führten ihn u.a. an die Opernhäuser Stuttgart, Köln und Hamburg, nach Basel und Luzern, an das Théâtre du Châtelet in Paris, die Oper Nancy, zur Hamburger Opernwoche, nach Belgrad und Budapest, zu den Bregenzer Festspielen und zum Classic Open Air Solothurn. Bei der ZKO Opera Box war er in Die schöne Galathée, in Il campanello di notte sowie in Il signor Bruschino zu erleben. Sein Salzburger Festspieldebüt gab er zu Pfingsten 2016 als Doc in der West Side Story; im Sommer 2016 war er ebenfalls in Salzburg in der Uraufführung von Thomas Adès’ Oper The Exterminating Angel zu erleben.
Ruben Drole, Josef, genannt Alaskawolfjoe
Ruben Drole
Ruben Drole, Bassbariton, stammt aus Winterthur und studierte an der Musikhochschule Zürich. 2004 wurde er ins IOS und 2005 ins Ensemble des Opernhauses Zürich aufgenommen, wo er u.a. als Lucio Cinna (J.C. Bachs Lucio Silla), Haly (L’italiana in Algeri), Argante (Rinaldo), Wurm (Luisa Miller) und als Papageno in der von Nikolaus Harnoncourt geleiteten Zauberflöte zu erleben war. Als Papageno hat er 2015 auch sein Debüt an der Semperoper Dresden gegeben. Weitere Projekte mit Harnoncourt waren u.a. Kezal (Die verkaufte Braut) und Haydns Schöpfung bei der Styriarte Graz, Beethovens Christus am Ölberg in Wien und Luzern, eine Japan-Tournee (Mozarts Requiem und Händels Messiah) sowie Leporello (Don Giovanni) am Theater an der Wien. Im Zürcher Zyklus der Mozart/Da Ponte-Opern von Sven-Eric Bechtolf und Franz Welser-Möst wirkte er als Guglielmo (Così fan tutte), Figaro (Le nozze di Figaro) und Leporello mit. Dieselben Partien interpretierte er unter Welser-Möst auch mit dem Cleveland Orchestra. Bei den Salzburger Festspielen 2012 sang er den Achilla (Giulio Cesare) und trat dort 2013 in Haydns Il ritorno di Tobia und in Walter Braunfels’ Szenen aus dem Leben der Heiligen Johanna auf. In Zürich war er zuletzt u.a. als Figaro, Lord Rochefort (Anna Bolena), Papageno, Leporello, Alaskawolfjoe (Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny), als Peter in Hänsel und Gretel, Biterolf in Tannhäuser, Soldat in Die Geschichte vom Soldaten, Odysseus in Die Odyssee, Antonio in Le nozze di Figaro sowie als Herzogin/Raupe in Alice im Wunderland zu sehen. Ausserdem war er jüngst im Ballettabend Nachtträume zu erleben.
Jonathan Abernethy, Tobby Higgins
Jonathan Abernethy
Jonathan Abernethy stammt aus Neuseeland. 2015 war er Preisträger bei der Festivalakademie in Aix-en-Provence sowie bei den Australian Opera Awards. Seit 2012 ist er regelmässig am Sydney Opera House zu erleben, wo er sich mit Partien wie Tamino (Die Zauberflöte), Ferrando (Così fan tutte), Normanno (Lucia di Lammermoor), Don Ottavio (Don Giovanni), Ruiz (Il trovatore), Fenton (Falstaff), Remendado (Carmen), Lerma (Don Carlos) und Lensky (Jewgeni Onegin) ein breites Repertoire aneignen konnte. 2015 begab er sich auf eine sechsmonatige Studienreise ins Ausland und nahm an verschiedenen Festivals und Opernprogrammen wie der Festival d’Aix-en-Provence Residency, der Solti-Akademie in Italien und dem Ravinia Festival Steans Music in Chicago teil. Während dieser Zeit hatte er die Gelegenheit, mit bedeutenden Künstlern wie Sir Richard Bonynge, James Conlon und Leo Nucci zu arbeiten. 2016/17 sang Jonathan Abernethy u.a. Nadir (Les pêcheurs de perles) an der West Australian Opera in Perth, Diarte (Cavallis Erismena) in Aix-en-Provence und Nanki-Poo (The Mikado) an der New Zealand Opera in Auckland. Seit der Spielzeit 2017/18 ist er Mitglied im IOS, wo er u.a. in Salome, Fidelio, La fanciulla del West und in Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny zu sehen ist.